Transkript
STUDIE REFERIERT
Rituximab bei ANCA-assoziierter Vaskulitis
Randomisierter Vergleich mit Cyclophosphamid zur Remissionsinduktion
Bei ANCA-assoziierten Vaskulitiden wird die jahrzehntealte Standardtherapie mit Cyclophosphamid zunehmend durch die Behandlung mit dem monoklonalen Antikörper Rituximab als weiterer Therapieoption mit potenziell geringerem Nebenwirkungsrisiko ergänzt. Diese ist sowohl zur Induktion einer Remission wie zu deren Erhaltung effektiv und hat ein potenziell geringeres Nebenwirkungsrisiko.
NEJM
Wegener-Granulomatose und mikroskopische Polyangiitis befallen kleine bis mittelgrosse Gefässe, vor allem im Respirationstrakt und den Nieren, und werden als ANCA-(antineutrophil cytoplasmatic antibody)-assoziierte Vaskulitiden klassifiziert. Bei den meisten Patienten sind Antikörper gegen Proteinase 3 oder Myeloperoxidase nachweisbar. Seit fast vier Jahrzehnten gelten Cyclophosphamid (Endoxan®) und Glukokortikoide als Standardtherapie
Merksätze
❖ In einer Nichtunterlegenheitsstudie erwies sich Rituximab der Standardtherapie mit Cyclophosphamid bei schwerer ANCA-assoziierter Vaskulitis als ebenbürtig in der Remissionsinduktion und überlegen bei rezidivierender Erkrankung.
❖ Zur Remissionserhaltung kann heute Rituximab in fixen Intervallen von sechs Monaten bei enger Überwachung von Wirksamkeit und Sicherheit empfohlen werden.
zur Remissionsinduktion, womit die früher letale Krankheit heute mit guten Erfolgsaussichten unter Kontrolle und in vorübergehender Remission gehalten werden kann. Allerdings ist dies eine nebenwirkungs- und risikoreiche Langzeittherapie, weshalb Alternativen willkommen sind. Einen solchen Weg bietet die B-ZellElimination durch den monoklonalen anti-CD20-Antikörper Rituximab (Mab Thera®). Die Autoren dieser Studie gingen von der Hypothese aus, dass die Kombination Rituximab plus Glukokortikoide der Kombination Cyclophosphamid plus Glukokortikoide hinsichtlich der Remissionsinduktion nicht unterlegen sei und ein Ausschleichen von Prednison innert sechs Monaten erlauben würde. Prednison wurde ausgeschlichen mit dem Ziel, dass alle Patienten in sogenannter kompletter Remission nach fünf Monaten keine Glukokortikoide mehr einnahmen.
Methodik Die Studie RAVE (Rituximab in ANCAassociated Vasculitis) rekrutierte Patienten mit neu diagnostizierter oder rezidivierender ANCA-assoziierter Vaskulitis mit positiven Proteinase-3-ANCA oder Myeloxidase-ANCA und schweren Krankheitssymptomen. Im Rahmen der multizentrischen, randomisierten, doppelblinden Doppel-Dummy-Noninferioritätsstudie wurden die 197 Teilnehmer zur Remissions-induktion entweder zu Rituximab (375 mg/m2 pro Woche für 4 Wochen) oder zu Cyclophosphamid (2 mg/kg KG täglich) randomisiert. Beide Behandlungsgruppen erhielten zudem eine bis drei 1000-mgDosen Methylprednisolon i.v. und danach von Prednison (1 mg/kg KG pro Tag) per os. Prednison wurde ausgeschlichen, sodass alle Patienten, die in Remission gekommen waren, nach fünf
Monaten keine Glukokortikoide mehr einnahmen.
Resultate 63 Patienten (64%) in der Rituximabgruppe und 52 Patienten (53%) in der Kontrollgruppe erreichten den primären Endpunkt, der als Remission der Erkrankung ohne Prednisoneinnahme innert 6 Monaten definiert war. Dieses Resultat erreichte das Noninferioritätskriterium (p < 0,001). Bei rezidivierender Erkrankung war Rituximab wirksamer als das Cyclophosphamidregime: 34 von 51 Patienten (67%) in der Rituximabgruppe, aber nur 21 von 50 Patienten (42%) in der Kontrollgruppe erreichten den primären Endpunkt (p = 0,01). Rituximab war auch bei Patienten mit schwerer Nierenbeteiligung oder alvolären Blutungen Cyclophosphamid ebenbürtig. In Bezug auf die Nebenwirkungen ergaben sich zwischen den beiden Behandlungsgruppen keine signifikanten Unterschiede.
