Transkript
XUNDHEIT IN BÄRN
POLITFORUM
Oligotherapeutische Produkte von der Arzneimittelkontrolle ausnehmen
INTERPELLATION vom 23.12.2011
Luc Recordon Ständerat Grüne Kanton Waadt
Der Bundesrat wird gebeten, die folgenden Fragen zu beantworten: 1. Kann er bestätigen, dass oligotherapeu-
tische Produkte nicht Bestandteil der Pharmakopöe sind? 2. Ist es zutreffend, dass oligotherapeutische Produkte keine Zulassung als Medikament benötigen, falls die Konzentration der verwendeten Oligoelemente gering ist und der Hersteller oder die Vertriebsfirma nicht öffentlich vorbringt, dass das Produkt eine Heilwirkung habe?
Begründung Die Oligotherapie beruht auf der Wirkung von Spuren- oder Oligoelementen, die in geringer Konzentration vorhanden sind. Damit ist die Oligotherapie eher im Umfeld einer schlichten und gesunden Ernährung anzusiedeln, als dass es sich dabei um eine medikamentöse Therapie handelt. Lange Zeit ging man davon aus, dass oligotherapeutische Produkte, in der Regel handelt es sich dabei um traditionelle Präparate, nicht Bestandteil der Pharmakopöe sind. Da die Konzentration der Elemente nur gering ist und da Hersteller und Vertriebsfirmen nicht behaupteten, dass ihre Produkte eine Heilwirkung haben, benötigten oligotherapeutische Produkte keine Zulassung als Medikament. Negative gesundheitliche Auswirkungen waren bisher keine zu verzeichnen. Aber seit wenigen Jahren ist in einigen Kantonen eine Tendenz hin zu mehr Bürokratie und zu strikteren Kontrollen zu verzeichnen, ohne
dass dafür der geringste Anlass besteht; diese Tendenz steht in völligem Widerspruch zum Verfassungsgrundsatz, die Komplementärmedizin zu fördern (Art. 118a BV). Die parlamentarische Initiative 07.424 von Nationalrätin Marianne Kleiner («Heilmittelgesetz. Vereinfachte Zulassung der Heilmittel der Komplementärmedizin konkretisieren») hätte zur Klärung der Lage beitragen können; aber obwohl der Initiative Folge gegeben wurde, ist die Frist zu ihrer Beantwortung bis zur Herbstsession 2012 verlängert worden. Weil eine relativ grosse rechtliche Unsicherheit herrscht, die sich auf oligotherapeutische Produkte auswirkt, ist es wichtig, eine Klärung der Lage zu bewirken.
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt.
Vergütung der ärztlichen Komplementärmedizin durch die Unfallversicherung
MOTION vom 23.12.2011
Edith Graf-Litscher Nationalrätin SP Kanton Thurgau
Der Bundesrat wird beauftragt, folgende Massnahmen zu treffen: Die ärztlichen Leistungen der anthroposophischen Medizin, klassischen Homöopathie, Neuraltherapie, Phytotherapie und traditionellen chinesischen Arzneimitteltherapie sind von der Unfallversicherung zu vergüten.
Begründung Die Vergütung ärztlicher Komplementärmedizin durch die Grundversicherung und die weiteren Sozialversicherungen (IV, Suva, Militärversicherung) ist eine Kernforderung des Verfassungsartikels 118a Komplementärmedizin, der vom Volk mit 67 Prozent angenommen wurde. Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) hat am 31. Mai 2011 die Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) entsprechend angepasst und die fünf ärztlichen Leistungen anthroposophische Medizin, klassische Homöopathie, Neuraltherapie, Phytotherapie und traditionelle chinesische Arzneimitteltherapie befristet in den Leistungskatalog der Grundversicherung aufgenommen. Am 30. September 2011 wurde zudem die Motion «Komplementärmedizin in der IV» in der
Schlussabstimmung vom Nationalrat mit 115:79 Stimmen angenommen. Es ist deshalb folgerichtig, dass die Komplementärmedizin auch durch die Unfallversicherung vergütet wird. Die fünf Methoden sind von der Unfallversicherung zu vergüten, um die unzulässige Einschränkung der Therapiefreiheit zu beseitigen und um allen Patienten die gleichen Therapiemöglichkeiten zu gewähren. Gerade verunfallte Personen sind zur Rehabilitation auf eine gute Zusammenarbeit von Schul- und Komplementärmedizin angewiesen.
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt.
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POLITFORUM
Das Ende des Arzneimittel-Kompendiums?
INTERPELLATION vom 23.12.2011
Ignazio Cassis Nationalrat FDP Kanton Tessin
❖ Ist der Bundesrat bereit, die vollständige und aktuelle Publikation des Arzneimittel-Kompendiums an einem Ort auch kurzfristig sicherzustellen?
❖ Ist er bereit, während einer Übergangsfrist die Publikation der vollständigen Arzneimittelinformationen in Buchform sicherzustellen?
❖ Ist er bereit, die für die elektronische Arzneimittelverordnung (eMedikation) notwendige Information elektronisch und auch finanziell niederschwellig zur Verfügung zu stellen?
