Transkript
XUNDHEIT IN BÄRN
POLITFORUM
Das Ende des Arzneimittel-Kompendiums?
INTERPELLATION vom 23.12.2011
Ignazio Cassis Nationalrat FDP Kanton Tessin
❖ Ist der Bundesrat bereit, die vollständige und aktuelle Publikation des Arzneimittel-Kompendiums an einem Ort auch kurzfristig sicherzustellen?
❖ Ist er bereit, während einer Übergangsfrist die Publikation der vollständigen Arzneimittelinformationen in Buchform sicherzustellen?
❖ Ist er bereit, die für die elektronische Arzneimittelverordnung (eMedikation) notwendige Information elektronisch und auch finanziell niederschwellig zur Verfügung zu stellen?
Begründung Das Bundesverwaltungsgerichtsurteil vom 17. Juni 2011 stoppte die bisherige Publikationspflicht für Arzneimittel im Kompendium. In der Folge hat Swissmedic das öffentliche Interesse an einem solchen Verzeichnis anerkannt und auch empfohlen, die Publikation wie bisher weiterzuführen. Swissmedic will mittelfristig ein Verzeichnis «als Notmassnahme» sicherstellen und strebt langfristig eine Lösung an, die dem künftigen HMG entspricht, welches nur ein elektronisches Verzeichnis vorsieht. Nach einer Umfrage greifen zwei Drittel der befragten Ärzte mehrmals täglich auf das Kompendium zurück, und auch wenn die Nutzung der Internetversion zunimmt, griffen 2011 immer noch 87 Prozent der befragten Ärzte auf die Buchform zurück. Auch andere Gesundheitsfachpersonen, beispielsweise aus der Pflege, bedienen sich sehr häufig der Buchform. Sie ist heute noch in vielen Fällen die schnellste und einfachste Möglichkeit, auf zuverlässige Information zuzugreifen.
Für die Patientensicherheit ist es zentral, dass den Gesundheitsfachpersonen zuverlässige, vollständige und aktuelle Arzneimittelinformation schnell und einfach zur Verfügung steht, das bedeutet, die Information muss an einem Ort vollständig veröffentlicht werden. Die Informationen an mehreren Orten oder gar über Internetsuchtools suchen zu müssen, birgt hohe Risiken. Durch die Aufhebung der Publikationspflicht im Kompendium geht die Vollständigkeit und Aktualität der publizierten Informationen rapide zurück. Damit entstehen massive Risiken für die Patienten. Zusätzliche Risiken für die Patienten werden entstehen, weil die letzte Buchausgabe an vielen Orten noch lange in den Bücherregalen verbleiben wird, auch wenn die Information darin überholt ist. Darüber hinaus kann eine Beschränkung auf elektronische Publikationen zurzeit zu Mehraufwand bei den Gesundheitsfachpersonen führen.
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt.
Medizintechnische Geräte und Produkte – Massnahmen gegen überhöhte Preise
MOTION vom 23.12.2011
Ruth Humbel Nationalrätin CVP Kanton Bern
Der Bundesrat wird beauftragt, dem Parlament eine Änderung der gesetzlichen Grundlagen zu unterbreiten, damit medizintechnische Produkte für Spitäler und ambulante Praxen kostengünstiger werden und direkt aus dem Ausland importiert werden können sowie administrative Hürden abgebaut werden.
Begründung Medizintechnische Produkte, Geräte, Implantate und anderes Material sind im Ausland wesentlich günstiger als in der Schweiz. Durch die Währungsgewinne ist die Differenz noch gravierender geworden. Während die Medikamentenpreise einem Auslandpreisvergleich standhalten müssen und in den letzten Jahren regelmässig gesenkt worden sind, liegen die Preise für medizintechnische Geräte und Produkte auf unverändert überhöhtem Niveau, deutlich über den Preisen im angrenzenden Ausland, und zwar für Mittel und Gegenstände, für Implantate wie für medizintechnische Geräte. Spitäler könnten im grenznahen Ausland wesentlich günstiger einkaufen, was indes durch Absprachen und administrative Hindernisse verunmöglicht wird. Theoretisch wären Parallelimporte zwar zugelassen, praktisch sind sie aber durch Absprachen oder administrative Hürden kaum
möglich. Hat beispielsweise ein Anbieter eine Vertriebsstelle in der Schweiz - was meistens der Fall ist – kann nicht im Ausland bestellt werden. Wenn eine Beschaffung im Ausland möglich wäre, geht es nicht, weil Service- und Garantieleistungen an die Beschaffungen gebunden sind und in der Schweiz nicht unabhängig vom Gerätekauf geleistet werden. Hinzu kommt, dass auch die Auflagen in der Medizinprodukteverordnung kostentreibend wirken ohne den geringsten Mehrwert für Patientinnen und Patienten. Der Bundesrat wird daher aufgefordert, bei den einschlägigen Gesetzen wie Kartellgesetz, Medizinprodukteverordnung und Preisüberwachungsgesetz Anpassungen vorzunehmen, damit die überhöhten Preise für medizintechnische Geräte und Produkte gesenkt werden.
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt.
