Transkript
FORTBILDUNG
Wichtige Punkte zum Management bei Epilepsie
Empfehlungen aus der neu angepassten NICE-Guideline
In erster Linie für den Gebrauch im britischen National Health Service (NHS) gedacht, bieten die Guidelines des National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) eine allgemeine Orientierung zur Evidenzlage bei vielen Erkrankungen. Kürzlich wurde die Epilepsie-Guideline aktualisiert.
BMJ
Beim Management von Anfallskrankheiten kommt der antiepileptischen Medikation grosse Bedeutung zu. Das NICE hatte 2004 eine Guideline herausgegeben, bei der einerseits die beste verfügbare Evidenz, andererseits wie bei dieser Institution üblich auch die Kosteneffektivität berücksichtigt wurde. Kürzlich wurde die Leitlinie einem Update unterzogen. Die Autoren der Guideline Development Group (GDG) geben jeweils bei den einzelnen Empfehlungen Evidenzgrade in Klammern an.
Abklärung nach einem ersten Anfall Kinder, Jugendliche und Erwachsene sollten nach einem erstmaligen mutmasslichen Krampfereignis auf Epilepsie gescreent werden. Dies kann durch den Pädiater oder einen Arzt für Erwachsene geschehen, mit anschliessender Überweisung an einen Spezialisten, wenn eine Epilepsie vermutet wird oder ein diagnostischer Zweifel bleibt (Erfahrung oder Meinung der GDG).
Merksätze
❖ Die NICE-Guideline zum Vorgehen bei Epilepsie gibt einfache Empfehlungen zur Diagnostik und zur differenzierten Therapie mit Antiepileptika bei den verschiedenen Epilepsietypen.
❖ First-Line-Medikamente bei fokalen Anfällen sind Carbamazepin oder Lamotrigin und bei generalisierten tonisch-klonischen Anfällen Valproat.
❖ Sind diese ineffektiv oder werden sie nicht vertragen, kommen die weiteren Alternativen als Mono- oder Kombinationstherapie zum Einsatz.
❖ Auch Epilepsiepatienten mit Lernbehinderung oder älteren Anfallskranken steht eine umfassende medizinische und psychosoziale Betreuung zu.
Nach einem ersten Anfall sollten alle Patienten dringend (innert 2 Wochen) von einem Spezialisten beurteilt werden (Evidenz aus Beobachtungsstudien). Falls eine definitive Epilepsiediagnose nicht möglich ist, kommt die Überweisung an ein tertiäres Zentrum in Betracht. In jedem Fall soll für ein Follow-up gesorgt sein (Erfahrung oder Meinung der GDG). Eine Hirnstromuntersuchung mittels 12-Kanal-EEG sollte immer rasch durchgeführt werden. Bei allen Patienten mit Epilepsie ist das MRI das bildgebende Verfahren der Wahl (Evidenz aus Beobachtungsstudien). Ein MRI ist besonders wichtig bei Kindern unter 2 Jahren mit erstmaligem Anfall und bei Erwachsenen, bei Hinweisen auf ein fokales Geschehen (Anamnese, EEG) und wenn Anfälle trotz First-LineMedikation weiterhin auftreten (Evidenz aus systematischen Reviews von Diagnose- und Beobachtungsstudien). Steht die Indikation zum MRI, sollte diese Untersuchung rasch durchgeführt werden (Erfahrung oder Meinung der GDG).
Medikamentöse Therapie Bei der Beratung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Epilepsie ist ein angepasster Beratungsstil wichtig, der es Familienangehörigen und/oder Pflegepersonen erlaubt, als Partner an allen Entscheidungen teilzunehmen. Dabei sind der ethnische und kulturelle Hintergrund sowie spezifische Bedürfnisse zu berücksichtigen (Erfahrung oder Meinung der GDG). Alle Epilepsiepatientinnen und -patienten sollten einen umfassenden Behandlungsplan (comprehensive care) erhalten, der mit Patienten, Angehörigen, Hausarzt und Spezialisten abgestimmt ist (Erfahrung oder Meinung der GDG und Evidenz aus Beobachtungsstudien). Die Behandlungsstrategie mit Medikamenten soll dem Anfallstyp, dem Lebensstil und Lebensalter sowie den Behandlungspräferenzen entsprechen. Bei Carbamazepin sollen Präpärate mit kontrollierter Freisetzung zum Einsatz kommen (Erfahrung oder Meinung der GDG). Bei Behandlungsbeginn ist wenn möglich ein dem Epilepsiesyndrom entsprechendes Antiepileptikum zu wählen. Ist das Epilepsiesyndrom unklar, ist auf den individuell vorliegenden Anfallstyp abzustellen. Entsprechende Hinweise zur Differenzialtherapie nach Anfallstyp gibt die Tabelle. Diese Empfehlung ist neu und basiert auf Expertenmeinung. Die Open-Access-zugängliche Originalarbeit im «BMJ» bringt zusätzlich auch eine tabellarische Darstellung geeigneter medikamentöser Therapien, eingeteilt nach Epilepsiesyndromen, die wir hier nicht wiedergeben.
