Transkript
Rosenbergstrasse 115
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Danke für die Ergänzung zum «Problem» «unsere Zürcher Freunde». Was sagt der Zürcher, wenn er zum ersten Mal das Meer sieht? – «Ha mer’s grösser vorgschtellt.»
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Im Kanton Schaffhausen ist es bald wieder soweit: Die Ärzte kämpfen für ein Recht (das Recht, ihren Patienten die Medikamente selber abgeben zu dürfen), die Apotheker für ein Monopol. Ist nicht ganz dasselbe.
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Haben Sie die Olympischen Sommerspiele in London am Fernsehen angeschaut? Vermutlich schon, war ja kaum zu vermeiden. Und? Haben Sie sich auch die Paralympics im TV angeschaut? Eher nicht, denn das Schweizer Fernsehen hielt das Ereignis offenbar für zu wenig quotenträchtig. Im Gegensatz zu ARD und ZDF, die täglich mehrere Stunden aus London berichteten. Wenn Sie beim abendlichen (oder morgendlichen oder nachmittäglichen) Zappen in die Sendung reingeraten sind, haben Sie vielleicht etwas festgestellt: Sport ist auch spannend und begeisternd, wenn die Gewinner und Verlierer keine bekannten Namen tragen, keine absoluten Weltrekorde erzielen und amputiert, sehbehindert, spastisch oder gelähmt gegeneinander und gegen sich selber kämpfen. Erstaunlich. Nach wenigen Minuten hat man sich an die teilweise sehr ungewohnten Bewegungsabläufe gewöhnt. Und zum Vorschein kommt, was den Sport eigentlich aus- und attraktiv macht: persönliche Leistung und – Emotionen. Nein, das ist nicht romantisierendes Gefasel. Schauen Sie sich’s an, nächstes Mal.
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Es gab eine Zeit – die Älteren haben sie noch erlebt –, als an den Olympischen Spielen nur Amateure mitmachten und kein Geld fliessen durfte. Die Paralympics (obschon’s da vermutlich inzwi-
schen auch um Geld geht, schliesslich gibt’s auch bei den behinderten Sportlern bereits Profis) sind irgendwie wieder da angelangt. Nicht zum Nachteil des Sports und der Zuschauer. (Die Engländer erwiesen sich da als sehr lernfähig; die Stadien waren bei den Paralympics fast so voll wie bei den «normalen», den «Geld-Spielen», und die Stimmung nicht weniger frenetisch.)
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Der WWF hat Kantonsratskandidaten eingeladen, sich in einem «Umweltrating» zu profilieren. Der WWF-Fragebogen enthielt 17 «umweltrelevante» Fragen wie zum Beispiel (sinngemäss): Wollen Sie die 2000-Watt-Gesellschaft bereits 2040 statt erst 2080? Superfrage! Sagen Sie nein, fallen Sie durch beim WWF. Sagen Sie ja, dann schummeln Sie, weil weder Sie noch der WWF auch nur die geringste Ahnung haben, was das dannzumal bedeutet.
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2040, 2080 – als ob jemand auch nur annähernd wüsste, wie die Welt energetisch, politisch, technisch, sozial dannzumal aussehen wird. Natürlich muss man planen, schliesslich heisst’s seit dem 19. Jahrhundert «Gouverner, c’est prévoir» (ein Zitat des französischen Verlegers und Politikers Émile de Girardin). Nur, mit dem prévoir ist’s so eine Sache. Wie mit allen Vorhersagen, die die Zukunft betreffen … Das allerdings hält Bundesräte und -rätinnen nicht davon ab, den Energieverbrauch allgemein oder den Benzinverbrauch im Speziellen – und dazu auch gleich noch den Benzinpreis – bis ins Jahr 2050 berechnen zu lassen. Auf Kommastellen genau. Und danach zu planen. Dabei haben der gleiche Bundesrat und seine Ämter es nicht einmal geschafft, vorherzusehen – im Gegensatz zu uns Ärzten, die wir seit Jahren und Jahrzehnten darauf aufmerksam gemacht haben –, dass es noch im Laufe der nächsten 10 Jahre zu einem Mangel an Hausärzten kommen wird. Das
zumindest wäre leicht vorherzusehen gewesen, denn wer letztes Jahr nicht Medizin studierte, wird nächstes Jahr bestimmt auch keine Hausarztpraxis eröffnen.
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Warum bezahlen wir eigentlich Radiound TV-Gebühren für staatliche Sender (wo es doch Dutzende private gibt mit gleich guten oder besseren Sendungen), nicht aber ein Abonnement für eine staatliche Zeitung?
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Deutschland hat die höchsten Strompreise in Europa. Den hässlichen subventionierten Solardach-Bauerndörfern sei Dank.
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Es gibt zuviel Kunst (und Künstler?) und zu wenig Wände. Nicht nur in Genf suchen wertvolle Sammlungen Ausstellungsräume. In den meisten Museumskellern und in vielen Privathäusern sammelt sich Kunst an – und keiner kann (und will?) sie sehen.
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Nicht nur die Apotheken mischeln mit im Gesundheitsbusiness. Auch noch weniger Qualifizierte bieten heute medizinische Dienstleistungen an, mit denen sie nichts anfangen können. Inserat in einer Tageszeitung: «Knochendichte – Richtig erkennen, richtig vorbeugen, weniger leiden. Vom … bis … können Sie bei uns die Qualität Ihrer Knochen messen, mittels eines hochmodernen Messsystems. Preis Fr. 20.–.» Anbieter ist die Drogerie(!) W.
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Und das meint Walti: Wem das Wasser bis zum Halse steht, sollte den Kopf keinesfalls hängen lassen.
Richard Altorfer
ARS MEDICI 17 ■ 2012
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