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Xundheit in Bärn
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XUNDHEIT IN BÄRN

POLITFORUM

Sicherheit bei Medizinprodukten

MOTION vom 7.3.2012
Bea Heim Nationalrätin SP Kanton Solothurn
Die Regelungen im Heilmittelgesetz sind so anzupassen, dass deren Zweckbestimmung, den Einsatz von qualitativ hochstehenden, sicheren und wirksamen Heilmitteln sicherzustellen, auch für Medizinprodukte vollumfänglich gilt. Die heute geltende Bestimmung über das Selbstverantwortungsprinzip von Herstellern und Vertreibern ist zumindest für aktive Implantate und Implantate der hohen Risikoklassifizierung wie folgt zu ergänzen: Die Pro-

dukte sind vor der Kassenzulassung einer Prüfung zuzuführen und zu unterziehen, deren Prüfstandard schweizerischen Qualitätsanforderungen genügt.
Begründung Im Gegensatz zu den Heilmitteln werden Medizinprodukte in der Schweiz keiner Zulassungsprüfung unterzogen. Vielmehr gilt die europäische Regelung, wonach CE-gekennzeichnete Medizinprodukte auch in der Schweiz marktfähig sind. Für das CE-Siegel sind europäische Prüfstellen (sogenannte Notified Bodies) wie der TÜV zuständig. Laut seiner Aussage muss der TÜV für die Zulassung von zum Beispiel PIP-Implantaten keine Produkteüberprüfung im Labor durchführen, sondern nur die Produkteunterlagen des Herstellers kontrollieren. Selbst die OSEC hält in der Studie von Mirjam Walker fest. «Die CE-Kennzeichnung ist kein Qualitätssiegel.» Und der

«Spiegel» moniert: «Verglichen mit Medikamenten sind Medizinprodukte lasch reguliert, kaum besser kontrolliert als Spielzeuge». Das mag überspitzt sein, doch selbst in Anbieterkreisen weiss man um die sehr unterschiedlichen Qualitäten bestimmter Notified Bodies im europäischen Raum. Zudem zeigen die Schadensfälle bei Prothesen und die hohe Zahl an Rückrufen: Die Qualität von Medizinprodukten ist ein Thema, die Qualität der Prüfung muss verbessert werden. Das fordert das Kölner Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Was Deutschland verlangt, muss auch in der Schweiz möglich sein: Risikoklassierte Medizinprodukte sind vor der Kassenzulassung mit fundierten medizinischen Studien auf ihre Qualität zu prüfen. Allenfalls braucht es ähnlich wie bei den Arzneimitteln auch bei den Medizinalprodukten eine Prüfung durch das Heilmittelinstitut für die Kassenzulässigkeit. Was die EU-Verträge betrifft, so zielen diese auf die Marktfähigkeit ab, nicht aber auf die Zulassung als Leistung der OKP.

Und so nahm der Bundesrat am 16.5.2012 dazu Stellung

Gemäss dem geltenden Heilmittelrecht dürfen nur qualitativ hochstehende, sichere und wirksame Arzneimittel und Medizinprodukte in Verkehr gebracht werden. Die Prüfung von Medizinprodukten vor dem Marktzutritt erfolgt durch ein sogenanntes Konformitätsbewertungsverfahren. Abhängig vom Risikopotenzial des Produktes werden umfangreiche Materialtests, In-vitro-Tests und in jedem Fall auch eine klinische Bewertung durchgeführt. Solche Tests und ihre Überprüfung durch die Konformitätsbewertungsstellen sind oft sehr komplex und erfordern ein spezifisches Fachwissen. Dieses Wissen kann aufgrund der hohen Anzahl unterschiedlicher Produkte nur in einem stark international vernetzten Umfeld sichergestellt werden. Die Schweiz ist mittels Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (Mutual Recognition Agreement, MRA) in das europäische Marktzutritts- und Marktüberwachungssystem für Medizinprodukte eingebunden. Die heutige Medizinprodukteregulierung macht es möglich, in der Schweiz und der EU etwa 400 000 unterschiedliche Produkte mit unterschiedlichster Komplexität zu regeln und im medizinischen Alltag anzuwenden. Einzelne Vorkommnisse in der jüngeren Vergangenheit zeigen, dass die vorhandenen Vorschriften teilweise ungenügend befolgt oder durch kriminelle Machenschaften umgangen wurden. Zudem bestehen in den ver-

