Transkript
FORTBILDUNG
Notfall «Rotes Auge»
Was kann der Hausarzt tun?
Das «Rote Auge» als auffälligstes sichtbares Symptom in der Ophthalmologie hat viele Ursachen. Die vorliegende Übersicht soll jedem Arzt helfen, die richtige diagnostische und therapeutische Weichenstellung einzuleiten. Dringliche Notfälle müssen von weniger zeitkritischen Erkrankungen abgegrenzt werden. Zudem gilt es zu entscheiden, welche Patienten augenfachärztlich zu behandeln sind und welche in der eigenen allgemeinärztlichen Praxis betreut werden können.
MATTHIAS KLOPFER UND AHARON WEGNER
der dort befindlichen, vor allem konjunktivalen Gefässe und/ oder aus der Einblutung von diesen Gefässen ins Gewebe. Eine ausgeprägte Rubeosis iridis oder sogar eine Einblutung in die Vorderkammer (also vor die Iris) ist zwar auch mit dem blossen Auge erkennbar, imponiert bei normaler Beleuchtung aber weniger rot als vielmehr dunkel (Abbildung 1). Auch die vermehrte Reflexion des Augenhintergrundrots unter orthogonalem Lichteinfall beim Albinismus lässt nur die Pupille und die Iris bei genauer Inspektion röter erscheinen und zählt nicht zum Formenkreis des «roten Auges» (Abbildung 2). Die diagnostische Einordnung beim «Roten Auge» fällt durch die Zusatzsymptomatik beziehungsweise die Anamnese deutlich leichter.
«Rotes Auge» bedeutet Rötung dessen, was normalerweise als weiss imponiert. Dazu gehören die weisse Lederhaut (Sklera), die sehr dünne, fast durchsichtige Episklera, die zumindest in jungen Jahren noch bis zur Hornhautgrenze (Limbus) reichende milchig weisse Tenon’sche Membran, und schliesslich die semitransparente, milchig trübe Bindehaut (Konjunktiva). Letzte geht alleine in der Umschlagfalte (Fornix) von der bulbären in die tarsale Bindehaut über und imponiert dann rosa. Die vermehrte Rötung dieser weissen (bulbären) Schichten resultiert ausnahmslos aus der Erweiterung
Merksätze 1
❖ Das «Rote Auge» ist deshalb ein so empfindlicher Indikator, weil bereits eine geringe Gefässdilatation vor dem weissen Hintergrund deutlich erkennbar wird.
❖ Pupillenstörungen bei rotem Auge weisen auf eine schwerwiegende Affektion des Augeninneren hin und bedürfen immer der eingehenderen Abklärung durch den Augenarzt und gegebenenfalls durch den Neurologen.
❖ Schmerzen, Sehverschlechterung und Transparenzverlust zeigen die Hornhautmitbeteiligung an und erfordern die rasche Überweisung zum Augenarzt.
❖ Schmerz, Blendung und Pupillenveränderungen weisen auf eine Iritis hin. Sie muss augenfachärztlich behandelt werden. Allgemeinfachärztlich ist die Abklärung assoziierter Erkrankungen indiziert.
Anamnese Anamnestisch lassen sich in der Regel alle exogenen Noxen (Verätzung, Fremdkörper, Verblitzung) bis hin zu Anwendung äusserer Gewalt (Bulbustrauma) eruieren, auch wenn die Verblitzung und der Hornhautfremdkörper erst mit stundenlanger Latenz klinisch apparent werden können (1). Die Frage nach handwerklichen Tätigkeiten (Fräsen, Bohren, Schleifen, Sägen oder Ähnlichem), nach Tragen von Kontaktlinsen oder nach UV-Belastung (Schweissen, Sonnenexposition) ist oft zielführend. Der lokale Kontakt mit Substanzen aller Art (z.B. Medikamente, Kosmetika) weist auf Reizungen, Verätzungen oder Allergien hin.
