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Osteoporose: Vergleichbare Frakturraten mit Alendronat und Denosumab
Eine Metaanalyse zeigt, dass mit Denosumab im Vergleich zu Alendronat bei postmenopausalen Frauen eine ausgeprägtere Zunahme der Knochendichte erreicht wird, die Frakturraten aber nicht wirksamer gesenkt werden können als mit Alendronat. Dies gilt zumindest für eine Behandlungsdauer von einem Jahr.
INT J CLIN PRACT
Die Osteoporose – definiert über eine niedrige mineralische Knochendichte – ist an etwa 90 Prozent aller Hüft- und Wirbelfrakturen bei postmenopausalen weissen amerikanischen Frauen im Alter zwischen 65 und 84 Jahren beteiligt. Das Ziel einer Osteoporosebehandlung besteht in der Erhöhung der Knochenmasse, einer Verbesserung der Knochenstärke und letztlich in der Reduzierung der Frakturraten. Alendronat (Fosamax® und Generika) ist eines der am häufigsten angewendeten Medikamente zur Therapie der Osteoporose. Der Wirkstoff reduziert
Merksätze
❖ Denosumab und Alendronat verhindern bei Osteoporose den Knochenabbau über verschiedene Wirkmechanismen.
❖ Mit Denosumab kann eine ausgeprägtere Zunahme der Knochendichte erzielt werden als mit Alendronat.
❖ Nach einer Behandlungsdauer von einem Jahr sind die Frakturraten unter beiden Medikamenten vergleichbar.
den Knochenumsatz und hemmt die Resorption. In Studien senkte Alendronat bei postmenopausalen Osteoporosepatientinnen das Risiko für Hüftfrakturen um 45 Prozent im Vergleich zu Plazebo. Aufgrund gastrointestinaler Nebenwirkungen halten jedoch nur wenige Patienten an einer langfristigen Therapie fest. Im Rahmen einer neueren Untersuchung nahmen nach einem Jahr nur noch 30,6 Prozent der Teilnehmer die einmal wöchentliche Dosis von 70 mg Alendronat ein. Bei RANKL («receptor Activator of NF-κB ligand») handelt es sich um ein Zytokin, das bei der Differenzierung, der Aktivierung sowie im Hinblick auf die Lebensdauer von Osteoklasten eine zentrale Rolle spielt. Der RANKL-Inhibitor Denosumab (Prolia®, XGEVA®) ist ein humaner monoklonaler IgG2Antikörper, der durch die Hemmung des RANKL die Knochenresorption reduziert und gleichzeitig die mineralische Knochendichte erhöht. Mittlerweile ist gut dokumentiert, dass Denosumab (60 mg subkutan, alle 6 Monate) die Compliance verbessert, die Knochenremodellierung reduziert und die Knochendichte erhöht. In einer neuen Metaanalyse wurde bei postmenopausalen Frauen unter Denosumab eine signifikante Reduzierung der Frakturinzidenz um 42 Prozent im Vergleich zu Plazebo beobachtet. Da RANKL jedoch auch für das T-Zell-Wachstum und die Funktion dendritischer Zellen von Bedeutung ist, liegt die Vermutung nahe, dass die Hemmung der RANKLAktivität gleichzeitig das Immunsystem beeinflussen und zu einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen und Neoplasien führen könnte.
Metaanalyse In einer Metaanalyse untersuchten chinesische Wissenschaftler kürzlich in
einem direkten Vergleich das Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil von Denosumab (60 mg subkutan, alle 6 Monate) und Alendronat (70 mg oral, einmal wöchentlich) bei postmenopausalen Frauen mit niedriger mineralischer Knochendichte. Primäre Outcomes zur Evaluierung der Wirksamkeit waren die Inzidenz klinischer Frakturen und die Knochendichte an verschiedenen Lokalisationen des Skeletts (distaler Radius, Gesamthüfte, Lendenwirbelsäule und Oberschenkelhals). Als sekundäre Endpunkte zur Sicherheit beider Substanzen wurden unerwünschte Wirkungen einschliesslich der Inzidenz von Neoplasien und Infektionen definiert.
