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Xundheit in Bärn
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POLITFORUM

Keine Kassenpflicht für Folgekosten nach nicht medizinisch indizierten kosmetischen Eingriffen

MOTION vom 15.3.2012
Ruth Humbel Nationalrätin CVP Kanton Aargau
Der Bundesrat wird beauftragt, im Krankenversicherungsgesetz die gesetzlichen Grundlagen vorzulegen, damit Folgekosten bei Behandlungsfehlern, Komplikationen und Unverträglichkeiten nach nicht kassenpflichtigen schönheitsmedizinischen Eingriffen von der Kassenpflicht ausgenommen werden.
Begründung Schönheitsmedizinische Eingriffe wie Gesichtslifting, Brust- und Nasenkorrekturen,

Fettabsaugen sowie das Spritzen von Präparaten zur Glättung der Faltenbildung scheinen sich im boomenden Anti-Aging-Angebot grosser Beliebtheit zu erfreuen. Solche kosmetischen Eingriffe ohne medizinische Indikation, das heisst, Eingriffe, welche nicht im Zusammenhang mit einer Krankheit oder einem Unfall stehen, sind richtigerweise nicht kassenpflichtig und müssen privat finanziert werden. Läuft indes bei einer nicht kassenpflichtigen Behandlung etwas schief und kommt es zu Komplikationen oder Unverträglichkeiten, müssen die erforderlichen Nachbehandlungen oder allenfalls korrigierende operative Eingriffe von den Krankenversicherern bezahlt werden. Es stellt sich da die grundsätzliche Frage, ob es Aufgabe einer obligatorischen Sozialversicherung ist, Lifestyle-Eingriffe oder deren Folgekosten mitzufinanzieren. Meines Erachtens ist das klar keine Aufgabe der Solidargemeinschaft. In Anbetracht der zunehmen-

den Medikalisierung sozialer Faktoren und individueller Befindlichkeitsschwankungen sowie der vielfältigen Behandlungsmöglichkeiten müssen im Bereich der obligatorischen Krankenversicherung klar Grenzen gezogen werden, was solidarisch zu finanzieren ist und was in die private Verantwortung gehört. Eine solche Grenzziehung ist im Bereich der boomenden kosmetischen Medizin notwendig. Wer einen nicht medizinisch indizierten kosmetischen Eingriff an sich vornehmen lässt, muss auch für die Folgekosten bei Komplikationen und/oder fehlerhaften Behandlungen selber aufkommen, sei es durch eine private Versicherung oder eine Versicherung des Arztes. Es muss aber ausgeschlossen werden, dass die Krankenversicherer und damit die Solidargemeinschaft der Prämienzahlenden dafür bezahlen müssen.

Der Bundesrat nahm dazu am 23.5.2012 wie folgt Stellung

Die obligatorische Krankenpflegeversicherung nach dem Krankenversicherungsgesetz übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen. Das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts definiert den für das KVG massgebenden Begriff der Krankheit als «Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit, die nicht Folge eines Unfalles ist und die eine medizinische Untersuchung oder Behandlung erfordert oder eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat». Für den Krankheitsbegriff ist die Ursache der Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit ohne Bedeutung, sofern die Unfallkausalität ausgeschlossen werden kann. Laut Angaben von vertrauensärztlicher Seite (offizielle Zahlen sind nicht verfügbar) sind behandlungsbedürftige Komplikationen nach schönheitschirurgischen Eingriffen selten, und die Kosten liegen wahrscheinlich unter 2 Millionen Franken

pro Jahr. In etlichen Fällen dürfte es zudem schwierig zu belegen sein, dass ein solcher Eingriff die Ursache für eine in der Folge notwendige Behandlung bildet. Mithin dürfte der Nachweis der Kausalität einen nicht zu vernachlässigenden Faktor darstellen, der seinerseits zu weiteren Kosten verursachenden Leistungen – wie die Erstellung von Gutachten – führen könnte. Es ist generell auch schwierig, den Anteil der Behandlung, der sich auf den früher durchgeführten kosmetischen Eingriff bezieht, auszuscheiden. Für die Versicherer wären aufwendige Verfahren zur Erfassung oder Abgrenzung dieser Behandlungen nicht auszuschliessen, und es ist damit zu rechnen, dass die eingesparten Kosten den administrativen Aufwand gar nicht decken. Der Bundesrat hat in seiner Antwort auf die Motion Humbel bereits darauf hingewiesen, dass im KVG bisher das Verschulden der versicherten Person für die Übernahme von Leistungen nicht berücksichtigt wird. Die Frage, ab wann eine versicherte

Person ein Verschulden für einen Gesundheitsschaden trägt, ist auch unter dem Gesichtspunkt der Ethik sehr heikel. Zudem gibt es zahlreiche weitere Verhaltensweisen und als Risiken geltende Tätigkeiten, die gesundheitsschädigende Auswirkungen haben können. Es ist somit sachlich und mit Blick auf den Grundsatz einer rechtsgleichen Behandlung nicht zu begründen, nur Folgebehandlungen von nicht kassenpflichtigen kosmetischen Eingriffen von der Leistungspflicht auszunehmen. Der Bundesrat erachtet die vorgeschlagene Massnahme deshalb als nicht sachgerecht.
Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt.

