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Xundheit in Bärn
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XUNDHEIT IN BÄRN

POLITFORUM

Genehmigungsverfahren zur Freigabe von Psychopharmaka

INTERPELLATION vom 16.3.2012
Erich von Siebenthal Nationalrat SVP Kanton Bern

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist auch für die Versorgung der Öffentlichkeit mit sicheren Medikamenten zuständig. 1. Warum ist ein Medikament wie Zyprexa
(Hersteller Eli Lilly), bei welchem seit mehreren Jahren bekannt ist, dass die Verabreichung mit massiven Nebenwirkungen verbunden ist, zu zahlreichen Todesfällen geführt hat und in den USA seit 2007 verboten ist, in der Schweiz vom BAG immer noch zugelassen?

2. Nach welchen Kriterien wird ein Psychopharmakon in der Schweiz für den Handel freigegeben?
3. Wenn bekannt wird, dass die Studien oder Kriterien, die als Voraussetzung für die Freigabe dienten, sich als inkorrekt oder verfälscht herausstellten, wie lange dauert es, bis so ein Mittel wieder vom Markt genommen wird?

Aus der Antwort des Bundesrats vom 16.5.2012

Die Zulassung und Marktüberwachung von Arzneimitteln liegt im Kompetenzbereich von Swissmedic (Schweizerisches Heilmittelinstitut); das BAG entscheidet über die Kassenzulässigkeit der zugelassenen Produkte. 1. In der Schweiz wurde das erste Präparat mit dem Wirkstoff Olanzapin unter dem Namen Zyprexa 1997 registriert. Zwischen November 2009 und März 2012 wurden zudem Generika von 9 verschiedenen Zulassunginhaberinnen mit demselben Wirkstoff zugelassen. Gemäss den Abklärungen von Swissmedic sind Präparate mit Olanzapin auch in den USA weiterhin zugelassen. Olanzapin ist zugelassen zur Behandlung der Schizophrenie sowie weiterer psychiatrischer Erkrankungen. Die Substanz gehört zur neueren Gruppe der «atypischen Neuroleptika», die im Gegensatz zu älteren Präparaten in geringerem Masse zu Störungen im Bewegungsablauf führen. Nach der Zulassung dieses breit eingesetzten Arzneimittels wurden international andere, neue Risiken erkannt und mehrmals wichtige neue Hinweise zu Vorsichtsmassnahmen und unerwünschten Wirkungen in die Arzneimittelinformation aufgenommen. Dazu gehören Diabetes (2001); Herz-Kreislauf-Probleme und Mortalität bei Demenz (2004); eine gruppenweise Revision aller atypischen Neuroleptika, namentlich für die vorangehend erwähnten unerwünschten Wirkungen (2009). 2004 richtete die Zulassungsinhaberin zudem in Absprache mit Swissmedic ein Rundschreiben an die Fachleute und empfahl, das Arzneimittel bei älteren Patienten mit Demenz aufgrund der Risiken in dieser Patientengruppe nicht anzuwenden. Wird das Medikament gemäss der zugelassenen Arzneimittelinformation und auch gemäss aktuell geltender klinischer Leitlinien eingesetzt, hat es nach wie vor ein günstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis. Natürlich gehören dazu unter anderem auch immer eine sorgfältige diagnostische Abklärung sowie therapeutische Begleitung und medizinische Über-

