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FORTBILDUNG
Körperliche Aktivität und Vitamin D schützen vor Stürzen
Körperliche Aktivität und Vitamin D können das Sturzrisiko älterer Menschen senken. Die US Preventive Services Task Force (USPSTF) hat nun entsprechende Empfehlungen für die Praxis publiziert.
ANNALS OF INTERNAL MEDICINE
Die neuen Empfehlungen der USPSTF zur Sturzprävention gelten für selbständig lebende Personen ab einem Alter von 65 Jahren. Für die Beurteilung des individuellen Sturzrisikos besonders aussagekräftig sind drei Faktoren: ❖ Stürze in der Vorgeschichte, ❖ bestimmte (psychotrope) Medikamente, ❖ Gang- und Balanceprobleme. Um Gangsicherheit und Balance zu messen, gibt es viele verschiedene Fragebögen, Skalen und Algorithmen. Für die Praxis brauchbar ist insbesondere der «Get-up-and-Go»Test: Die Person muss von einem Stuhl aufstehen, 3 Meter weit gehen, umdrehen, zurückgehen und sich wieder hinsetzen. Normalerweise dauert das weniger als 10 Sekunden. Um das Sturzrisiko im Alter zu vermindern, empfiehlt die USPSTF körperliche Aktivität (oder Physiotherapie) und/ oder Vitamin D. Andere Interventionen wie beispielsweise Visuskorrekturen, das Absetzen bestimmter Medikamente oder eine Beratung zum Entfernen häuslicher Stolperfallen und so weiter könnten im Einzelfall zwar auch sinnvoll sein, ihre tatsächliche Effizienz zur Prävention von Stürzen im Alter sei jedoch noch nicht hinreichend belegt, so die Autoren der Empfehlungen.
Sturzprävention mit Vitamin D Die USPSTF empfiehlt 600 IU pro Tag für Personen bis 70 Jahre sowie 800 IU für die über 70-Jährigen. Die American Geriatric Society (AGS) empfiehlt 800 IU für alle Personen mit erhöhtem Sturzrisiko. Für die Beurteilung des Vitamin-D-Effekts in der Sturzprävention zogen die USPSTF-Autoren neun Studien heran,
Merksätze
darunter drei Studien, welche in einem Cochrane-Review von 2009 nicht berücksichtig worden waren; damals wurde dem Vitamin D noch keine präventive Wirkung bezüglich Stürzen bescheinigt. Das hat sich mittlerweile geändert. Die USPSTF kommt zu dem Schluss, dass Vitamin D das Sturzrisiko mindern kann, und zwar um 17 Prozent innert 6 bis 36 Monaten. Statistisch betrachtet muss man zehn Personen supplementieren, damit eine profitiert (number needed to treat [NNT]). Auf welchem physiologischem Weg Vitamin D das Sturzrisiko vermindert, ist unklar. Man spekuliert, dass seine direkte Wirkung auf die Skelettmuskulatur eine Rolle spielen könnte. Wie auf einer Reihe anderer Gewebe finden sich auch dort Vitamin-D-Rezeptoren.
Risikominderung durch Sport Auf der Basis von 18 Studien zu körperlicher Betätigung und/oder Physiotherapie und Sturzrisiko bei älteren Personen errechnet die USPSTF eine Risikominderung um 13 Prozent. Statistisch betrachtet müssen 16 Personen mindestens zwölf Wochen lang trainieren, damit eine profitiert. Welches Training sinnvoll ist, wird von der USPSTF nicht spezifiziert, möglicherweise weil dies wiederum eine Frage der individuellen Möglichkeiten ist. In den genannten Studien reichte die Bandbreite von Gang-, Balance- und funktionellem Training (inkl. Tai Chi) über Krafttraining bis hin zu allgemeinen, gemischten sportlichen Aktivitäten; auch die Intensität war mit 2 bis 80 Stunden sehr unterschiedlich.
Praxisempfehlung der American Geriatric Society
Während sich die USPSTF nicht darauf festlegen mochte,
welche der zahlreichen weiteren Optionen zur Sturzpräven-
tion sinnvoll sein könnten, sind die Empfehlungen der Ame-
rican Geriatric Society für die Praxis sicher eine Hilfe:
❖ Anpassungen im häuslichen Umfeld (Beseitigen von Stol-
perfallen etc.)
❖ Medikamente, die mit einem erhöhten Sturzrisiko einher-
gehen, absetzen oder möglichst niedrig dosieren
❖ Management einer orthostatischen Hypotonie
❖ Fussprobleme und Schuhwerk bedenken
❖ Bewegung fördern: Kraft-, Gang- und Balancetraining
❖ 800 IU Vitamin D pro Tag bei Vitamin-D-Mangel oder er-
höhtem Sturzrisiko
❖
❖ Vitamin-D-Supplementation kann das Sturzrisiko bei über 65-Jährigen um 17 Prozent vermindern.
❖ Körperliche Aktivität hat einen ähnlichen Nutzen und senkt das Risiko um 13 Prozent.
Renate Bonifer
Quelle: Moyer VA et al.: Prevention of falls in community-dwelling older adults: U.S. Preventive Services Task Force recommendation statement. Ann Int Med 2012; 157(3); online 29 may 2012.
Interessenlage: Die Empfehlungen wurden von der USPSTF erarbeitet, einer Organisation, die von der US-Behörde für Forschung und Qualität im Gesundheitswesen finanziert wird.
ARS MEDICI 15 ■ 2012
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