XUNDHEIT IN BÄRN

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XUNDHEIT IN BÄRN

POLITFORUM

Auslaufen des Zulassungsstopps für Ärztinnen und Ärzte – Evaluation der Folgen

POSTULAT vom 15.3.2012
Stéphane Rossini Nationalrat SP Kanton Wallis
Der Bundesrat wird beauftragt, zu untersuchen, wie sich das Auslaufen des Zulassungsstopps für Ärztinnen und Ärzte (Bedürfnisklausel) auf die «Démographie médicale» in den Kantonen auswirkt. Konkret sollen die gesamten Auswirkungen bezüglich der Standorte neuer Arztpraxen, der Fachrichtungen, der Gesundheitskosten und

eines potenziellen medizinischen Überoder Unterangebots evaluiert werden.
Begründung Das Auslaufen der Bedürfnisklausel Ende 2011 beunruhigt den Bundesrat nicht, wie seinen Stellungnahmen zu verschiedenen parlamentarischen Vorstössen zu entnehmen ist. Er hat aber zugegeben, dass er nicht beurteilen kann, welche Auswirkungen diese Praxisänderung haben wird. In den letzten Wochen sind nun bei den Kantonen schon Hunderte von Bewilligungsgesuchen für die Berufsausübung eingegangen. In einem Bereich, in dem ein höheres Angebot zu einer stärkeren Nachfrage führt, dürfen die Auswirkungen des Auslaufens der Bedürfnisklausel auf die Kostenentwicklung nicht unterschätzt werden. Da-

mit diese Situation nicht ausser Kontrolle gerät, müssen die gegenwärtigen Entwicklungen unbedingt genau analysiert werden. Hinsichtlich der «Démographie médicale» stellt sich ausserdem die schwierige Frage der regionalen Verteilung der Arztpraxen. Die offenkundige Attraktivität der Städte und Agglomerationen führt zu zwei problematischen Entwicklungen, nämlich zu einem Über- und zu einem Unterangebot. Diese Herausforderung kann nur mit einem konsequenten Monitoring gemeistert werden, mit dem die Folgen für die Kantone und für die betroffene Bevölkerung sowie die Kostenentwicklung beurteilt werden können. Es muss endlich eine umfassende Diskussion zur Regulierung der ambulanten medizinischen Versorgung geführt werden.

Die Stellungnahme des Bundesrates vom 23.5.2012

Der Bundesrat ist sich bewusst, dass das Auslaufen des Zulassungsstopps im Sinne von Artikel 55a des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung in einzelnen Kantonen unerwünschte Folgen haben kann. In seiner Antwort vom 9. Dezember 2011 auf die Interpellation Hiltpold, «Zulassungsstopp für die Eröffnung von Arztpraxen. Auswirkungen auf die Kantone», hat der Bundesrat dazu ausführlich Stellung genommen und eindämmende Massnahmen vorgeschlagen. Dennoch ist der Bundesrat der Ansicht, dass eine Evaluation der Folgen wichtige Informationen über die Entwicklung der Situation liefern könnte. Da

der Bund hier nicht allein zuständig ist, müssen auch die Hauptakteure, das heisst die Kantone und Santésuisse mit einbezogen werden. Im Übrigen soll darauf hingewiesen werden, dass die Kantone und die Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren bereits eine erste Standortbestimmung unternehmen. Auf dieser Grundlage wird es allenfalls möglich sein, bereits bestehende Problemlagen zu erfassen, vor allem aber von diesen ersten Ergebnissen auszugehen. Der Bundesrat geht davon aus, dass sowohl die obligatorische Krankenpflegeversicherung als auch

die Gesundheitspolitik von den Folgen der Aufhebung des Zulassungsstopps für die Eröffnung von Arztpraxen betroffen sein werden. Er erklärt sich daher bereit, den eidgenössischen Räten einen Bericht zu unterbreiten, der sich zu den Folgen des Auslaufens des Zulassungsstopps für Ärztinnen und Ärzte äussert.
Der Bundesrat beantragt die Annahme des Postulates.
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt.

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