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FORTBILDUNG
Tabelle:
Medikamentöse Optionen nach Anfallstyp
Anfallstyp
First Line
generalisiert tonisch-klonisch
Carbamazepin, Lamotrigin, Oxcarbazepin, Valproat
tonisch oder atonisch
Absenzen
Valproat
Ethosuximid, Lamotrigin, Valproat
Ergänzung
andere Optionen*
nicht anwenden (kann Anfälle verschlimmern)
Clobazam, Lamotrigin, Levetiracetam, Valproat, Topiramat
Bei Vorliegen von Absenzen oder myoklonischen Anfällen oder bei Verdacht auf eine juvenile myoklonische Epilepsie: Carbamazepin, Gabapentin, Oxacarbazepin, Phenytoin, Pregabalin, Tiagabin, Vigabatrin
Lamotrigin
Rufinamid, Topiramat
Carbamazepin, Gabapentin, Oxcarbazepin, Pregabalin, Tiagabin, Vigabatrin
Ethosuximid, Lamotrigin, Valproat
Clobazam, Clonazepam, Levetiracetam, Topiramat, Zonisamid
Carbamazepin, Gabapentin, Oxcarbazepin, Phenytoin, Pregabalin, Tiagabin
myoklonisch
Levetiracetam,
Levetiracetam, Valproat,
Valproat, Topiramat Topiramat
Clobazam, Clonazepam, Piracetam, Zonisamid
Carbamazepin, Gabapentin, Oxcarbazepin, Phenytoin, Pregabalin, Tiagabin
fokal
Carbamazepin, Lamotrigin, Levetiracetam, Oxcarbazepin, Valproat
Carbamazepin, Clobazam, Gabapentin, Lamotrigin, Levetiracetam, Oxcarbazepin, Valproat, Topiramat
Eslicarbazepin, Lacosamid, Phenobarbital, Phenytoin, Pregabalin, Tiagabin, Vigabatrin, Zonisamid
verlängerte oder Midazolam bukkal, wiederholte Anfälle Diazepam rektal, oder St. epilepticus Lorazepam i.v.
konvulsiver Status epilepticus im Spital
Lorazepam i.v., Diazepam i.v. Midazolam bukkal
Phenobarbital i.v. Phenytoin
refraktärer konvulsiver St. epilepticus
Midazolam i.v., Propofol (nicht bei Kindern), Thiopental
*Bei Überweisung an ein tertiäres Zentrum. Einige der Wirkstoffe hatten im Januar (zum Zeitpunkt des Guideline-Updates) in Grossbritannien (noch) keine Zulassung in gewissen Indikationen.