ARS MEDICI 8 ■ 2012
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POLITFORUM
Bisphenol-A-Problematik
POSTULAT vom 11.11.2011
Kommission für soziale Sicherheit des Nationalrats Sprecherin: Silvia Schenker Nationalrätin SP Kanton Basel-Stadt
Der Bundesrat wird beauftragt, einen Bericht zur Bisphenol-A-Problematik zu verfassen. Die Zeitung «Le Monde» veröffentlichte in ihrer Ausgabe vom 29. Oktober 2011 einen Artikel, in dem sie die Bisphenol-A-Problematik als «einen weltweiten Gesundheitsskandal, vermutlich den grössten der letzten zehn Jahre» bezeichnet. Bisphenol A (eine Substanz, die in den zur Verpackung von Lebensmitteln verwendeten Kunststoffen allgegenwärtig ist) gilt als Auslöser für
Brust- und Prostatakrebs, Fettleibigkeit, neurologische Verhaltensstörungen, Entwicklungsstörungen sowie Beeinträchtigungen der Fortpflanzungsfähigkeit. Babys sind für die schädliche Wirkung besonders anfällig (Bisphenol A ist im Plastik der Schoppenflaschen enthalten). Im Gegensatz zu den USA oder zur Europäischen Union ist das BAG der Meinung, dass «die Einnahme von Bisphenol A durch Lebensmittel kein Risiko für den Konsumenten darstellt». In den Augen des BAG beruhen die andernorts ausgesprochenen Verbote nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern auf dem Vorsorgeprinzip (Revue Médicale Suisse, 9 November 2011, S. 2208).
Dies die Stellungnahme des Bundesrates vom 18.01.2012
Seit 2010 hat der Bundesrat mehrmals zur Bisphenol-A-Problematik (BPA) Stellung genommen (s. z.B. Antwort auf die Frage 11.5245 SimoneschiCortesi, Bisphenol A in Babyflaschen). Der Bundesrat versteht sich als Garant für ein Risikomanagement, das auf einem streng wissenschaftlichen Ansatz basiert. Seine Entscheide gründen auf den Arbeiten der Europäischen
Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die zum Schluss kamen, dass eine Exposition gegenüber BPA zum jetzigen Zeitpunkt kein Risiko für die Konsumentinnen und Konsumenten darstellt. Der Bundesrat verfolgt aufmerksam die Entwicklung der Situation. Wie bereits mehrmals dargelegt, erachtet er es nicht als nötig, besondere
Gesundheitsmassnahmen zu treffen. Er ist jedoch bereit, einen Bericht über die Nutzen und Gefahren der Verwendung von BPA zu erstellen und seine Position neu zu beurteilen. Dieser Bericht wird voraussichtlich im Verlauf des zweiten Halbjahrs 2012 vorliegen. Der Bundesrat beantragt die Annahme des Postulates.
XUNDHEIT IN BÄRN
Arbeitsgesetz im Spital
MOTION vom 22.12.2011
Marianne Streiff-Feller Nationalrätin EVP Kanton Bern
1. Der Bundesrat wird beauftragt, die Einhaltung des Arbeitsgesetzes in den Spitälern kontrollieren zu lassen.
2. Der Bundesrat wird beauftragt,die notwendigen Schritte einzuleiten, damit Verstösse gegen das Arbeitsgesetz unverzüglich behoben werden.
Begründung Das Arbeitsgesetz wird in vielen Spitälern in der ganzen Schweiz zum Teil massiv verletzt, vor allem gegenüber Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzten. Die häufigsten Verstösse in diesem Bereich sind:
❖ mehr als 50 Stunden pro Woche; ❖ 12 bis 16 Tage am Stück; ❖ mehr als 12 Stunden Nachtarbeit; ❖ mehr als 140 Überzeitstunden pro Jahr; ❖ Arbeitszeit wird nicht vollständig erfasst; ❖ gesetzwidrige Pikettdienste. Das eidgenössische Parlament hat 2002 die Assistenzärztinnen und -ärzte dem Arbeitsgesetz unterstellt. Man wollte damit sicherstellen, dass arbeitsmedizinische Erkenntnisse auch im ärztlichen Bereich Anwendung finden. Die betroffenen Ärzte, aber auch die Patienten sollten damit geschützt werden. Trotzdem werden die gesetzlichen Bestimmungen in zahlreichen Spitälern immer noch nicht eingehalten. Das zeigt auch eine Untersuchung des seco vom November 2005 in 10 Spitälern und Kliniken der Schweiz. Die zentralen Erkenntnisse der Studie lassen sich so zusammenfassen: «Das Arbeitsgesetz ist auch für Spitäler praxistauglich, und es wird in einigen Betrieben auch weitestgehend oder vollumfänglich eingehalten. Hingegen erlau-
ben sich viele Spitäler massive Verletzungen der ArG-Bestimmungen. In 6 dieser Betriebe kommt es immer wieder vor, dass die Assistenz- oder Oberärzte zwischen 80 und 100 Stunden pro Woche arbeiten müssen. In 4 der 10 Betriebe wird von den Angestellten zudem regelmässig verlangt, dass sie 11 oder mehr Tage hintereinander arbeiten. Der Extremfall: 31 Arbeitstage am Stück ohne einen einzigen freien Tag.» Durch den Kostendruck sind die Arbeitsbedingungen in vielen Spitälern und Kliniken seither noch schlechter geworden. Der Staat kann und darf nicht dulden, dass Gesetze einfach missachtet werden. Er ist daher gehalten, deren Einhaltung sicherzustellen. Für die Kontrolle, dass das Arbeitsgesetz auch wirklich eingehalten wird, sind die kantonalen Arbeitsinspektorate zuständig. Der Bund übt gemäss Art. 42 ArG die Oberaufsicht über den Vollzug aus. Der Bundesrat soll daher das seco beauftragen, die Einhaltung des Arbeitsgesetzes in den Spitälern durchzusetzen.
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt.
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