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STUDIE REFERIERT
Biologika haben zunächst die Nase vorn
Add-on-Therapie bei methotrexatrefraktärer rheumatoider Arthritis
rellen Gelenkschäden aufgehalten werden. Auch hier war nach dem ersten Jahr noch keine ausreichende Beurteilung der Wirksamkeitsunterschiede möglich. Aufgrund dieser beiden Aspekte wurde der Studienzeitraum um ein weiteres Jahr verlängert. In der vorliegenden Publikation werden jetzt die Ergebnisse der Swefot-Studie nach 24 Monaten präsentiert.
Bei methotrexatrefraktären Patienten ist die Zugabe von TNF-Antagonisten nach einem Jahr mit besseren klinischen Resultaten verbunden als die Ergänzung der Therapie mit konventionellen DMARD. Nach zwei Jahren Methotrexat/Add-onTherapie sind die klinischen Ergebnisse unter beiden Optionen vergleichbar.
LANCET
Neue Behandlungsoptionen und eine Fokussierung auf die bestmögliche Krankheitskontrolle haben zu beträchtlichen Veränderungen im Management der neu diagnostizierten rheumatoiden Arthritis geführt. Aus randomisierten Studien geht hervor, dass die Zugabe von TNF (Tumornekrosefaktor alpha-)Antagonisten zur Standardsubstanz Methotrexat (MTX) häufig zu besseren Ergebnissen führt als die MTX-Monotherapie. Aus diesen Studien wird allerdings auch deutlich, dass bei einem beträchtlichen Patientenanteil von 20 bis 40 Prozent
Merksätze
❖ Viele Rheumapatienten sprechen gut auf eine Methotrexatmonotherapie an.
❖ Bei methotrexatrefraktären Patienten ist die Zugabe von TNF-Antagonisten nach einem Jahr mit besseren klinischen Resultaten verbunden als die Zugabe von DMARD.
❖ Nach zwei Jahren sind die klinischen Ergebnisse unter beiden Add-on-Therapien vergleichbar.
bereits mit MTX allein ein ausgezeichnetes klinisches Ansprechen erzielt wird. Da nur begrenzt vorhersehbar ist, welche Patienten gut auf die Monotherapie ansprechen, bleibt dem Arzt hauptsächlich die Option, zunächst mit MTX zu beginnen und Patienten mit unzureichenden Ergebnissen nach einer gewissen Zeit auf eine intensivere Behandlung umzustellen. Im Hinblick auf letztere Patientengruppe stellt sich dann die Frage, ob die Zugabe von TNF-Antagonisten auch zu besseren klinischen und radiologischen Ergebnissen führt als die Zugabe konventioneller DMARD («disease-modifying anthirheumatic drugs») wie Sulfasalazin/Hydroxychloroquin oder Cyclosporin A, mit denen ein gut validierter Nutzen im Vergleich zur MTX-Monotherapie erzielt wird. In der multizentrischen Studie Swefot (Swedish Farmakotherapy) verglichen schwedische Wissenschaftler bei MTXrefraktären Patienten nun die Wirksamkeit von TNF-Antagonisten und Sulfasalazin/Hydroxychloroquin als Add-on-Therapie. Eine erste Auswertung nach zwölf Monaten ergab, dass die Zugabe eines TNF-Antagonisten in diesem Zeitraum zu einem besseren klinischen Ansprechen geführt hatte als ein Add-on mit konventionellen DMARD. Die Wissenschaftler kamen jedoch zu dem Schluss, dass nach diesem ersten Studienjahr noch zwei wesentliche therapeutische Fragestellungen offenblieben. Zum einen erfolgt das klinische Ansprechen auf DMARD langsam, sodass deren Wirksamkeit nach einem Follow-up von mehr als einem Jahr ähnlich ausgeprägt sein könnte wie die der Biologika. Zum anderen soll mit der Behandlung nicht nur die klinische Krankheitsaktivität kontrolliert, sondern auch die Progression der struktu-