Schmerzen Die Hornhaut ist dicht sensibel innerviert, deutlich weniger die Bindehaut und wenig die Sklera (2). Dabei korreliert aller klinischen Erfahrung nach der Hornhautschmerz mehr mit der betroffenen Fläche als mit der Tiefe der Verletzung. Immer kann er durch Gabe anästhesierender Augentropfen (z.B. Oxybuprocain-HCl [Novesin® 0,4% Augentropfen, Oxybuprocaine 0,4% SDU Faure als Einzeldosis]) augenblicklich unterbunden werden. Augenschmerzen sind ein äusserst unzuverlässiger Indikator für die Schwere der Erkrankung: Während grosse, aber oberflächige Hornhautepithelläsionen (z.B. Stippung) massivste Schmerzen mit Lidkrampf (Blepharospasmus) auslösen können, können eine tiefgreifende umschriebene perforierende Hornhaut-Iris-Linsen-Netzhautverletzung oder massive, besonders rezidivierende Augeninnendrucksteigerungen auch ohne nennenswerte Schmerzen einhergehen! Die Gabe von Lokalanästhetika hilft aber ungemein, Hornhautaffektionen von anderen zu differenzieren.
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Abbildung 1: Hyphaema nach Contusio bulbi
Abbildung 2: Albinismus
Abbildung 3: Verätzung mit grosser Erosio corneae et conjunc-
tivae (mit Fluoreszein angefärbt)
Copyright alle Fotos: Matthias Klopfer
Pupillenveränderungen Anders verhält es sich bei assoziierten Pupillenstörungen wie Entrundung, Dezentrierung (Korektopie), Reaktionsstörungen oder Grössenunterschied (Anisokorie), weil hier immer eine Betroffenheit der Iris mit den beiden Effektoren (M. sphincter und M. dilatator pupillae) vorliegt. Diese kann Ausdruck eines Traumas (Sphinkterriss nach Augapfelprellung, ungedeckte und gedeckte perforierende/penetrierende Augapfelverletzung, Lähmung des Sphinkters bei Glaukomanfall oder Reizmiosis bei intraokularer Entzündung) sein. Derartige Pupillenbeteiligungen geben immer Anlass (übrigens auch ohne rotes Auge) zu weiteren augenärztlichen und dann gegebenenfalls neuroradiologischen Abklärungen (Spaltlampenuntersuchung und pharmakodynamische Pupillentestung, ggf. MRI).
Ein- beziehungsweise Beidseitigkeit Nur wenige mit Rötung einhergehende Augenerkrankungen führen zur stringenten ein- oder beidseitigen Betroffenheit: Dazu gehören die Verblitzung (in der Regel bilateral) (1), die Allergien (bilateral, weil das Allergen in der Regel in beide Augen gelangt) und der Glaukomanfall (einseitig). Der simultane bilaterale Glaukomanfall ist eine Rarität, das zweite Auge folgt aber oft mit einer Latenz von Wochen bis Monaten, weshalb auch an diesem Auge prophylaktische Massnahmen getroffen werden (Laser-Iridotomie) (3). Eine Iritis (autoimmun) zeigt sich häufig einseitig auch als Rezidiv (4). Dagegen müssen noch so infektiöse Entzündungen (z.B. Keratokonjunktivitis epidemica) nicht unbedingt beidseitig ablaufen. Die Regel ist sogar die Einseitigkeit bei Erkrankungsbeginn. Auch stauungsbedingte Rötungen bei endokriner Orbitopathie laufen unterschiedlich ab. Andere mit einer Stauung einhergehende Erkrankungen wie retrobulbäre Neoplasien und Sinus-cavernosus-Erkrankungen machen sich in der Regel einseitig bemerkbar (5).
Merksätze 2
❖ Leichte «Verätzungen» mit nur fluoreszeinpositiver Stippung bei gleichmässiger Augenrötung dürfen nach Spülung durchaus vom Allgemeinarzt mit einem antibiotischen Augensalbenverband behandelt werden.
❖ Die Schmerzen (Fremdkörpergefühl) und die Rötung der Bindehaut bei einem Fremdkörper korrelieren nicht direkt mit der Schwere der Verletzung.
❖ Diagnostisch wegweisend bei der Verblitzung sind die Anamnese und Schmerzfreiheit nach Gabe eines Lokalanästhetikums, welches aber wegen der Epithelschlussstörung und erhöhten Verletzungsgefahr nur als Diagnostikum und nicht als Therapeutikum eingesetzt werden darf.