Fokale Anfälle Zum konkreten Vorgehen stellt die NICE-Guideline in einer neuen Empfehlung fest, dass als Frist-Line-Therapie bei neu diagnostizierten fokalen Anfällen Carbamazepin oder Lamotrigin eingesetzt werden sollen (Evidenz mässiger bis schlechter Qualität aus randomisierten Studien und Kosteneffektivitätsevidenz). Wenn das zuerst gewählte Antiepileptikum ineffektiv ist, sind neben Carbamazepin und Lamotrigin zunächst Levetiracetam, Oxcarbazepin und Valproat weitere Alternativen (Evidenz mässiger bis schlechter Qualität aus randomisierten Studien und Erfahrung oder Meinung der GDG). Wenn ein anderes, gut vertragenes Antiepileptikum zur Anfallskontrolle nicht ausreicht, ist eine Add-on-Medikation zu
erwägen (Evidenz mässiger bis schlechter Qualität aus randomisierten Studien, Kosteneffektivitätsevidenz und Erfahrung oder Meinung der GDG). Als Kombinationspartner bei nicht effektiver oder schlecht vertragener Frist-Line-Medikation nennt die Guideline Carbamazepin, Clobazam, Gabapentin, Lamotrigin, Levetiracetam, Oxcarbazepin, Valproat oder Topiramat (Evidenz mässiger bis schlechter Qualität aus randomisierten Studien, Kosteneffektivitätsevidenz und Erfahrung oder Meinung der GDG). Ist auch eine solche kombinierte Therapie ineffektiv oder wird sie nicht vertragen, sollten in Zusammenarbeit mit oder nach Überweisung an ein tertiäres Zentrum weitere medikamentöse Optionen, etwa Lacosamid, Phenobarbital, Phenytoin, Tiagabin, Vigabatrin oder Zonisamid, evaluiert werden. Beim
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FORTBILDUNG
KOMMENTAR
Dr. med. Thomas Dorn, Zürich
Unpräzise bleibt die Differenzialindikation der Antiepileptika
Die von einer britischen Gruppe von Epilepsieexperten und Gesundheitsökonomen erarbeiteten Richtlinien beschreiben Diagnostik und (medikamentöse) Therapie von Epilepsien auf der Grundlage der vorliegenden wissenschaftlichen Evidenz und auch gesundheitsökonomischer Aspekte. Wo wissenschaftliche Evidenz fehlt – und das ist bei vielen Fragen der Fall – wird der Konsens aus der Expertenrunde formuliert. Somit sind diese Richtlinien keinesfalls immer klar, wissenschaftlich angreifbar und auch nicht ohne Weiteres auf die Schweiz übertragbar, was die folgenden Anmerkungen aufzeigen sollen. Zwar wird bei der Erstdiagnose aufgrund der Tragweite einer Fehldiagnose der rasche Beizug von Experten gefordert, die ätiologische Diagnostik wird aber auf die Bildgebung beschränkt und dabei übersehen, dass es MRI-negative Autoimmunopathien mit epileptischen Anfällen als Leitsymptom gibt, bei denen Antiepileptika wirkungslos, immunologische Therapien einzig Erfolg versprechend sind (1). Die genaue Indikation für ein MRI bleibt dann unklar. Dessen Einsatz erst bei der Diagnose einer Epilepsie zu fordern, erscheint problematisch in all den vielen Fällen, in denen die Anamnese zu einem ersten Anfallsereignis unklar und das EEG unauffällig bleibt und dennoch bei der weiterhin bestehenden Möglichkeit eines epileptischen Ereignisses eine akute zerebrale Erkrankung wie zum Beispiel ein Hirntumor oder eine AV-Malformation mit Blutungsrisiko auszuschliessen ist. Unpräzise bleibt auch die Differenzialindikation der Antiepileptika. Im Text wird nur die im angelsächsischen Raum oft anzutreffende Auswahl anhand des Anfallstyps beschrieben, tabellarisch werden aber dann ohne weiteren Kommentar sowohl eine auf den Anfallstyp als auch eine auf das Epilepsiesyndrom bezogene Auswahl aufgezeigt, was verwirrend ist.
Valproat als Mittel der ersten Wahl bei generalisierten Anfällen zu
fordern, ist vor dem Hintergrund der im Text später selbst von den
Autoren erwähnten (kognitiven) Teratogenität und der bekannten
nachteiligen Effekte dieses Medikamentes auf Körpergewicht und
Endokrinium besonders bei jungen Frauen fragwürdig. Problema-
tisch erscheint auch der Hinweis, dass Levetirazetam aufgrund sei-
nes hohen Preises als wenig effektiv anzusehen ist – ein Hinweis, der
sich aufgrund der mit dem Wegfall des Patentschutzes ergebenden
Preissenkungen erheblich relativiert.