Methoden Für die randomisierte, unverblindete Parallelgruppenstudie Swefot wurden im Zeitraum von Dezember 2002 bis Dezember 2006 Patienten ab 18 Jahren mit rheumatoider Arthritis und einer Symptomdauer von weniger als einem Jahr aus 15 schwedischen Rheumazentren rekrutiert. Alle Teilnehmer erhielten zunächst MTX (Methotrexat Pfizer® und Generika). Nach drei bis vier Monaten wurden Patienten, die auf die Monotherapie nicht ansprachen, randomisiert entweder der Gruppe A oder der Gruppe B zugeordnet. Gruppe A: Hier erhielten die Patienten eine konventionelle Zusatzbehandlung mit einer Kombination aus Sulfasalazin (Salazopyrin®, 1000 mg 2-mal täglich) und Hydroxychloroquin (Plaquenil® und Generikum, 400 mg 1-mal täglich). Gruppe B: In dieser Gruppe wurden die Teilnehmer zusätzlich intravenös mit Infliximab (Remicade®, 3 mg/kg Körpergewicht in den Wochen 0, 2, 6, danach alle 8 Wochen) behandelt. Die klinischen Ergebnisse wurden anhand der Kriterien des American College of Rheumatology (ACR) und der European League Against Rheumatism (EULAR) nach 18 und 24 Monaten untersucht. Die Röntgenaufnahmen der Hände und Füsse wurden nach 12 und 24 Monaten mit modifizierten Sharp/ van-der-Heijde-Scores evaluiert. Primärer Studienendpunkt war der Vergleich der Anzahl der Patienten aus Gruppe A und B, die nach 12 Monaten ein gutes klinisches Ansprechen nach den Kriterien der EULAR erreicht hatten. Ein gutes Ansprechen wird hier als Reduzierung des Scores DAS28 («disease-activity score based on 28 joint count») im Vergleich zum Zeitpunkt der Randomisierung (nicht zu Baseline) um mindestens 1,2 und als Gesamtwert des DAS28 von 3,2 oder darunter definiert.
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Ergebnisse An der Studie nahmen zunächst 487 Patienten teil, von denen 258 randomisiert der Gruppe A (n = 130) oder der Gruppe B (n = 128) zugeordnet wurden. Nach 18 Monaten war der Anteil der Patienten, der nach den EULARKriterien ein gutes Ansprechen erzielte, in Gruppe B nicht signifikant höher als in Gruppe A (B: 38% vs. A: 29%). Ähnliche Resultate wurden nach 24 Monaten im Hinblick auf das klinische Ansprechen (B: 38% vs. A: 31%) beobachtet. Die radiologische Progression war nach 24 Monaten in Gruppe A ausgeprägter als in Gruppe B (A: durchschnittlich 7,23 [SD 12,72] vs. B: durchschnittlich 4,00 [SD 10,0]; p = 0,009). Im Studienverlauf kam es zu 3 schweren unerwünschten Ereignissen. Dabei handelte es sich um eine schwere Allgemeinerkrankung in Gruppe A sowie um eine schwere febrile Episode und eine schwere Allgemeinerkrankung in Gruppe B.
Interpretation Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass eine Ergänzung mit Biologika eine Behandlungsoption für Patienten darstellen kann, die auf MTX allein nicht ausreichend ansprechen. Allerdings müssen die besseren klinischen Ergebnisse nach 12 Monaten und die besseren radiologischen Befunde nach 24 Monaten gegen vergleichbare klinische Ergebnisse nach 24 Monaten bei wesentlich höheren Kosten abgewogen werden. Aus diesen Ergebnissen folgern die Wissenschaftler, dass eine intensivierte Behandlung mit MTX/ DMARD für viele MTX-refraktäre Patienten eine sinnvolle Option darstellt.
