Transkript
Rosenbergstrasse 115
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Auch Christine Bulliard-Marbach, CVP-Nationalrätin aus dem Kanton Fribourg, hat die Not der Hausarztmedizin erkannt. Spät zwar, aber immerhin. Sie verlangt in einer Motion eine «Anstossfinanzierung zur Bereitstellung von Praktikaplätzen mit 50- bis 100-Prozent-Pensen in Hausarztpraxen sowie die Schaffung von Gemeinschaftspraxen mit multiprofessionellen Leistungserbringern im Gesundheitswesen». Und begründet das unter anderem folgendermassen: «Ein Praktika (sic!) im ambulanten Bereich im Spital ist attraktiver als in einer Arztpraxis, denn die Entlöhnung ist besser und die Arbeit erfolgt in einem grösseren Team. Es sind vermehrt Gemeinschaftshausarztpraxen als Ausbildungsstätten zu schaffen und zu gewinnen.» In ihren Anliegen von so kompetenten Politiker(inne)n vertreten zu werden, da fühlen sich die Hausärzte doch gleich besser.
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Dieter Moor, Fernsehmoderator in Diensten des Deutschen Fernsehens («Titel, Thesen, Temperamente»), früher Late-Night-Moderator in der Schweiz («Night Moor», einige werden sich noch erinnern), einer der wenigen mit einem Gesicht, das noch Ecken, Kanten und schiefe Winkel hat und von keinem ästhetischen Chirurgen auf Euronorm modelliert wurde, will den Schweizer Pass abgeben und gegen den deutschen eintauschen. Weil er sich schäme, Schweizer zu sein. Weil die Schweizer Idioten seien. Weil sie ihre eigene Geschichte verfälschten. Weil sie nicht demokratiefähig seien. Da fragt man sich: Was ist denn in den gefahren? Sauer, weil das Schweizer Fernsehen ihn nicht genügend estamiert hat? In «schlechte Gesellschaft» geraten? Oder ist das einfach sein, ja nicht unsympathischer, professionell verschrobener Humor? Immerhin hat er – zusammen mit seiner durchaus ökofundamentalistischen Ehefrau – den Verein Alternativen für Zukunft e.V. gegründet, abgekürzt AfZ, das nach seiner eigenen
Diktion auch steht für «Arschlochfreie Zone».
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Die Schweiz nach dem Austritt Moors aus der Eidgenossenschaft eine AfZ? Nein, schön wär’s. Und überhaupt: Irgendwie muss man Moor trotzdem mögen, ihn, der halb Ökobauer, halb TV-Star, kokett von sich behauptet, er sei auf dem Bauernhof seiner Frau «nur Knecht und Traktorfahrer». Aber vielleicht ist das ja gar nicht kokett.
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Nicht alle Deutschen schätzen die neu entdeckte Liebe Moors zu Germanien. Kommentar eines K.M.: «Mir geht’s ähnlich, nur umgekehrt, habe den deutschen Pass verbrannt, als ich den Schweizer Pass in der Tasche hatte. Herr Moor wird sich noch wundern. Zumindest an eines sollte er sich ganz schnell gewöhnen, er ist nun Untertan seiner Obrigkeiten, und nicht mehr freier Bürger.» Na ja, so schlimm wird’s schon nicht kommen. Und wenn doch, nehmen wir ihn grosszügig wieder auf.
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Neue Gesetze gefällig? Postulat eines Nationalrats: Es sei das «Recht auf Vergessen im Internet» in die Gesetzgebung aufzunehmen. Schliesslich ist – wen wundert’s – auch die EU daran, ein solches Recht einzuführen.
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Aber es gibt grössere Probleme in der Politik: Zum Beispiel, dass der Verbrauch von Buchenholz abnimmt. Das lässt Nationalrat Rhime nachfragen, was der Bund gedenke, dagegen zu tun. Ob er bei der Verwendung von Buchenholz nicht mit gutem Beispiel vorangehen und etwa ein Projekt wie «Schweizer Schulmobiliar aus Buchenholz» fördern könnte. Und siehe da, der Bundesrat findet Zeit (und Geld) für solch praktische Anliegen. Im
Rahmen des Aktionsplans Holz will er «Anwendungsbereiche von Buchenholz im Einflussbereich des Bundes» untersuchen und zusammen mit Vertretern der Wertschöpfungskette Holz eine Marktanalyse für Laubholzprodukte erarbeiten. Na also, mit dem Bund kann man doch sprechen.
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Haushalthilfen (landläufig und früher Putzfrauen genannt) arbeiten nicht selten schwarz. Weil sie selber oder die Arbeitgeber die Sozialabgaben lieber für sich behalten. Das ist verständlich, nicht nur wegen der paar gesparten Franken, sondern auch wegen des administrativen Aufwands – aber eben nicht legal. So mancher und manche haben deswegen ein schlechtes Gewissen oder wenigstens ein mulmiges Gefühl. Im Welschland bieten die Kantone einfache Internetlösungen für dieses Problem an; die Schwarzarbeit ging stark zurück. Dass man nicht immer auf den Staat warten muss, zeigen junge Zürcher Unternehmer. Über quitt.ch lassen sich Haushalthilfen schnell, einfach, papierlos und garantiert legal anstellen und korrekt versichern. Lohnt sich, für alle.
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Und das meint Walti: Eine Vereinheitlichung von Theorie und Praxis wäre theoretisch ganz praktisch!
Richard Altorfer
ARS MEDICI 10 ■ 2012
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