Es wird auch zu wenig deutlich gemacht, dass die Differenzialindika-
tion von Antiepileptika bei individuellen Patienten sich nicht aus
Wirksamkeitsunterschieden ergibt, die bis anhin nur für einzelne
Substanzenpaare oder -tripel mit relativ hoher wissenschaftlicher
Evidenz aufgezeigt wurden, beispielsweise für Carbamazepin, Gaba-
pentin und Lamotrigin (2), sondern vor allem auf Nebenwirkungs-
profil, Komorbiditäten, Lebensalter, Geschlecht, Familienplanung
und auch Handhabung (z.B. der maximal möglichen Aufdosierungs-
geschwindigkeit) gründet (3). Auch die Empfehlungen zu Medi-
kamentenkombinationen sind sehr ungenau und wenig hilfreich: Die
zufolge der Richtlinien mögliche Kombination aus Lamotrigin und
Carbamazepin erweist sich in der Praxis aufgrund der Interaktionen
zwischen beiden Substanzen als nebenwirkungsträchtig und nicht
besser wirksam als die entsprechenden Monotherapien.
Last, but not least überrascht schon sehr, dass beim Versagen von
Pharmakotherapien die Epilepsiechirurgie gar keine Erwähnung
findet (4), stattdessen in dieser Situation nur auf die allenfalls bei
Kindern praktikable und bei bestimmten genetisch bedingten Syn-
dromen durchaus speziell indizierte ketogene Diät (5) hingewiesen
wird.
❖
Referenzen
1. Irani SR, Bien CG, Lang B. Autoimmune epilepsies. Curr Opin Neurol 2011; 24: 146–153.
2. Rowan AJ, Ramsay RE, Collins JF, Pryor F, Boardman KD, Uthman BM, Spitz M, Frederick T, Towne A, Carter GS, Marks W, Felicetta J, Tomyanovich ML; VA Cooperative Study Group 428. New onset geriatric epilepsy: a randomized study of gabapentin, lamotrigine, and carbamazepine. Neurology 2005; 64:1868–1873.
3. Dorn T, Huppertz HJ, Vogt H, Ganz R, Sälke-Kellermann RA, Krämer G. Diagnostik und Therapie von Epilepsien. Schweiz Med Forum 2009; 9: 278–283.
4. Kurthen M, Grunwald T, Huppertz HJ. Präoperative Diagnostik und chirurgische Therapie von Epilepsien. Schweiz Med Forum 2008; 8: 836–843.
5. Klepper J. Glucose transporter deficiency syndrome (GLUT1DS) and the ketogenic diet. Epilepsia 2008; 49 Suppl 8:46–49.
Einsatz von Vigabatrin muss die Risiko-Nutzen-Abwägung wegen möglicher irreversibler Gesichtsfelddefekte sehr sorgfältig erfolgen (Evidenz mässiger bis schlechter Qualität aus randomisierten Studien, Kosteneffektivitätsevidenz und Erfahrung oder Meinung der GDG).
Generalisierte tonisch-klonische Anfälle Hier gilt gemäss einer neuen Empfehlung Valproat als FirstLine-Medikament. Als Alternative kommt Lamotrigin infrage. Myoklonische Anfälle können sich unter Lamotrigin jedoch verschlimmern. Dies gilt auch für die weiteren Alternativen Carbamazepin und Oxcarbamazepin (Evidenz geringer bis schlechter Qualität aus randomisierten Studien und Erfahrung oder Meinung der GDG).
