Transkript
Topische Glukokortikosteroide
Regeln und Tipps für den Einsatz in der Praxis
FORTBILDUNG
Seit das Kortison Anfang der Fünfzigerjahre in die Medizin eingeführt wurde, sind zahlreiche Erkrankungen auch in der Dermatologie, die vorher entweder langwierig oder sogar tödlich waren, behandelbar geworden. Allerdings hat der unkritische Einsatz von Glukokortikosteroiden auch einige Nebenwirkungen mit sich gebracht, deren Kenntnis für ihren sinnvollen Einsatz unabdingbar ist.
RALF U. PETER
Steroide können grundsätzlich bei allen entzündlichen Erkrankungen der Haut wie atopischer Dermatitis, Psoriasis, akuten toxischen Dermatitiden und so weiter eingesetzt werden.
Wann ist Vorsicht angebracht? In Fällen, in denen die Entzündung nur die Folge einer Primärerkrankung der Haut ist, zum Beispiel durch Bakterien und Pilze, sollten Steroide mit Vorsicht und nur in Kombination mit einer entsprechenden antibiotischen oder antimykotischen Therapie eingesetzt werden. Sonst können sich durch die topische Immunsuppression die Erreger besser verbreiten. Bei viralen Infektionen der Haut wie Herpes simplex, Gürtelrose oder Ähnliches sind Steroide kontraindiziert.
Merksätze
❖ Bei Hautentzündungen durch Pilze oder Bakterien sollten Steroide mit Vorsicht eingesetzt werden, bei viralen Infektionen sind sie kontraindiziert.
❖ Bei Anwendung topischer Steroide auf mehr als 50 Prozent der Körperoberfläche empfiehlt sich eine alternierende Behandlung.
❖ Die Vorschrift im Beipackzettel vieler Steroide, die Therapie nach einer Woche zu beenden, hat für den konkreten Einzelfall keine Bedeutung.
❖ Besser kurz und intensiv mit Steroiden behandeln, als entzündliche Hauterkrankungen mit einer unterdosierten Therapie konservieren.
Abbildung: Das atopische Ekzem – hier ein Herd in der Kniebeuge – ist je nach Stadium und Ausprägung ein Fall für den Einsatz von Kortikosteroiden.
Bei Akne und Rosazea sind Steroide grundsätzlich kontraindiziert. Von dieser Regel gibt es allerdings zwei Ausnahmen. Bei den schwersten Verläufen der Acne conglobata, der Acne fulminans, die ausschliesslich bei jüngeren Männern auftritt, und bei der Maximalvariante der Rosazea, der Rosacea fulminans, die wiederum nur bei Frauen zu finden ist, können im akuten abszedierenden Stadium unter anderem Steroide indiziert sein. Aber diese Krankheitsbilder sind extrem selten und gehören therapeutisch definitiv in die Hand eines Dermatologen.
Regeln zum Steroideinsatz Wie man sieht, ist nicht alles, was an der Haut schuppt und juckt, a priori für Steroide geeignet – ein effizienter Einsatz setzt eine richtige Diagnose voraus. Wenn topische Steroide eingesetzt werden, sollte man die im Kasten aufgeführten allgemeinen Prinzipien beachten. Es ist wichtig, dem Patienten diese Therapieprinzipien zu verdeutlichen, damit dieser die Behandlung nicht zu früh beendet. Besonders wichtig ist der Hinweis, dass die Vorschrift im Beipackzettel vieler Steroide, die Therapie nach einer Woche zu beenden, für den konkreten Einzelfall keine Bedeutung hat, sondern die Anwendung sich nach der ärztlichen Anweisung und dem Krankheitsverlauf richtet. Leider spielen hier auch viele Apotheker eine therapieverschleppende Rolle, wenn sie den Patienten durch ihre Beratung davon abhalten, sich nach den ärztlichen Therapieanweisungen zu richten.
Wirkstoffklassen Durch die Weiterentwicklung der fluorierten Steroide zu halogenierten wie Mometasonfuroat ist es gelungen, die starke
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FORTBILDUNG
Kasten:
Therapieprinzipien zum Einsatz topischer Steroide
❖ Hoch einsteigen, rasch reduzieren, ausreichend lange therapieren.