❖ Der Glaukomanfall ist durch Palpation leicht zu diagnostizieren, akut durch jeden Arzt anzubehandeln (Acetazolamid 500 mg i.v.) und dann augenfachärztlich weiterzuversorgen.
Sehminderung Sehminderung kann prinzipiell nicht nur Reduktion der Sehschärfe bedeuten, sondern auch Gesichtsfelddefekte, Verzerrtsehen (Metamorphopsien) und weitere Irritationen (z.B. erhöhte Blendempfindlichkeit). Die isolierte Affektion der Bindehaut oder der Sklera wirkt sich primär nicht sehmindernd aus. Ursache für eine Sehminderung im Rahmen eines roten Auges ist erst der Transparenzverlust der klaren Medien (Tränenfilm, Hornhaut, Vorderkammer, Linse, Glaskörper), wie zum Beispiel durch nummuläre Hornhauttrübungen bei der Keratokonjunktivitis epidemica, durch Hornhautödem bei akutem Glaukom und durch Vorderkammer- wie Glaskörpertrübungen bei Endophthalmitis (Entzündungszellen) oder bei Augapfelprellungen (Einblutung).
I. Rotes Auge und Trauma Wegweisend und einfach über die Anamnese zu eruieren ist die Ursache des roten Auges bei exogenen Noxen, gerade aber für den Nicht-Augenarzt ist die Schwere der Schädigung oft kaum abschätzbar.
Verätzung Die starken Schmerzen bis hin zum Blepharospasmus stehen im Vordergrund, sodass zunächst das Rote Auge maskiert
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Abbildung 4: Notfallset: Mit Kompressen die Lidregion trocknen, damit sich die Lider initial passiv öffnen lassen, dann sofort mit Diphotérine® spülen. Erst im Verlauf der Spülung mehrmals lokalanästhesierende Augentropfen geben.
Abbildung 5: Kalkverätzung mit Transparenzverlust der Hornhaut und teils schlecht perfundiertem Randschlingennetz mit Bindehautschwellung (Chemose).
Sind nur kleine Erosionen (punktuelle Stippungen) nach Kontakt zum Beispiel mit milden Detergenzien erkennbar, spricht nichts gegen eine allgemeinärztliche Weiterbehandlung mit einem antibiotischen Augensalbenverband (z.B. Ofloxacin als Floxal® Augensalbe), unter dem die Schmerzen innerhalb von Stunden abklingen. In diesem Fall ist trotz des Oberflächendefekts sogar die Beigabe von antiphlogistisch wirkendem Kortison (am besten als Kombinationspräparat, z.B. Dexagenta-POS®) erlaubt. Andernfalls oder bei grösseren Epitheldefekten (Erosionen bis zur [sub]totalen Erosio corneae) ist die augenärztliche Weiterbehandlung erforderlich (Abbildung 3). Bewährt haben sich dabei Tetrazykline (topisch oder bei schweren Verätzungen auch systemisch – zum Beispiel Doxycyclin 2 × 100 mg/Tag) mit Vitamin C –, weil sie zusätzlich inhibitorisch auf entzündungssteigernde Kollagenasen wirken (18). Die Bindehautrötung ist hier besonders wegweisend: Sie kann umgekehrt proportional zur Schwere der Verätzung eingeordnet werden. Eine maximale, aber gleichmässig verteilte Gefässdilatation weist zwar auf eine massive Bindehautreizung hin, beweist aber zugleich die intakte konjunktivale Perfusion (bessere Prognose). Dagegen weisen umschriebene weisse Bindehautareale eher auf eine Perfusionsstörung hin mit drohender Nekrosenbildung und der Notwendigkeit der operativen Entfernung (Peridektomie, Wunddébridement). Auch das massive Anschwellen der Bindehaut (Bindehautödem, Chemose) führt oft zu einem Erblassen des Auges mit der Notwendigkeit der Bindehautschlitzung (Peridotomie) (Abbildung 5).
