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STUDIE REFERIERT
Refluxösophagitis – 10 Jahre nach der Diagnose
dienten 10 Fragen eines zuvor validierten Fragebogens zur Evaluierung der Präsenz und der Schwere von Refluxbeschwerden unter Originalmedikamenten und Generika. Das Ausmass der jeweiligen Beschwerden wurde mithilfe einer fünfstufigen Likert-Skala erfasst. Auf dem addierten Gesamtscore konnten Punktewerte von 0 bis 40 erreicht werden.
Bei der Langzeitbehandlung der Refluxösophagitis mit Protonenpumpeninhibitoren sind Generika genauso wirksam wie Originalpräparate. Für den langfristigen Behandlungserfolg ist vor allem die regelmässige Einnahme von Bedeutung.
JOURNAL OF GASTROENTEROLOGY AND HEPATOLOGY
Die Inzidenz der Refluxösophagitis nimmt in der Bevölkerung zu. Zur Behandlung stehen Protonenpumpeninhibitoren (PPI) zur Säuresuppression zur Verfügung. Allgemein geht man davon aus, dass bei einer Refluxösophagitis eine Erhaltungstherapie erforderlich ist, um die klinische und die endoskopische Remission zu stabilisieren. Die meisten Studien werden jedoch lediglich über einen kurzen Zeitraum von etwa einem Jahr durchgeführt, während zur langfristigen Behandlung nur wenige Daten zur Verfügung stehen.
Merksätze
❖ Die tägliche Einnahme von PPI ist bei Refluxösophagitis häufig mit einer Remission verbunden.
❖ Zur Stabilisierung der Remission ist oft eine Erhaltungstherapie erforderlich.
❖ Original-PPI und Generika weisen eine vergleichbare Wirksamkeit auf.
Bis anhin wurden alle klinischen Studien zur Refluxösophagitis mit Original-PPI des jeweiligen Herstellers durchgeführt, sodass die Wirksamkeit dieser Medikamente gut bekannt ist. Inzwischen stehen die meisten Protonenpumpeninhibitoren aber auch als preiswertere Generika zur Verfügung. Um zu sparen, wird daher oft vom Original auf ein Generikum umgestellt. Obwohl die Bioäquivalenz dieser Generika klar definiert ist, kommt es in der klinischen Praxis häufiger vor, dass sie weniger wirksam sind als das Original. Niederländische Wissenschaftler evaluierten nun bei Patienten mit einer Refluxösophagitis etwa 10 Jahre nach der Diagnosestellung die Langzeiteffekte der säureunterdrückenden Behandlung. Ergänzend untersuchten sie die klinische Wirksamkeit von Original-PPI im Vergleich zu entsprechenden Generika.
Methodik In die Studie wurden zunächst 672 Patienten eingeschlossen, bei denen in den Jahren 1998, 1999 und 2000 endoskopisch eine Refluxösophagitis diagnostiziert worden war. Um eine möglichst homogene Studienpopulation zu erhalten und Auswahlverzerrungen zu vermeiden, wurden Patienten mit behandlungsbedürftigen Erkrankungen, die eine Refluxerkrankung beeinflussen könnten – wie chronische kardiovaskuläre Erkrankungen, chemotherapeutisch behandelte Tumore und psychiatrische Erkrankungen –, aus der Studie ausgeschlossen. Von den 672 Patienten erhielten 410 im Mai 2010 einen Fragebogen, der sich auf die Anwendung, die Dosierung und die Einnahmehäufigkeit eines Säureblockers sowie auf die Compliance und die Zufriedenheit bezog. Ergänzend