wachung des jeweiligen Patienten. Für einen Entzug der Zulassung sieht Swissmedic, wie auch die regulatorischen Behörden, wie beispielsweise die europäische Arzneimittelbehörde EMA oder die US-amerikanische FDA, zurzeit keinen Anlass. 2. Wenn die eingereichten Unterlagen die Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität eines Arzneimittels hinreichend belegen, wird eine Zulassung erteilt. Der Beleg eines günstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses muss dabei durch klinische Studien erbracht werden, welche nach international geltenden Standards durchgeführt wurden. Neben dem Vergleich zu Plazebo spielt dabei auch der Vergleich zu anderen bereits zugelassenen Substanzen aus der gleichen Substanzklasse eine wichtige Rolle. Im Zentrum des Zulassungsentscheids steht dabei immer die entscheidende medizinisch-klinische Frage nach dem Nutzen-Risiko-Verhältnis des Arzneimittels im beantragten Anwendungsbereich. Um dies zu beantworten, werden sämtliche von der Gesuchstellerin vorgelegten Unterlagen zu Laborund experimentellen Untersuchungen sowie die Daten aus Studien am Menschen sorgfältig geprüft. Fachleute beurteilen, ob alle notwendigen Untersuchungen aus medizinisch-wissenschaftlicher Sicht in der richtigen Weise und über einen ausreichend langen Zeitraum durchgeführt wurden. Sie beurteilen weiter, ob die Daten übertragbar sind auf die Patienten, die später in der Schweiz das Arzneimittel erhalten sollen. Auch wenn sich der beschriebene Zulassungsprozess bei Psychopharmaka nicht grundsätzlich von dem anderer Substanzen unterscheidet, so gibt es Besonderheiten, die sich zum Beispiel durch die Art der Erfassung der psychischen Symptome beziehungsweise die psychologischen Testverfahren oder durch Grundrisiken der psychischen Erkrankungen ergeben. So wird vor der Zulassung zum Beispiel geprüft, ob in den klinischen Studien mit Psychopharmaka die in spezifischen regulatorischen und/oder klinischen Richtlinien angegebenen Kriterien ausrei-

chend beachtet wurden: Es wird evaluiert, ob die Diagnosestellung in den Studien und die Art der psychometrischen Messungen gemäss aktuellem Stand der Wissenschaft erfolgt sind. Es ist auch besonders wichtig, ob überhaupt geeignete Fragebögen in den Studien eingesetzt wurden. Besonderen Risiken, wie zum Beispiel der Auslösung oder Verstärkung von Suizidalität durch neue Substanzen, wird ebenfalls eine angemessene Beachtung geschenkt. 3. Wenn Studien oder Kriterien, die als Voraussetzung für die Zulassung eines Medikaments dienten, sich als inkorrekt oder verfälscht herausstellen, kann das Institut innert Stunden bis Tagen eingreifen und einen Marktrückzug verfügen. Für die Situation, wo nach der Zulassung neue Risiken festgestellt werden, gelten die Massnahmen der Marktüberwachung. Bereits vor der Zulassung eines Medikaments mit einem neuen Wirkstoff muss die Zulassungsinhaberin Swissmedic einen «Pharmacovigilance-Plan» einreichen, in welchem sie die Risiken beschreibt sowie konkrete Massnahmen, um sie zu überwachen und ihnen vorzubeugen. Über die Resultate muss sie die Behörden nach der Zulassung international auf dem Laufenden halten. Werden in diesem Rahmen oder zum Beispiel durch die laufende Erfassung der Meldungen vermuteter unerwünschter Wirkungen neue schwerwiegende Risiken erkannt, so trifft Swissmedic umgehend die erforderlichen Massnahmen – von der Anpassung der Arzneimittelinformation bis zur Marktrücknahme. Je nach Gefährdungspotenzial können solche Massnahmen innert Tagen umgesetzt werden. In den letzten Monaten sind bei Swissmedic keine Informationen über Risiken in Verbindung mit dem Wirkstoff Olanzapin eingegangen, welche neue Sicherheitsmassnahmen erfordern.
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt.

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XUNDHEIT IN BÄRN © Gerd Altmann/pixelio

POLITFORUM

Töten Atomkraftwerke Embryos?

INTERPELLATION vom 14.3.2012
Hans-Jürg Fehr Nationalrat SP Kanton Schaffhausen
Ich frage den Bundesrat: Ist er bereit, eine Studie zum Thema «sex odds» im Kontext von ionisierender Strahlung in der Umgebung von schweizerischen Atomanlagen in Auftrag zu geben, nachdem die von ihm formulierten Bedingungen dafür erfüllt sind?