Diskussion Die früheren Erfahrungen aus nicht kontrollierten Untersuchungen finden in dieser randomisierten, kontrollierten Studie nun ihre Bestätigung: Rituximab (plus Kortikosteroide) führt in der Remissionsinduktion bei ANCA-assoziierten Vaskulitiden zu ähnlichen Behandlungsergebnissen wie Cyclophosphamid (plus Kortikosteroide). Die beobachteten Behandlungseffekte waren hinsichtlich aller klinischen Wirksamkeitsparameter konsistent. Der Unterschied im Erreichen des primären Endpunkts von 64 versus 53 Prozent übertraf die präspezifizierte Nichtunterlegenheitsgrenze um 31 Prozent. Zusätzlich zeigte eine präspezifizierte Untergruppe mit rezidivierender Erkrankung unter Rituximab substanziell bessere Behandlungsergebnisse. Die Autoren hatten unter Rituximab weniger Nebenwirkungen erwartet, fanden jedoch keine Differenz. Sie erklären dies dadurch, dass die Studiendauer von nur sechs Monaten möglicherweise zu kurz war, um typische Cyclophosphamidassoziierte Nebenwirkungen zu erfassen, und dass die sehr enge Patientenüberwachung gewisse Nebenwirkungen von Cyclophosphamid wie Leukopenien verhindert haben könnte. Die Autoren erwähnen auch Einschränkungen ihrer Studie. So lassen
522
ARS MEDICI 10 ■ 2012
STUDIE REFERIERT
sich die bei Patienten mit schwerer ANCA-assoziierter Vaskulitis und positiven ANCA gewonnenen Behandlungsergebnisse nicht ohne Weiteres auf Patienten mit begrenzter WegenerGranulomatose oder mit ANCA-negativer Erkrankung übertragen. Offen blieb nach dieser Studie auch die Frage nach einer erneuten Rituximabtherapie. Mit einer Rückkehr der B-Zellen im peripheren Blut ist nach 9 bis 12 Monaten zu rechnen. Es braucht also längere Beobachtungszeiträume, um Nutzen und Risiken der gegen CD20 gerichteten Therapie besser einzuschätzen. Bemerkenswerterweise korrelierte das Verschwinden von ANCA unter Therapie nicht mit dem Erreichen des primären klinischen Endpunkts. Dies wirft die Frage auf, ob sowohl Rituximab wie Cylophosphamid ihre klinische Wirksamkeit über die Antikörperunterdrückung hinaus noch weiteren Mechanismen verdanken.
Kommentar In einem kürzlich erschienenen Editorial im «Journal of Rheumatology» diskutieren Dr. Sabine Adler und Prof. Peter M. Villiger von der Universitätsklinik für Rheumatologie Bern die derzeitigen Erkenntisse und noch offenen Fragen zur Anti-B-Zell-Strategie bei ANCAassoziierten Vaskulitiden (2). Bisherige Studien haben gezeigt, dass Rituximabbasierte Therapien bei ANCA-assoziierten Vaskulitiden zur Remissionsinduktion hoch effektiv sind, was auch zur Erweiterung der Rituximabindikation auf diese Krankheitsbilder geführt hat.
Allerdings sind bei ANCA-assoziierten Vaskulitiden nach der Induktion unabhängig vom dafür gewählten Wirkstoff Rückfälle zu erwarten. In einer Studie bei Patienten mit renaler ANCA-assoziierter Vaskulitis traten bei 7 von 33 Patienten (21%) nach Rituximab und bei 2 von 11 Patienten (18%) nach Cyclophosphamid Rezidive auf. Allerdings hatten die Teilnehmer im Rituximabarm keine Erhaltungstherapie bekommen, während im Cyclophosphamidarm Azathioprin (Imurek® oder Generika) zur Erhaltung eingesetzt wurde. «Zurzeit ist unklar, welche der drei Optionen am besten sein wird: vorsichtiges Abwarten, Standardbehandlung oder wiederholte Zyklen von Rituximab», schreiben die Berner Rheumatologen. Sollte man sich für die letzte Variante entscheiden, bleibt noch zu bestimmen, ob Rituximab in fixen Intervallen oder auf Basis von Biomarkern und/oder klinischer Beurteilung verabreicht werden soll. In einer retrospektiven Studie über sieben Jahre untersuchten Claire Roubaud-Barton und Mitautoren Wirksamkeit und Nebenwirkungen einer Erhaltungstherapie mit Rituximab bei Wegener-Granulomatose und mikroskopischer Vaskulitis (3). Zunächst mit Cyclophosphamid in Remission gebrachte Patienten erhielten Rituximab, was bei 15 von 28 Patienten (53%) zur Remissionserhaltung über im Mittel 38 Monate führte. Bei den Studienteilnehmern handelte es sich um Patienten mit hohen kumulativen Cyclophosphamiddosen, schon lange bestehender Erkrankung, verschiedenen Organmani-
festationen und vielfältigen vorangegangenen Therapien, also um schwere Fälle. Auch in dieser Untersuchung erwiesen sich die ANCA-Titer und die CD19+-Zellzahlen interessanterweise nicht als prognostisch mit Blick auf ein bevorstehendes Rezidiv. Ähnliches war auch schon in zahlreichen Studien bei mit Rituximab behandelter rheumatoider Arthritis beobachtet worden. Vermutlich braucht es für eine effizientere Diagnostik von Rezidiven andere Biomarker, beispielsweise B-Lymphozytenzytokine und spezifische B-Zell-Subpopulationen. In ihrer Einschätzung dieser sowie weiterer Studien kommen Adler und Villiger zum Schluss, dass zum heutigen Zeitpunkt eine Erhaltungstherapie mit jeweils 1 g Rituximab in fixen Intervallen von sechs Monaten bei enger Überwachung von Wirksamkeit und Sicherheit empfohlen werden kann. ❖
Halid Bas
1. John H. Stone et al. for the RAVE-ITN Research Group: Rituximab versus Cyclophosphamide for ANCA-Associated Vasculitis. N Engl J Med 2010; 363: 221–232.
2. Sabine Adler, Peter M. Villiger: B Cell Strategy to Maintain Remission in ANCA-associated Vasculitides? J Rheumatol 2012; 39: 4–5; doi:10.3899/jrheum.111313
3. Roubaud-Baudron C. et al. Rituximab maintenance therapy for granulomatosis with polyangiitis and microscopic polyangiitis. J Rheumatol 2012; 39: 125–130.
Interessenlage: Die RAVE-Studie wurde teilweise finanziert durch die Firmen Genentech und Biogen, die aber im Datenkomittee nicht vertreten waren.
524
ARS MEDICI 10 ■ 2012