Ergebnisse Insgesamt gaben 208 (51%) der 410 Patienten den ausgefüllten Fragebogen zurück. Davon nahmen 161 (78%) einen Säureinhibitor ein. Von diesen Personen litten 116 (72%) unter Refluxbeschwerden (Gruppe 1), während sich die verbleibenden 45 Patienten (28%) in Remission befanden (Gruppe 2). Zwischen den Baseline-Charakteristika beider Patientengruppen bezüglich des Alters, des Geschlechts oder der Schwere der ursprünglich diagnostizierten Refluxösophagitis bestand kein Unterschied. Auch im Hinblick auf Anwendung eines Originals oder eines Generikums oder auf die verschreibenden Ärzte wurde kein Unterschied beobachtet (Tabelle 1). In der Gruppe 1 waren 96 Personen (82,3%) mit der säureblockierenden Behandlung zufrieden. In der Gruppe ohne Beschwerden waren alle 45 Teilnehmer (100%) zufrieden. Bezüglich der Behandlungszufriedenheit bestand somit ein statistisch signifikanter Unterschied (p < 0,01). In Tabelle 2 sind die Anwendungsmodalitäten der Säureblocker in beiden Gruppen im Überblick zusammengestellt. Patienten in Remission nahmen die Medikamente signifikant häufiger täglich ein (p = 0,01). Im Hinblick auf die Dosierung wurde kein Unterschied zwischen beiden Gruppen festgestellt. Der Gesamtscore bezüglich der Schwere der Symptome lag bei Generikumanwendern bei 7,2 (Standard Deviation [SD]: 4,9) und bei den Anwendern der Originalpräparate bei 7,6 (SD: 5,4). In Tabelle 3 sind die verschiedenen Beschwerden unter der jeweiligen Medikation im Überblick zusammengestellt. Hier wurden keine Unterschiede zwischen Original und Generikum festgestellt. In Tabelle 4 sind die Symptomscores der jeweiligen Beschwerden aufgeführt. Auch diesbezüglich wurden keine signifikanten Unterschiede beobachtet. 630 ARS MEDICI 12 ■ 2012 STUDIE REFERIERT Tabelle 1: Patientencharakteristika beider Gruppen Geschlecht Männer Frauen Alter in Jahren Diagnose Reflux Grad 1 Reflux Grad 2 Reflux Grad 3 Reflux Grad 4 Medikation Original Generikum Verschreibender Arzt Hausarzt Gastroenterologe SD = Standard Deviation Gruppe 1: Patienten mit Beschwerden (n = 116) Gruppe 2: Patienten ohne Beschwerden (n = 45) 60 (51,7%) 56 (48,3%) 52,95 (Bereich: 28–79, SD: 10,95) 29 (64,4%) 16 (35,6%) 56,98 (Bereich: 24–81, SD: 12,38) 89 (76,7%) 20 (17,2%) 6 (5,2%) 1 (0,9%) 30 (66,7%) 8 (17,7%) 3 (6,7%) 4 (8,9%) 37 (31,9%) 79 (68,1%) 8 (17,8%) 37 (82,2%) 101 (87,1%) 11 (9,5%) 41 (91,1%) 1 (2,2%) Tabelle 2: Häufigkeit und Dosierung der Medikation Einnahmehäufigkeit Täglich Bei Bedarf Prophylaktisch Dosierung Verschriebene Dosis Höhere Dosis Niedrigere Dosis Gruppe 1: Patienten mit Beschwerden (n = 116) 84 (73%) 31 48 94 (81%) 22 18 Gruppe 2: Patienten ohne Beschwerden (n = 45) 43 (96%) 1 17 40 (89%) 4 3 Tabelle 3: Beschwerden unter Originalpräparat und Generikum Sodbrennen Übelkeit Saures Aufstossen Bauchschmerzen Dysphagie Vorzeitige Sättigung Aufstossen von Nahrung Erbrechen Nächtliche Beschwerden Original 26 (81%) 9 (28%) 24 (75%) 15 (47%) 6 (19%) 15 (47%) 14 (44%) 6 (19%) 21 (66%) Generikum 57 (74%) 21 (29%) 46 (62%) 28 (36%) 25 (45%) 39 (51%) 30 (39%) 10 (13%) 48 (62%) p-Wert nicht signifikant nicht signifikant nicht signifikant nicht signifikant nicht signifikant nicht signifikant nicht signifikant nicht signifikant nicht signifikant Diskussion und Schlussfolgerung In die Studie wurden ausschliesslich Patienten mit endoskopisch diagnostizierter Refluxösophagitis eingeschlossen. Der Nachweis von Erosionen diente dabei als Haupteinschlusskriterium, da diese als Goldstandard zur Diagnose der Erkrankung gelten. Eine Auswahlverzerrung ist bei fragebogenbasierten Studien unvermeidlich, da nicht alle Patienten eine Antwort abliefern. Eine Homogenität der Patientenkohorte wurde erreicht, indem bestimmte Formen der Ösophagitis (ohne Erosionen) ausgeschlossen wurden. Allgemein