Diskussion der Ergebnisse Die Autoren sind der Ansicht, dass ihre Entscheidung, Patienten erst nach einem Fehlschlag der Monotherapie intensiver zu behandeln, der gängigen Praxis der Rheumabehandlung entspricht. Die meisten Rheumapatienten benötigen zwar eine intensivere Behandlung, allerdings würden einige bei einem nichtselektiven sofortigen Beginn mit der Kombinationstherapie überbehandelt (hier etwa 30%) und wären zudem einem erhöhten Risiko für Nebenwirkungen ausgesetzt. Bei Patienten, die eine intensivere Behandlung benötigen, könnte die ver-
lorene Zeit durch den verzögerten Beginn wiederum potenziell eine grössere Gefährdung darstellen als die Überbehandlung einzelner Betroffener. Die Ergebnisse eines gross angelegten Reviews zeigen jedoch, dass der Nutzen einer sofortigen intensiven Behandlung im Vergleich zum Benefit bei einem etwas verzögerten Start der Kombinationsbehandlung (wie bei Swefot) nur minimal ausfällt. Bei manchen Patienten konnte mit MTX keinerlei Ansprechen erzielt werden. Hier war bereits vor dem Zeitpunkt der Randomisierung eine intensivere Therapie erforderlich, sodass diese Patienten nicht in die randomisierte Studie eingeschlossen werden konnten. Ein neuerer Review legt nahe, dass dieser Patiententyp mit frühzeitig aktiver Erkrankung und rascher Progression auf TNF-Antagonisten möglicherweise besser anspricht als Patienten mit moderaterem Krankheitsverlauf. Die ersten klinischen Ergebnisse der Swefot-Studie nach 12 Monaten wiesen darauf hin, dass bei MTX-refraktären Patienten mit einer Zugabe von Infliximab bessere klinische Ergebnisse erzielt werden als mit der Ergänzung durch Sulfasalazin/Hydroxychloroquin. Allerdings wurde bei etwa einem Viertel der Patienten auch mit den beiden konventionellen DMARD im Zeitraum der ersten zwölf Monate eine gute Wirksamkeit erreicht. Zudem verringerten sich die Unterschiede der klinischen Ergebnisse beider Gruppen im zweiten Studienjahr. Bei den mit TNF-Antagonisten behandelten Patienten könnte ein Verlust der Wirksamkeit zu einer Reduzierung dieser Unterschiede beigetragen haben, sodass ein Wechsel zu anderen TNF-Antagonisten möglicherweise zu anderen Ergebnissen geführt hätte. Die Progression der irreversiblen strukturellen Schädigung der Knorpel und der Knochen, die im Röntgenbild sichtbar wird, stellt eine bedeutende Dimension der rheumatoiden Arthritis dar. Die Ergebnisse der Swefot-Studie zeigen, dass die Zugabe von TNF-Antagonisten nach zwei Jahren mit besseren radiologischen Ergebnissen verbunden war als die Zugabe der konventionellen DMARD, wobei der Unterschied in der primären Analyse der Intent-to-TreatPopulation (in der alle randomisierten
Patienten berücksichtigt wurden) eine statistische Signifikanz erreichte. Die Autoren beobachteten in beiden Gruppen und in beiden Untersuchungsjahren eine radiologische Progression. Dies zeigt, dass diese Progression mit keiner der beiden Behandlungsoptionen vollständig unterbunden werden konnte. Allerdings sollte bedacht werden, dass ein Grossteil dieser Schädigungen zum einen bereits während der ersten drei Monate der unzureichend wirksamen MTX-Monotherapie entstanden sein könnte. Zum anderen könnte eine zusätzliche Schädigung während der Latenzphase bis zur vollen Wirksamkeit der jeweiligen Add-on-Medikamente eingetreten sein. Diese Hypothese wird durch die Tatsache gestützt, dass die Progression im zweiten Studienjahr in beiden Gruppen geringer ausfiel als im ersten Jahr. Auch in einer sekundären Per-Protokoll-Analyse (in der nur Patienten berücksichtigt wurden, die auch tatsächlich die jeweilige Behandlung erhalten hatten) zeigte sich unter MTX/DMARD eine erhebliche radiologische Progression, während diese unter dem TNFAntagonisten nur geringfügig ausgeprägt war. Dieses Ergebnis stützt die Annahme, dass TNF-Antagonisten unabhängig von ihrer klinischen Wirksamkeit möglicherweise eine gelenkschützende Wirkung aufweisen. ❖
Petra Stölting
Quelle: Ronald F van Vollenhoven et al.: Conventional combination treatment versus biological treatment in methotrexat-refractory early rheumatoid arthritis: 2 year follow-up of the randomised, non blinded parallel-group Swefot-trial. Lancet 2012; 379: 1712–1720.
Interessenkonflikte: Einer der Autoren der Swefot Study Group hat Gelder von verschiedenen Pharmaunternehmen erhalten. Bei allen anderen liegen keine Interessenkonflikte vor.
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