Ergebnisse Für ihre Untersuchung wählten die Autoren vier heterogene randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 1942 Teilnehmerinnen aus. Bei allen Studien handelte es sich um doppelblinde, plazebokontrollierte, internationale multizentrische Studien; zwei der vier Studien waren Phase-II- und eine von ihnen eine Phase-III-Studie. In die Studien wurden ausschliesslich postmenopausale Frauen im Alter zwischen 60,3 und 68,2 Jahren mit niedriger Knochendichte (T-Scores von -1,4 bis -2,6) eingeschlossen. Der Untersuchungszeitraum betrug in allen vier Untersuchungen ein Jahr. Im Hinblick auf das Frakturrisiko stellten die Autoren nach dem untersuchten Zeitintervall von einem Jahr keine signifikanten Unterschiede zwischen Denosumab und Alendronat hinsichtlich der Wirksamkeit fest (3 Studien, OR 95%-KI: 1,42 [0,84–2,40]), es gab klinische Frakturen bei 11 pro 1000 Frauen mehr unter Denosumab (von 4 weniger bis 36 mehr [p = 0,19]). Die Heterogenität der Studien war nicht signifikant. Eine Sensitivitätsanalyse ergab, dass dieser Gesamteffekt auch durch den selektiven Ausschluss einzelner Studien nicht beeinflusst wurde. Sowohl unter Denosumab als auch unter Alendronat hatte sich nach 6 und 12 Monaten die Knochendichte am distalen Radius, an der Gesamthüfte, an der Lendenwirbelsäule und am Oberschenkelhals signifikant im Vergleich zur Baseline erhöht. Unter Denosumab wurde ein ausgeprägterer Zuwachs an Knochenmasse festgestellt als unter
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Alendronat. Hier war die Heterogenität der Studien signifikant (p < 0,01). Die Sensitivitätsanalyse zeigte dennoch, dass der Gesamteffekt durch den Ausschluss einzelner Studien nicht beeinflusst werden konnte. Das Sicherheitsprofil beider Therapieregime war auch im Hinblick auf Neoplasien und Infektionen vergleichbar. Bezüglich der Sicherheit wurde das Ergebnis in der Sensitivitätsanalyse durch den Ausschluss einzelner Studien ebenfalls nicht beeinflusst. Mit dem Denosumabregime konnte im Vergleich zu Alendronat das Risiko für unerwünschte Ereignisse nicht verringert werden. Allerdings wurde unter Denosumab auch für Neoplasien und Infektionen kein höheres Risiko beobachtet als unter Alendronat. Diskussion Als wichtigstes Ergebnis ihrer Metaanalyse erachten die Autoren, dass mit Denosumab innerhalb eines Jahres zwar die Knochendichte wirksamer verbessert werden konnte als mit Alendronat, das Frakturrisiko dadurch jedoch nicht weiter gesenkt werden konnte. Die Autoren sind der Ansicht, dass die Ergebnisse ihres Reviews durch das strikte Befolgen des Cochrane Handbook for Systematic Reviews of Interventions 5.0.2 untermauert werden. Sie machen jedoch darauf aufmerksam, dass die ausgewählten Studien Limitationen aufweisen. Zum einen führten Studienabbrüche zu unvollständigen Daten, wobei sich die Abbruchraten aber in einem akzeptablen Bereich bewegten. Zum anderen betrug die Studiendauer nur ein Jahr, und es konnten lediglich vier Studien in die Metaanalyse eingeschlossen werden, sodass potenzielle Unterschiede zwischen beiden Medikamenten möglicherweise nicht in ausreichendem Masse ermittelt werden konnten. Da alle Studien von Pharmaunternehmen im Zusammenhang mit Denosumab gesponsert wurden und daher eine Publikationsverzerrung vorliegen könnte, sollten die Ergebnisse vorsichtig interpretiert werden, schreiben die Wissenschaftler. Die bessere Wirksamkeit von Denosumab im Hinblick auf die Knochendichte könnte durch die unterschiedlichen Wirkmechanismen beider Medikamente erklärt werden. Auf zellulärer Ebene verhindert Denosumab die Reifung der Osteoklasten und hemmt gleichzeitig die Synthese, die Aktivität und das Überleben reifer Osteoklasten. Auf geweblicher Ebene verhindert Denosumab die Bildung neuer Resorptionshöhlen und die Osteolyse in bereits vorhandenen Resorptionshöhlen. Dieser hypothetische Mechanismus wird durch den Befund bestätigt, dass Knochenbiopsien von Frauen nach einer Umstellung auf Denosumab eine weniger erodierte Oberfläche aufwiesen als jene von Frauen, die mit Alendronat weiterbehandelt worden waren. Es wird vermutet, dass Denosumab als zirkulierender Antikörper rasch an RANKL bindet und so gleichmässig das ganze Skelett inklusive des kortikalen Knochens erreicht. Die antiresorptive Wirkung von Alendronat erfolgt in mehreren Stufen. Zunächst gelangt die Substanz ins Blut und bindet an den Knochen. Hier wird Alendronat von den Osteoklasten aufgenommen, unterbricht die Knochenresorption und führt zur Osteoklastenapoptose. Dieser Effekt stellt sich möglicherweise nicht so rasch ein, da vorhandene Osteoklasten noch persistieren und den Knochen weiter resorbieren. Zudem könnte die starke Affinität von Alendronat zu Hydroxyapatit und Knochenmineral die gleichmässige Verteilung über das Skelett einschränken, vor allem tief im Knocheninneren. Als wichtigsten Studienendpunkt betrachten die Autoren die Inzidenz der Frakturen, die in drei Studien als unerwünschte Ereignisse dokumentiert wurden. Aufgrund der signifikant ausgeprägteren Qualitätsverbesserung des Knochens am distalen Radius unter Denosumab im Vergleich zu Alendronat wurde erwartet, dass auch der Widerstand gegenüber einer Biegung/einem Bruch des Knochens zunehmen würde und so nichtvertebrale Frakturen aufgrund kortikaler Strukturzerstörungen besser verhindert werden könnten. In zwei älteren Metaanalysen wurde jedoch eine ähnliche Reduzierung des Frakturrisikos unter Denosumab (42%) und unter Alendronat (45%) im Vergleich zu Plazebo beobachtet. Auch in ihrer eigenen Metaanalyse stellten die Autoren keinen statistisch signifikanten Unterschied der Frakturraten beider Behandlungsgrup- pen fest. Nach Ansicht der Wissenschaftler ist dieser geringe Unterschied möglicherweise auf die kurze Studiendauer von einem Jahr zurückzuführen, sodass längere Zeiträume erforderlich sein könnten, um fundiertere Schlussfolgerungen zu ziehen. Da auch das Sicherheitsprofil von Denosumab in diesem Studienzeitraum nicht vollständig abgeklärt werden konnte, ist dieser Wirkstoff zum gegenwärtigen Zeitpunkt nach Meinung der Autoren bei postmenopausalen Frauen noch kein vollständiger Ersatz für Alendronat. ❖ Petra Stölting Quelle: Lin T et al.: Comparison of clinical efficacy and safety between denosumab and alendronate in postmenopausal women with osteoporosis: a meta-analysis, Int J Clin Pract 2012; 66 (4): 399–408. Interessenkonflikte: Alle Autoren erklären, dass keine Interessenskonflikte vorliegen. ARS MEDICI 16 ■ 2012 849