wird angenommen, dass zur Aufrechterhaltung der Remission eine Erhaltungstherapie mit starken Säureblockern erforderlich ist. Nach Absetzen der PPI kommt es sowohl bei endoskopisch positiven als auch bei endoskopisch negativen Patienten häufig zu einem symptomatischen Rückfall. Mehr als 10 Jahre nach der Diagnose hatten 22 Prozent der Patienten die säuresupprimierende Therapie beendet. Somit kann davon ausgegangen werden, dass diese Patienten sich in klinischer Remission befinden oder nur an geringfügigen Beschwerden leiden und keine Medikation mehr benötigen. Diese Patienten könnten Repräsentanten eines benignen natürlichen Verlaufs der Refluxösophagitis sein. Zudem besteht die Möglichkeit, dass diese Patienten ihren Lebensstil geändert haben und dies in einem Abklingen der Symptome resultierte. Die Auswirkungen von Lebensstiländerungen auf den Krankheitsverlauf wurden bisher nicht in randomisierten kontrollierten Studien untersucht. Die Anwendung von Säureblockern ist wirksam. Viele Patienten nehmen diese Medikamente ein und sind mit dem Behandlungsergebnis zufrieden. In ihrer Studie stellten die Autoren fest, dass Patienten, die unter der Therapie eine Remission erreichen, zufriedener und therapietreuer sind als Personen, bei denen die Beschwerden bestehen bleiben. Über die Ursachen, weshalb Patienten mit Beschwerden ihre Medikamente nicht zuverlässiger einnehmen, kann nach Ansicht der Wissenschaftler nur spekuliert werden. Im klinischen Alltag wird häufig beobachtet, dass Generika weniger wirksam sind als das Original. Dies konnte in der vorliegenden Untersuchung nicht ARS MEDICI 12 ■ 2012 631 STUDIE REFERIERT Tabelle 4: Symptomscore unter Originalpräparat und Generikum Sodbrennen Übelkeit Saures Aufstossen Bauchschmerzen Dysphagie Vorzeitige Sättigung Aufstossen von Nahrung Erbrechen Nächtliche Beschwerden SD = Standard Deviation Original 1,7 (SD: 0,7) 1,4 (SD: 0,7) 1,9 (SD: 0,9) 1,5 (SD: 0,5) 1,5 (SD: 0,5) 1,7 (SD: 0,6) 1,5 (SD: 0,6) 1,3 (SD: 0,5) 1,7 (SD: 0,7) Generikum 1,7 (SD: 0,8) 1,4 (SD: 0,5) 1,7 (SD: 0,8) 1,8 (SD: 0,7) 1,5 (SD: 0,7) 1,7 (SD: 0,6) 1,6 (SD: 0,7) 1,5 (SD: 0,7) 1,7 (SD: 0,8) p-Wert nicht signifikant nicht signifikant nicht signifikant nicht signifikant nicht signifikant nicht signifikant nicht signifikant nicht signifikant nicht signifikant bestätigt werden. Da zum Zeitpunkt der Diagnose noch keine Generika auf dem Markt waren, kann davon ausgegangen werden, dass alle Patienten ursprünglich mit einem Original behandelt und einige später umgestellt wurden. Die Umstellung wirkte sich jedoch weder auf das klinische Ergebnis noch auf die Art der individuellen Be- schwerden oder die Symptomscores aus. Insgesamt schliessen die Autoren aus ihrer Untersuchung, dass eine regel- mässige tägliche Einnahme von Proto- nenpumpenhemmern bei Refluxöso- phagitis mit einem hohen Anteil an klinischen Remissionen verbunden ist. Ausserdem kommen sie zum Schluss, dass bezüglich der Anwendungsmoda- litäten und der Wirksamkeit von Pro- tonenpumpeninhibitoren zwischen Ori- ginal und Generikum kein Unterschied besteht. ❖ Petra Stölting Dackus Gwen HE et al.: Use of acid suppressive therapy more than 10 years after the endoscopic diagnosis of reflux esophagitis with specific emphasis to trademark and generic proton pump inhibitors. J Gastroenterol Hepatol. 2012; 27(2): 368–371. Interessenkonflikte: keine Angaben dazu im Beitrag. 632 ARS MEDICI 12 ■ 2012