schiedenen Ländern Unterschiede im Vollzug der bestehenden Regulierungen. Dass Handlungsbedarf besteht, ist unbestritten. Aufgrund des europaweiten Binnenmarktes für Medizinprodukte ist aber ein konzertiertes Vorgehen notwendig. Daher sind europaweit Harmonisierungsbestrebungen angelaufen, in welche die Schweiz aktiv eingebunden ist. So soll der Vollzug der derzeit geltenden Vorschriften vereinheitlicht und besser durchgesetzt werden. Vorgesehen ist die Vereinheitlichung der Anforderungskriterien an die Konformitätsbewertungsstellen (Akkreditierung, Inspektionen usw.), die Ausweitung der Inspektionstätigkeit im Rahmen der Marktüberwachung sowie eine bessere Koordination mit den europäischen Staaten in Bezug auf Vorkommnismeldungen und Inspektionen mit länderübergreifenden Auswirkungen. Gleichzeitig wird Swissmedic die Zusammenarbeit mit der Ärzteschaft weiterhin pflegen und gezielt verstärken, um eine engere Überwachung der Produkte insbesondere durch vermehrte Meldungen von Vorkommnissen zu erreichen. Im Rahmen der laufenden Revision der Medizinprodukterichtlinien ist die EU daran, die Regulierung zu verschärfen und zu harmonisieren. Die Schweiz ist auch in diese Arbeiten durch den Einbezug von eigenen Experten eingebunden. Es ist geplant, dass die Schweiz diese Regelungen in nationales Recht überführen wird. Somit kann auch die im MRA festgestellte Gleichwertigkeit mit den einschlägigen EUBestimmungen beibehalten werden.

Eine zusätzliche Qualitätsprüfung im Hinblick auf die Vergütung durch die obligatorische Krankenversicherung, wie dies die Motion verlangt, würde neue parallele Prozesse und Strukturen nach sich ziehen und könnte zudem zu vermeidbaren Handelshemmnissen führen. Angesichts der Komplexität der Prüfung und der Vielzahl an Produkten wäre dies selbst mit einem sehr hohen Aufwand nur begrenzt möglich und könnte in jedem Fall nur einen Teil der Produkte erfassen: Die Qualität von Produkten wie Implantate mit einer kosmetischen Zweckbestimmung wie zum Beispiel Brustimplantate, farbige Augenlinsen und so weiter, welche nicht durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung vergütet werden, würde nicht verbessert. Der Bundesrat ist daher der Auffassung, dass nicht ein paralleles System aufgebaut, sondern in die Optimierung des bestehenden investiert werden soll. Um die Versorgung mit qualitativ hochstehenden Medizinprodukten auch in Zukunft sicherzustellen, erachtet er die laufenden intensiven Bemühungen für eine gezielte, europaweit geltende Verbesserung der Regulierung von Medizinprodukten zielführender als die Stossrichtung der Motion.
Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt.

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ARS MEDICI 13 ■ 2012

POLITFORUM

Caps-Syndrom kein Geburtsgebrechen?

ANFRAGE vom 15.3.2012
Stéphane Rossini Nationalrat SP Kanton Wallis

Das Bundesgericht hat am 10. Februar 2011 den Entscheid der IV bestätigt, dass Caps (Cryopyrin-assoziierte periodische Syndrome) nicht als Geburtsgebrechen gilt. Abgesehen von diesem konkreten Fall stellt sich allgemein die Frage, wie die IV Symptome beurteilt und entscheidet, wer Zugang zu medizinischen Massnahmen erhält. Darum stelle ich folgende Fragen: 1. Ist es zulässig, bei einer genetischen Er-
krankung mit komplexen Symptomen rein

juristisch zu argumentieren und damit Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zu medizinischen Massnahmen der IV, auf die bei anerkannten Geburtsgebrechen Anspruch besteht, zu verweigern und so den Behandlungs- und Unterstützungsbedarf durch die IV zu verneinen? Wird mit einem solchen Vorgehen dem Sinn des Gesetzes Rechnung getragen? 2. Gedenkt das Bundesamt für Sozialversicherungen, eine gründliche medizinische und rechtliche Analyse vorzunehmen, um beurteilen zu können, ob es stichhaltige Gründe gibt für eine Aufnahme von Caps in die Liste der Geburtsgebrechen?