Abbildung 6: Hornhautfremdkörper
bei einem Kind (in Narkose und mit Lidsperrer).
bleibt. Erstmassnahme ist die passive Lidöffnung und das sofortige und ausgiebige (mindestens ein Liter) Spülen des/der betroffenen Auges(n), um das toxische Agens zu verdünnen. Deshalb ist es zunächst von untergeordneter Bedeutung, womit gespült wird. Hier sind den Umständen entsprechend alle Flüssigkeiten erlaubt, sofern sie nicht selbst das Auge angreifen (z.B. Wasser, physiologische Kochsalzlösung, nicht heisse Getränke). Die Spülung wird dann vom Ophthalmologen mit puffernden, hypertonen Lösungen (bewährt hat sich das hypertone, polyvalente und phosphatfreie Diphotérine®, Abbildung 4) so lange fortgesetzt, bis pH-Neutralität im Bindehautsack erreicht ist (Lackmuspapier) (6). Erst nach der initialen Spülung beginnt die Schadensanalyse: Mit Fluoreszein und Lokalanästhetikum (zuerst Oxybuprocain, dann Fluorescéine 0,5 % SDU Faure) und dem Blaulicht des direkten Ophthalmoskops lassen sich Epitheldefekte farblich (gelb-grün) auch durch den Allgemeinarzt darstellen.
Hornhaut-Bindehaut-Fremdkörper Die Anamnese ist wegweisend. Die Kausalität wird oft vom Patienten selbst hergestellt. Wichtig ist die Frage nach handwerklichen Tätigkeiten und nach dem bearbeiteten Werkstoff. Mindestens organisches Material (z.B. Pflanzenteile) sollte an die Überprüfung des Tetanusschutzes denken lassen. Die Schmerzen (Fremdkörpergefühl) und die Rötung der Bindehaut korrelieren nicht direkt mit der Schwere der Verletzung! Im Gegenteil: Oberflächliche Hornhaut- beziehungsweise subtarsal gelegene Fremdkörper (schleifen bei jedem Lidschlag über die Hornhaut) begründen oft mit der Verweildauer proportional grössere, bis zum Blepharospasmus führende Schmerzen und stärkere Rötungen als durchschlagende und dann intraokulare Fremdkörper, die dann je nach Keimspektrum und Material erst nach Stunden bis Tagen ihre verheerende Wirkung entfalten (Endophthalmitis, Chalcosis [Kupfer], Siderosis [Eisen]). Es ist Aufgabe auch des Allgemeinarztes, zumindest oberflächliche Fremdkörper zu erkennen und den Patienten schnell von diesen und seinen Schmerzen zu befreien: Lokalanästhetika helfen sowohl bei der pathogenetischen Einordnung (Hornhautschmerz verschwindet sofort) als auch bei der weiteren Inspektion (kein Blepharospasmus mehr). Bei den mit blossem Auge erkennbaren punktuellen Fremdkörpern darf man versuchen, sie mit stumpfem Instrumentarium (z.B. steriler Watteträger) herauszustreifen (7). Verbleiben zentrumnahe Rosthöfe (oft bei eisenhaltigen Fremdkörpern) oder gelingt die Entfernung damit nicht, ist die Weiterbehandlung an der Spaltlampe mit «Meissel und Fräse» durch den Augenarzt indiziert.
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Abbildung 7: Contusio bulbi mit Hyposphagma, wegweisend für die Gewalteinwirkung sind ausserdem die Wundkrusten und das angedeutete Lidhämatom.
auf eine Motilitätsstörung (Muskeleinblutung, -inkarzeration bei Orbitafraktur).
II. Spontan rotes Auge Die Diagnose beim spontan auftretenden roten Auge wird im Wesentlichen über die Begleitsymptomatik gestellt und differenziert.
