Transkript
EDITORIAL
Zurzeit beugt sich die Schweizer Politik immer wieder über ein Präventionsgesetz. Verbunden mit diesem
Bestreben sind die in gesundheitspolitischen Diskussionen geläufigen Schlagworte: «bessere Aufgabenteilung», «höhere Effizienz» und «langfristige Kosteneinsparungen» (schliesslich verursacht jemand, der nicht krank wird, keine Kosten im Vergleich zu jemand, der erkrankt). Unter Experten (und nicht nur unter denen, die in irgendeiner Form daran verdienen) gelten die Demenzerkrankungen als die künftige ganz grosse Herausforderung unserer alternden Gesellschaft. Hier wäre mit Vorbeugung viel Lebensqualität für alle zu holen, und es wären enorme Kosten einzusparen – wenn man denn wüsste, wann diese Prävention beginnen und wie sie aussehen müsste.
abnahmen, mit einer rascheren Abnahme bei den initial schon älteren Teilnehmern. Als weitere Aussage ergab sich, dass die Querschnittdaten im Vergleich zu den Längsschnittdaten den Einfluss des Alters auf die kognitive Abnahme besonders bei Frauen überschätzten, da hier historische Unterschiede in der schulischen Herkunft die Scores stark beeinflussten. Als besonders wichtig erachten die Autoren den Befund, dass die Abnahme der kognitiven Funktionen schon in der jüngsten hier untersuchten Teilnehmergruppe mit 45 bis 49 Jahren eindeutig nachweisbar ist. Dieser Punkt ist vorderhand noch Gegenstand der wissenschaftlichen Debatte. Es gibt etliche, allerdings ungleich kleinere Untersuchungen, die bis zum Alter von 60 Jahren keinen kognitiven Niedergang nachweisen konnten. Ihre Resultate könnten mit den kleinen Zahlen zusammenhängen. Wie die Verhältnisse nun wirklich liegen, bleibt weiterhin eher unsicher, da sich die bei den Teilnehmern der Whitehall-Studie – staatlichen Büroangestellten mit entsprechendem sozio-
Wann fängt Demenz an?
Zum ersten Punkt ist kürzlich eine bemerkenswerte Studie erschienen. Sie legt nahe, dass der zunehmende Verlust in fast allen kognitiven Domänen (mit Ausnahme des sprachlichen Vokabulars das vom Älterwerden unbeeinflusst bleibt) schon im mittleren Alter – konkret mit 45 bis 49 Jahren – evident nachzuweisen ist. Die britischen Autoren führten mittels der Daten der grossen Whitehall-II-Untersuchung eine prospektive Kohortenstudie durch. Das ausgewertete Teilkollektiv umfasste 5198 Männer und 2192 Frauen, die beim Beginn der kognitiven Tests zwischen 45 und 70 Jahre alt waren und 10 Jahre lang verfolgt wurden. Während dieses Zeitraums erfolgten noch zwei weitere Abklärungen für Gedächtnis, logisches Denken, Vokabular sowie phonemische und semantische Geläufigkeit. Die longitudinale Beobachtung zeigte, dass über den 10-Jahres-Zeitraum die Scores in allen Altersgruppen
ökonomischem Status und Bildung sowie zu zwei Dritteln Männer – erhobenen Daten nicht auf andere Populationen übertragen lassen. Für die weitere Forschung dürften die Resultate jedoch wichtige Fingerzeige geben: Wenn man mehr über die spätere Demenz wissen will, muss man viel früher zu suchen anfangen als bisher. Und eine wie auch immer geartete Prävention müsste viel eher einsetzen.
Halid Bas
Archana Singh-Manoux et al.: Timing of onset of cognitive decline: results from Whitehall II prospective cohort study. BMJ 2012; 344:d7622 doi: 10.1136/bmj.d7622
ARS MEDICI 8 ■ 2012 353