Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse 115
Wir haben ihn des Öfteren kritisiert, zuletzt wegen seines Engagements für die Managed-Care-Vorlage: Ignazio Cassis, ehemaliges Mitglied des Vorstands der FMH und FDP-Nationalrat aus dem Tessin. In der «Arena»-Sendung vom 22. Juni zum Thema «Neue Ideen zu einem krankenden Gesundheitssystem», sprach er aber den wichtigsten und wohl gescheitesten Satz des ganzen Abends aus: «Wenn wir seit Jahren keine Lösung finden, müssen wir uns fragen, ob wir überhaupt ein Problem haben.»
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Die «Arena»-Runde war im Übrigen typisch für die Art und Weise, wie über unser Gesundheitswesen diskutiert wird, vor allem aber für den Personenkreis, der sich zu den vielen – fraglich vorhandenen – Problemen und den wenigen praktikablen Lösungsvorschlägen äussert. Die zweigeteilte Runde bestand aus den Politikern Fehr (Jacqueline), Humbel, Mörgeli und – als einzigem Arzt, wobei auch er kein Praktiker – Cassis sowie dem Expertenpanel Locher, Eichenberger, Longchamp und – eher selbsternannter als ausgewiesener Experte – Gasche. Und auch in der zweiten Reihe waren die Ärzte dünn gesät. Die einzige Kollegin aus der Praxis: Yvonne Gilli aus St. Gallen, Nationalrätin der Grünen, insofern auch nicht gerade die Mehrheit der Ärzte vertretend, aber immerhin mit Kenntnis dessen, von dem die andern nur sprachen.
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Nun wissen wir natürlich nicht, ob die «Arena»-Redaktion nicht bemüht war, die Sendung mit jenen «Playern» zu besetzen, die als einzige in diesem Gesundheitswesen Wert schöpfen: Ärzten nämlich, aber niemanden gefunden hatte, der oder die willig ge-
wesen wäre, mitzudiskutieren. Der Verdacht liegt aber nahe, dass die Zusammensetzung nicht zufällig war.
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Und so kommt es dann zu – unwidersprochenen – Sätzen wie «60 000 Patienten erleiden in den Spitälern Schaden, der schadet» (Margit Kessler) oder «Es gibt jedes Jahr 1000 Tote im Spital durch Fehler» (Heinz Locher, Gesundheitsökonom) oder «Nur 10 Prozent der Leistungen sind auf WZW geprüft» (Locher) oder «Es gibt 2 Prozent mehr Krebsfälle wegen der Computertomografie» (Kessler) oder «Die Patienten finden keine Hausärzte; die Hausärzte sagen: ‹Wissen Sie, Sie verursachen zu viele Kosten, dann komme ich in dieser Kurve (gemeint ist vermutlich die individuelle Kostenstatistik der Krankenkassen) zu weit nach oben.›» (Kessler)
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Ach ja, und zu einem Satz wie «Die Hausärzte sagen: ‹Sie müssen die Medikamente bei mir kaufen, sonst nehme ich Sie nicht.›» Auch diese bemerkenswerte Behauptung stammt von Frau Kessler, der Patientenschützerin, die auf einem grünliberalen Wahlzettel in den Nationalrat gerutscht ist. Auf ihrer Homepage klagt sie: «… niemand ist grundsätzlich davor gefeit, als Patientin oder Patient Opfer von medizinischen Fehlern zu werden. Weil ich mich getraute, auf der chirurgischen Klinik des Kantonsspitals St. Gallen eklatante Missstände aufzudecken, wurde ich über zehn Jahre lang strafrechtlich verfolgt. Wenn Sie hinter die Kulissen schauen und erfahren wollen, was in unserem Rechtsstaat so alles möglich ist, lesen Sie unter der Rubrik Buch mehr über meine diesbezüglichen Erfahrungen.» Der originelle Titel des Buchs: «Halbgötter in Schwarz und Weiss».
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Immer wieder erstaunlich: Die Qualität der Kommentare zur Sendung im Chat des Schweizer Fernsehens. Die bewegt sich etwa in diesem Rahmen (und das ist noch einer der am ehesten zitierbaren Beiträge): «Die in Bern hätten das Kostenproblem selber in der Hand. Aber sie verdienen selber sehr viel Geld mit Medikamenten und so weiter, wieso sollen die dann den Riegel schieben? Wieso darf ein Arzt Preise machen wie er will? Wieso senken die nicht schon lange die Medi-Preise? Wieso nicht öfters auf Alternativmedizin umsteigen? Das Problem ist hausgemacht. Und solange so viele daran eine goldene Nase verdienen und wir wegen jedem Wehwechen zum Arzt gehen, wird sich auch nichts ändern!»
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Da helfen eigentlich nur noch ein paar Weisheiten des Zen, wie: ❖ Such nicht nach der Wahrheit, hör
einfach auf, über alles eine Meinung zu haben. ❖ Jeder Tag ist ein guter Tag. ❖ Hab Geduld mit jedem Tag deines Lebens. ❖ Wenn du gehst, dann geh. Wenn du stehst, dann steh. Und ohne zu schwanken! ❖ Die Samen der Vergangenheit sind die Früchte der Zukunft. ❖ Du lächelst – und die Welt verändert sich. ❖ Ein Grashalm ist ein Schatz und ein Schatz ist ein Grashalm.
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Und das meint Walti: Aus einem traurigen Arsch fährt nie ein fröhlicher Furz.
Richard Altorfer
ARS MEDICI 13 ■ 2012
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