Abbildung 8: V.a. Viruskeratokonjunktivitis, Hornhautnummuli sind erahnbar
Wird primär kein Fremdkörper gefunden, empfehlen sich Fluoreszein-Augentropfen und Blaulicht: Durch spontan abgegangene Fremdkörper hervorgerufene Erosionen lassen sich ebenso anfärben wie anfärbbare Kratzspuren einen subtarsalen Fremdkörper verraten. Dann sollte mit einem Watteträger einfach ektropioniert werden und der Fremdkörper mit diesem herausgestreift werden (Abbildung 6). Ein antibiotischer Augensalbenverband führt in der Regel zur raschen Beschwerdeabnahme innerhalb von Stunden, während die Rötung erst nach Tagen abklingt.
Verblitzung (Keratokonjunktivitis photoelectrica) Epithelschäden der Hornhaut und Bindehaut durch UVStrahlung (Schweissen, Sonnenexposition) sind grossflächig und bilateral und daher äusserst schmerzhaft, aber meist erst nach einer Latenz von bis zu acht Stunden (1). Der Blepharospasmus «maskiert» zunächst die konjunktivale Injektion. Für temporäre Schmerzfreiheit sorgt die Gabe eines Lokalanästhetikums zur gleichzeitigen Diagnostik: Wiederum hilft das Anfärben mit Fluoreszein, auch wenn die meist feine Hornhautstippung wohl für den Nicht-Augenarzt nur mit einem Vergrösserungsglas erkennbar wird. Linderung innerhalb von Stunden schafft ein antibiotischer Augensalbenverband auf beiden Augen (Begleitperson notwendig).
Augapfelprellung Ursache für die Contusio bulbi ist in der Regel stumpfe Gewalt (Faust, Sektkorken, Tennisball oder Ähnliches). Meist sind die Lider mit Schwellung und Einblutung (Lidhämatom) mitbetroffen. Die Rötung erklärt sich nicht nur aus der traumatischen Reizung (konjunktivale Gefässdilatation), sondern oft zusätzlich aus der Einblutung in und unter die Bindehaut (Hyposphagma, Abbildung 7). Sie ist ebenfalls kein zuverlässiger Parameter für die Verletzungsschwere. Selbst bei initial guter Sehkraft können weitreichende, sogar erblindungsrelevante Schäden bereits eingetreten sein (gedeckte Bulbusruptur, Netzhautrisse, Augeninnendruckanstieg, Kontusionskatarakt, Orbitafraktur, Optikuskontusion) (19). Durch einfache Inspektion erkennbar und prognostisch ungünstiger sind hierbei Pupillenverziehungen (z.B. als Hinweis auf einen Sphinkterriss oder eine gedeckte Perforation) oder Lidhämatome (Monokelhämatom) mit Diplopie als Hinweis
Hyposphagma Die Unterblutung der bulbären Bindehaut (Hyposphagma) kann hingegen alleine schon durch den Aspekt diagnostiziert werden. Schmerzlos überraschen sie den Patienten beim Blick in den Spiegel wegen ihres tiefroten, flächigen scharf umgrenzten Auftretens (Abbildung 7). So dramatisch dies empfunden wird, so harmlos sind Hyposphagmata für das Auge selbst. Die zugrunde liegende Ursache dagegen kann lebensbedrohlich sein. Zuerst ist nach einer arteriellen Hypertonie (z.B. nächtliche hypertensive Krisen) und nach Gerinnungsstörungen zu fahnden (z.B. Antikoagulanzienüberdosierung) (8). Auch die Frage nach temporären Blutdruckschwankungen (extreme Anstrengungen, Husten-, Niesanfall) beziehungsweise zunächst unbemerkten mechanischen Irritationen (Reiben am Auge) macht Sinn (zunächst nicht erinnerliche exogene Faktoren). Hyposphagmata resorbieren sich selbst in ein bis zwei Wochen und bedürfen nur bei starker Ausprägung (Schwellung mit Lidschluss- und Benetzungsstörung) einer hornhautpflegenden Therapie (Tränenersatzmittel, pflegende Augengele beziehungsweise Salben wie z.B. Corneregel EDO® bzw. Bepanthen® Augensalbe [nicht im CH-Kompendium]), in Einzelfällen einer operativen Entlastung.