❖ Es ist sinnvoller, bei entsprechender Indikation ein ausreichend potentes Steroid auch mehrmals täglich anzuwenden, um die entzündliche Reaktion rasch zum Abklingen zu bringen, als die Erkrankung mit einer eigentlich unzureichenden Medikation zu perpetuieren.
❖ Bei Abklingen der entzündlichen Reaktion kann dann die Therapie sukzessive reduziert werden, sollte aber über das Stadium der Erscheinungsfreiheit hinaus weiterlaufen (ausschleichende Behandlung). Bei abruptem, zu frühzeitigem Absetzen des Steroids besteht die Gefahr des Rezidivs oder gar des Rebounds, das heisst, die eigentlich behandelte entzündliche Reaktion tritt stärker wieder auf als vor Therapiebeginn.
Tabelle:
Wirkklassen topischer Glukokortikosteroide von schwach bis sehr stark
Klasse I, schwach Klasse II, mässig stark Klasse III, stark
Klasse IV, sehr stark
Hydrocortison Prednicarbat Mometasonfuroat Betamethason Clobetasol
Atrophierisiko: 0 Atrophierisiko: 0 bis + Atrophierisiko: 0 bis + Atrophierisiko: ++ Atrophierisiko: +++
mehr Steroide zu benötigen als bei einer initial richtig dosierten Therapie.
Was tun bei Kortikophobie? Häufiger erlebt man in der täglichen Praxis das Phänomen der Kortikophobie. Hier sind gelegentlich therapeutische Alternativen erforderlich, natürlich auch bei Patienten mit langfristiger Steroideigenmedikation, besonders bei Anwendungen im Gesicht. Grundsätzlich stehen zwei Alternativen zur Verfügung: 1. Calcineurinantagonisten wie Tacrolimus (Protopic®) und
Pimecrolimus (Elidel®) entsprechen in der Wirkung einem Steroid der Klasse II, sind also nicht für schwere Krankheitsbilder geeignet. 2. Für chronische Ekzeme, insbesondere mit Schuppen und Rhagaden an Händen, Unterarmen, Beinen und Füssen, eignen sich auch Rezepturen mit Steinkohlenteerauszügen.
Topische Antihistaminika und Bufexamac-haltige Externa sollten vermieden werden, da sie weitgehend wirkungslos und potenziell allergen sind. Zusammenfassend kann man feststellen, dass bei richtiger Indikationsstellung und sachgerechtem Einsatz topische Glukokortikosteroide eine wesentliche Bereicherung des therapeutischen Arsenals in der Behandlung entzündlicher Hautkrankheiten darstellen und bei Beachtung der möglichen Nebenwirkungen und Risiken wirksam und sicher sind. ❖
Prof. Dr. Dr. med. Ralf U. Peter Gefäss- und Hautklinik Blaustein D-89134 Blaustein/Ulm
Interessenkonflikte: keine deklariert
Wirkung der fluorierten Steroide zu erhalten und gleichzeitig das Atrophierisiko drastisch abzusenken. Dies gilt jedoch nicht für die älteren Steroide der Gruppe III (Tabelle). Zu beachten ist auch, dass die anderen Steroidnebenwirkungen wie Teleangiektasien und Akneinduktion vor allem bei Anwendungen im Gesicht für alle Steroide der Klassen III und IV gelten. Bei Anwendungen im Gesicht ist immer auch nach einem Glaukom zu fragen, da die längere Anwendung von Steroiden im Gesicht den Augeninnendruck erhöhen kann.
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 14/2011. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor.
Anwendung bei grossflächigem Einsatz Bei Applikation topischer Steroide auf mehr als 50 Prozent der Körperfläche kann es zu systemischen Effekten wie genereller Immunsuppression und Unterdrückung der körpereigenen Kortisolproduktion kommen. Daher empfiehlt sich bei entsprechend ausgeprägten Hautbefunden eine alternierende Behandlung (z.B. an geraden Tagen die Vorderseite, an ungeraden Tagen die Rückseite oder Ähnliches). Bei Kleinkindern muss darauf geachtet werden, dass die Proportionen im Vergleich mit Erwachsenen verschoben und Kopf und Stamm zum Beispiel relativ grösser als die Extremitäten sind. Allerdings gilt auch bei Kleinkindern: Lieber kurz und intensiv mit Steroiden behandeln, als die entzündlichen Hauterkrankungen mit einer unterdosierten Therapie zu konservieren und im Ergebnis dann unter Umständen
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