Begründung Das Bundesverwaltungsgerichtsurteil vom 17. Juni 2011 stoppte die bisherige Publikationspflicht für Arzneimittel im Kompendium. In der Folge hat Swissmedic das öffentliche Interesse an einem solchen Verzeichnis anerkannt und auch empfohlen, die Publikation wie bisher weiterzuführen. Swissmedic will mittelfristig ein Verzeichnis «als Notmassnahme» sicherstellen und strebt langfristig eine Lösung an, die dem künftigen HMG entspricht, welches nur ein elektronisches Verzeichnis vorsieht. Nach einer Umfrage greifen zwei Drittel der befragten Ärzte mehrmals täglich auf das Kompendium zurück, und auch wenn die Nutzung der Internetversion zunimmt, griffen 2011 immer noch 87 Prozent der befragten Ärzte auf die Buchform zurück. Auch andere Gesundheitsfachpersonen, beispielsweise aus der Pflege, bedienen sich sehr häufig der Buchform. Sie ist heute noch in vielen Fällen die schnellste und einfachste Möglichkeit, auf zuverlässige Information zuzugreifen.
Für die Patientensicherheit ist es zentral, dass den Gesundheitsfachpersonen zuverlässige, vollständige und aktuelle Arzneimittelinformation schnell und einfach zur Verfügung steht, das bedeutet, die Information muss an einem Ort vollständig veröffentlicht werden. Die Informationen an mehreren Orten oder gar über Internetsuchtools suchen zu müssen, birgt hohe Risiken. Durch die Aufhebung der Publikationspflicht im Kompendium geht die Vollständigkeit und Aktualität der publizierten Informationen rapide zurück. Damit entstehen massive Risiken für die Patienten. Zusätzliche Risiken für die Patienten werden entstehen, weil die letzte Buchausgabe an vielen Orten noch lange in den Bücherregalen verbleiben wird, auch wenn die Information darin überholt ist. Darüber hinaus kann eine Beschränkung auf elektronische Publikationen zurzeit zu Mehraufwand bei den Gesundheitsfachpersonen führen.
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt.
Die Antwort des Bundesrates vom 15.2.2012
1. Gemäss geltendem Recht müssen die Zulassungsinhaberinnen den zur Verschreibung, Abgabe und Anwendung von Arzneimitteln befugten Personen die Patienten- und Fachinformationen (Arzneimittelinformationen) in geeigneter Weise zur Verfügung stellen (Arzneimittel-Zulassungsverordnung, SR 812.212.22). Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 2011 hat an dieser Pflicht nichts geändert. Neu ist lediglich, dass die Zulassungsinhaberinnen durch das Schweizerische Heilmittelinstitut, Swissmedic, nicht mehr verpflichtet werden dürfen, die Publikation bei einem privaten Anbieter (d.h. beispielsweise im Arzneimittelkompendium der Firma Documed AG) vorzunehmen. Damit trotz des Urteils mittelfristig ein einheitliches, umfassendes Verzeichnis der Arzneimittelinformationen existiert, beabsichtigt Swissmedic, vorerst auf eigene Kosten eine behördliche Publikationsplattform zur Verfügung zu stellen, auf der die Arzneimittelinformationen aller zugelassenen Arzneimittel ab dem Jahr 2013 zwingend veröffentlicht werden müssen. Kurzfristig ist die Information der Fachleute im Rahmen der bekannten Buchpublikation sichergestellt (Arzneimittel-Kompendium 2012). Swissmedic
hat die Zulassungsinhaberinnen zudem aufgefordert, ihrer Informationspflicht bis zur Inbetriebnahme der neuen Plattform wie bis anhin nachzukommen, das heisst, die Arzneimittelinformation auch elektronisch publizieren zu lassen, dies jedoch auf freiwilliger Basis. Im Rahmen der laufenden Revision des Heilmittelgesetzes (zweite Etappe) wird die rechtliche Grundlage geschaffen, damit Swissmedic die Arzneimittelinformation auf Kosten der Zulassungsinhaberinnen in Form eines elektronischen Verzeichnisses veröffentlichen kann. Die Überweisung der Botschaft durch den Bundesrat an das Parlament ist für Sommer 2012 vorgesehen. 2. Es liegt in der Sorgfaltspflicht der Fachpersonen, die Arzneimittelinformationen in ihrer aktuellen Form zu konsultieren. Die Produktion des gedruckten Kompendiums nimmt rund vier Monate in Anspruch. Beachtet man, dass ein Drittel der Arzneimittelinformationen übers Jahr vollständig oder partiell geändert wird, wird klar, dass die Buchform bereits bei Erscheinen nicht mehr auf dem neuesten Stand ist. Angesichts dieser Tatsache, der heute zur Verfügung stehenden Vielfalt von elektronischen Geräten sowie der Verbreitung solcher
Geräte ist von den Fachpersonen zu erwarten, dass sie sich über Internet oder eine andere elektronische Quelle (E-Book u. Ä.) über die aktuell gültige Fassung der jeweiligen Arzneimittelinformationen informieren. Die elektronischen Medien garantieren auch in diesem Bereich nicht nur eine jederzeit aktuelle, sondern auch eine höchst kostengünstige Information. Die Verpflichtung zu einer Publikation in Buchform erachtet der Bundesrat deshalb als nicht mehr zeitgemäss. 3. Swissmedic wird auf ihrer geplanten Publikationsplattform ausschliesslich die behördlich genehmigte Arzneimittelinformation aufschalten, dies jedoch in einer Form, die von beliebigen Dritten übernommen und für eigene Angebote genutzt werden kann. Die Preise aller in der Spezialitätenliste aufgeführten Arzneimittel werden vom Bundesamt für Gesundheit auf seiner Internetseite publiziert. Die Aufbereitung der vorhandenen Informationen für die elektronische Verschreibung obliegt den privaten Anbietern. Solche Zusatzinformationen wurden den Fachpersonen bereits bisher von den privaten Anbietern von Publikationslösungen für die Arzneimittelinformationen als ergänzende Dienstleistung zur Verfügung gestellt.
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