Die Antwort des Bundesrates vom 16.5.2012

Beim Cryopyrin-assoziierten periodischen Syndrom (Caps) handelt es sich um eine sehr seltene, genetische Erkrankung. Sie kann sich in verschiedenen Krankheitsformen manifestieren. Leichtere Formen können als Kälteallergie mit Fieber und zahlreichen anderen Symptomen verlaufen. Schwere Erkrankungsformen treten schon im Säuglingsalter auf und können mit entzündlich bedingten Organerkrankungen (Leber, Milz, Niere, Innenohr, Auge) einhergehen. Die vielfältigen Symptome des Caps können nicht in ihrer Gesamtheit behandelt werden. Die medizinische Behandlung des Caps ist dementsprechend nicht kausal, sondern auf einzelne Symptome ausgerichtet. 1. Der Bundesrat bestimmt auf dem Verordnungs-
weg die Geburtsgebrechen, für welche die Invalidenversicherung (IV) medizinische Massnahmen gewährt. Versicherte haben bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf die zur Behandlung von Geburtsgebrechen notwendigen medizinischen Massnahmen. Für die Aufnahme von Geburtsgebrechen in den Anhang zur Verordnung über Geburtsgebrechen (Geburtsgebrechensliste) müssen entweder eine kausale Therapie oder nachgewiesenermassen wirksame und anerkannte Therapien zur Verhinderung von Komplikationen oder Verlangsamung des Fortschreitens einer Krankheit in ihrer Gesamtheit verfügbar sein. Die Zusprache von

medizinischen Massnahmen unterliegt in diesem Sinne also nicht formaljuristischen, sondern vorwiegend medizinischen Kriterien. Dies entspricht vollständig den gesetzlichen Grundlagen. Einzelne Gebrechen, die schon seit Geburt bestehen, wie das Caps oder die Trisomie 21, weisen vielfältige Symptome auf. Diese Symptome sind in ihrer Gesamtheit weder kausal behandelbar, noch können mittels der verfügbaren anerkannten medizinischen Massnahmen Komplikationen oder ein Fortschreiten aller Symptome mit einer anerkannten Therapie verhindert werden. Die IV kann bei diesen Fällen medizinische Massnahmen zur Behandlung nur für diejenigen Symptome erbringen, welche die Anspruchsvoraussetzungen für ein von der IV anerkanntes Geburtsgebrechen erfüllen. Alle Symptome beim Caps können aber gegebenenfalls Ansprüche auf andere Leistungen wie etwa berufliche Eingliederungsmassnahmen, Hilfsmittel oder Renten begründen. Die medizinische Behandlung von genetisch bedingten Krankheiten mit komplexen Symptomen, zu denen auch das Caps zählt, wird in Abhängigkeit vom jeweiligen Einzelfall über verschiedene Träger finanziert. Für die Heilbehandlung ist, mit Ausnahme der von der IV anerkannten Geburtsgebrechen gemäss Artikel 13

des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung, die Krankenversicherung zuständig. Die aktuelle Aufteilung der Kompetenzen zwischen IV und Krankenversicherung entspricht den medizinischen Bedürfnissen der versicherten Personen. 2. Zum jetzigen Zeitpunkt besteht noch keine wissenschaftlich anerkannte medizinische Behandlung des Caps in seiner Gesamtheit. Mit dem Arzneimittel Ilaris wurde von Swissmedic zwar eine Therapiemöglichkeit zugelassen, die eine Verbesserung einzelner Symptome und Laborparameter des Caps bewirkt. Das Arzneimittel ist seit dem 1. April 2010 auch auf der Spezialitätenliste aufgeführt und wird bei Vorliegen einer Kostengutsprache des Krankenversicherers aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung vergütet. Da dies jedoch noch keine medizinische Behandlung des Caps in seiner Gesamtheit darstellt, ist eine Aufnahme des Caps in die Liste der Geburtsgebrechen derzeit noch nicht gerechtfertigt. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verfolgt den aktuellen Stand der medizinischen Forschung laufend. Sobald sich die Möglichkeiten einer Therapie des Caps in seiner Gesamtheit ändern, wird das BSV reagieren und aufgrund der neuen Situation eine Aufnahme des Caps in die Liste der Geburtsgebrechen prüfen.

XUNDHEIT IN BÄRN

ARS MEDICI 13 ■ 2012

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