Bei ineffektiver oder nicht verträglicher First-Line-Therapie können Clobazam, Lamotrigin, Levetiracetam, Valproat oder Topiramat als Zusatzmedikation verordnet werden (Evidenz guter bis schlechter Qualität aus randomsierten Studien und Kosteneffektivitätsevidenz). Wenn myoklonische Anfälle fehlen oder wenn Verdacht auf eine juvenile myoklonische Epilepsie besteht, sollen Carbamazepin, Gabapentin, Oxcarbamazepin, Phenytoin, Pregabalin, Tiagabin oder Vigabatrin nicht eingesetzt werden. Dies ist ebenfalls eine neue Empfehlung, basierend auf Expertenmeinung. Die Guideline erinnert auch daran, kontinuierlich und sorgfältig auf Nebenwirkungen der medikamentösen Therapie zu achten, wozu beispielsweise eine Verminderung der Knochendichte und neuropsychiatrische Störungen (Suizidgedanken,
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FORTBILDUNG
Kasten:
Im Text erwähnte Antiepileptika
Carbamazepin Clonazepam Diazepam Eslicarbazepin Ethosuximid Gabapentin Lacosamid Lamotrigin Levetiracetam Lorazepam i.v. Midazolam Oxcarbazepin Phenobarbital
Phenytoin Piracetam Pregabalin Rufinamid Thiopental Tiagabin Topiramat Valproat Vigabatrin Zonisamid
Tegretol® oder Generika Rivotril® Valium® oder Generika Zebinix® (nicht im CH-Kompendium) Petinimid® Neurontin® oder Generika Vimpat® Lamictal® oder Generika Keppra® oder Generika Temesta® Dormicum® oder Generika Trileptal® oder Generikum Aphenylbarbit, Phenobarbital Hänseler, Phenobarbital Bichsel Phenhydan®, Phenytoin Gerot Nootropil® Lyrica® Inovelon® Pentothal® Gabitril® Topamax® oder Generika Convulex®, Depakine® oder Generika Sabril® Zonegran®
suizidales Verhalten) gehören. Die vorhandenen Daten deuten darauf hin, dass das Suizidrisiko bei allen Antiepileptika auftreten kann, sogar schon nach der ersten Therapiewoche (Erfahrung oder Meinung der GDG).
epileptika anspricht, mit der Frage nach der Einleitung einer ketogenen Diät an ein tertiäres Zentrum überwiesen werden sollen (Evidenz geringer bis schlechter Qualität aus randomisierten Studien und Erfahrung oder Meinung der GDG). Bei Epilepsiepatienten, die schon zuvor verlängerte oder serielle Krampfanfälle hatten, sollen im ambulanten Bereich nur bukkal verabreichtes Midazolam oder rektal appliziertes Diazepam eingesetzt werden (neue Empfehlung auf Basis von Expertenmeinungen). Als First-Line-Therapie bei intensivem Krampfgeschehen und Status epilepticus nennen die Guideline-Autoren ebenfalls bukkales Midazolam, rektales Diazepam hingegen nur, wenn dies vorgezogen wird oder Midazolam nicht verfügbar ist. Bestehen jedoch ein venöser Zugang und Reanimationsbereitschaft, kann Lorazepam i.v. verabreicht werden (Evidenz hoher bis schlechter Qualität aus randomisierten Studien). Ebenfalls neu sind die Empfehlungen zu den besonderen Gesichtspunkten der Therapie mit Antiepileptika bei Mädchen und jungen Frauen im gebärfähigen Alter. Die Risiken für Missbildungen und zentralnervöse Entwicklungsstörungen beim Ungeborenen müssen in geeigneter Form angesprochen werden. Die einzelnen Substanzen bergen unterschiedliche Risiken, wobei diese für die neueren Wirkstoffe weniger gut bekannt sind als für die alten. Vor allem bei Valproat in höheren Dosen (> 800 mg/Tag) und bei Kombinationstherapien, die Valproat enthalten, besteht ein höheres Schädigungsrisiko (Evidenz geringer bis schlechter Qualität aus systematischen Reviews von Kohortenstudien und Registerdaten sowie Erfahrung und Meinung der GDG). Spezifisch muss mit Mädchen und Frauen, die Lamotrigin einnehmen, darüber diskutiert werden, dass östrogenbasierte Kontrazeptiva die Lamotriginspiegel senken und erneute Anfälle auslösen können. Bei Beginn oder Ende einer hormonellen Kontrazeption sind unter Umständen LamotriginDosis-Anpassungen notwendig. Schliesslich erinnert die NICE-Guideline daran, Epileptiker mit Lernbehinderungen ebenso wie alte Menschen mit Epilepsie nicht zu diskriminieren und ihnen dieselben Hilfestellungen, diagnostischen Abklärungen und Therapien zukommen zu lassen wie allen anderen Anfallskranken. ❖
Halid Bas
Spezielle Situationen Als neue Empfehlung erwähnt die NICE-Guideline, dass Kinder und Jugendliche, deren Epilepsie nicht adäquat auf Anti-
Vanessa Delgado Nunes et al.: Diagnosis and management of epilepsies in adults and children: summary of updated NICE guidance. BMJ 2012;344:e281
Interessenkonflikte: keine deklariert
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