Begründung Eine im Herbst 2010 publizierte wissenschaftliche Arbeit von Kusmierz/Scherb wies eine hochsignifikante Veränderung des Geschlechtszahlenverhältnisses bei Lebendgeburten (sex odds) in der Umgebung von Atomanlagen nach. Die Studie belegt, dass im 35-Kilometer-Radius um Schweizer Atomanlagen herum 4,2 Promille der erwarteten Mädchengeburten fehlen, in der Umgebung von Beznau mit ihren zwei AKW, dem PSI und dem Zwila sogar 7,3 Promille. Der Bundesrat sagte in der Fragestunde vom 6. Dezember 2010, dass er sich erst vertieft mit diesen beunruhigenden Erkenntnissen befassen wolle, wenn die Studie Kusmierz/Scherb in einer anerkannten wissenschaftlichen Zeitschrift publiziert worden

sei und sich weitere Experten geäussert hätten. Das ist in der Zwischenzeit geschehen, die Studie wurde im «Environmental Science and Pollution Research» veröffentlicht. Ferner hat eine Studie des niedersächsischen Landesgesundheitsamtes die Ergebnisse von Kusmierz/Scherb zu Sex-Odds-Veränderungen in der Umgebung des nuklearen Transportbehälters Gorleben vollumfänglich bestätigt.

Die Antwort des Bundesrates vom 16.5.2012

Das Bundesamt für Gesundheit ist über die Publikation der Studie von Kusmierz/Scherb informiert. Diese Studie befasst sich mit dem Verhältnis zwischen der Anzahl lebendgeborener Jungen und Mädchen (sex odd) seit den 1950er-Jahren bis zu Beginn der 2000er-Jahre. Die Autoren versuchen, einen Zusammenhang zwischen beobachteten zeitlichen Veränderungen und einer Exposition mit ionisierender Strahlung festzustellen. In einer detaillierten Analyse der Studie (Oktober 2011) kommt die Eidgenössische Kommission für Strahlenschutz und Überwachung der Radioaktivität (KSR) zum Schluss, dass die beobachteten Veränderungen durch die natürlichen Schwankungen aufgehoben werden oder dass wichtige Störfaktoren im Zusammenhang mit dem Geburtsgeschlecht nicht berücksichtigt wurden. In ihrer Stellungnahme weist die KSR zudem auf schwerwiegende methodologische Mängel hin, was die Glaubwürdigkeit der Studie deutlich verringert. Die Schlussfolgerungen der Studie sind daher nicht überzeugend und liefern keine zwingenden

Argumente dafür, dass die von internationalen Organisationen wie der Internationalen Strahlenschutzkommission (ICRP) oder dem Wissenschaftlichen Ausschuss der Vereinten Nationen zur Untersuchung der Auswirkungen der atomaren Strahlung (Unscear) publizierten Einschätzungen des Risikos angezweifelt werden müssten. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass das Geschlechterverhältnis kein geeigneter Indikator ist, um eine bedeutende statistische Erhöhung des strahlenbedingten Risikos nachzuweisen. Er ist der Meinung, dass die Studie von Unscear über die Auswirkungen der Dosen infolge des Unfalls in Fukushima und die Interdisziplinäre Europäische Initiative zur Erforschung der Wirkung niedriger Strahlendosen Melodi (Multidisciplinary European Low Dose Initiative) zweifelsohne mehr Antworten liefern dürften als die Finanzierung einer weiteren Studie über das Geschlechterverhältnis. Für die Studie von Unscear werden 2013 an der Generalversammlung der Mitgliedstaaten 60 internationale Expertinnen und Experten einen Schlussbericht über die Expo-

sitionsdosen und die gesundheitlichen Auswirkungen im Zusammenhang mit dem Unfall von Fukushima vorlegen. Die wichtigsten wissenschaftlichen Themen, mit denen sich Melodi befasst, sind die Dosis-Wirkungs-Beziehung für Krebs, die individuelle Radiosensibilität und die Inzidenz von anderen Auswirkungen als Krebs bei niedrigen Strahlendosen. Diese dauerhafte europäische Plattform, an der auch die Schweiz teilnimmt, beinhaltet sowohl die Epidemiologie als auch die Radiobiologie. Diese Kombination ist für ein konsolidiertes Verständnis der Auswirkungen von niedrigen Strahlendosen und eine solide Einschätzung der Resultate von zahlreichen veröffentlichten Studien entscheidend.
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt.

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