(Kerato-)Konjunktivitis Isolierte Bindehautentzündungen imponieren primär mit Rötung (Gefässdilatation, seltener Hämorrhagien) und Sekretion (putride, wässrig, schleimig), nicht mit Schmerz. Eitrige Sekretionen oder Krustenbildungen weisen auf die bakterielle Genese beziehungsweise Mitbeteiligung hin (Superinfektion), weshalb auch bei primär viraler Genese eine lokale antibiotische Therapie indiziert ist (Prophylaxe). Wässrige Sekretion spricht eher für die virale Genese, eitrige schliesst dagegen eine (superinfizierte) Viruserkrankung nicht aus. Initial muss kein Abstrich genommen werden, erst bei Erfolglosigkeit der Therapie. Je mehr Schmerzen (Brennen, Fremdkörpergefühl, Trockenheitsgefühl) und Sehstörungen (Sehverschlechterung, Photophobie) hinzukommen, desto wahrscheinlicher wird die Beteiligung der Hornhaut (Keratokonjunktivitis oder Keratitis mit Begleitkonjunktivitis). Typisch ist dies bei der hochansteckenden Keratokonjunktivitis epidermica (KCE), einer Adenovirusinfektion, die häufig mit Hornhautoberflächendefekten (Stippung) und protrahiert mit runden Hornhauttrübungen (Nummuli) einhergeht (Abbildung 8) (9). Wegweisend sind die Schwellung der Karunkel und der präaurikulären Lymphknoten, nicht selten im Rahmen eines grippalen Infekts (10). Neben peinlicher Hygiene (Desinfektion von Personal und Praxisräumen, Krankschreibung für zwei Wochen, Meldepflicht) wird man trotzdem die Überweisung des Patienten zum Augenarzt veranlassen. Die Therapie beschränkt sich meist auf die Gabe lokaler Antibiotika und benetzender Präparate.
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Abbildung 9: Allergische Kontaktdermatitis
Abbildung 10: Glaukomanfall mit verwaschener Iriszeichnung und Hornhautödem
Hornhautinfektionen, meist mit Begleitreizung der Bindehaut (rotes Auge), treten sehr schmerzhaft bei Akanthamöbenbefall (90% Kontaktlinsenträger!), schmerzhaft bei herpetischer (trotz Hypästhesie!) und merklich schmerzhaft bei bakterieller Genese auf (11, 12). Neben den Schmerzen sind vor allem Hornhauttrübungen (Infiltrate, Ödem, Narbenbildung, Ulcera bis hin zur Perforation) mit entsprechender Sehstörung (vor allem Photophobie, dann Visusminderung) diagnostisch wegweisend und als absolute Alarmsymptome zu werten. Das weitere Fortschreiten der Infektion führt zur Eiterbildung in der Vorderkammer, meist als Hypopyon (Eiterspiegel), und zur Gefährdung des Auges. Die häufigste Irritation der Hornhaut stellt, mit allerdings meist geringer Rötung der Bindehaut, die Trockenheit der Augen dar (Hornhautstippung, spontanes Fremdkörpergefühl). Vor allem ältere Personen und mehr Frauen sind betroffen und wenden sich oft schon an den Hausarzt. Ein Therapieversuch mit Tränenersatzmittel (z.B. Oculotect® Gel, Vismed® light) darf auch vom Allgemeinarzt initiiert werden. Bei Beschwerdepersistenz ist eine differenzierte augenärztliche Untersuchung des Lidrands und des Tränenfilms mit entsprechender Therapie wie Lidrandhygienemassnahmen, individuell abgestimmtre Tränensubstitution mit dickflüssigeren (z.B. Vismed® gel) oder besonders die Fettphase unterstützenden Medikamenten (z.B. Tears Again® Augenspray) notwendig. Abzuraten ist von den sogenannten Weissmachern (Vasokonstringenzien), die das Symptom Rötung (vorübergehend) unterdrücken, dann aber exazerbieren lassen können und nicht ursächlich angreifen. Die allergische Konjunktivitis tritt nur scheinbar spontan auf, nämlich dann, wenn das auslösende Allergen noch nicht bekannt ist. Sie betrifft beide Augen und verrät sich durch Pruritus und die meist stärkere Bindehautschwellung (Ödem, Chemose) und -rötung sowie gerade bei Kontaktekzemen durch die Lidbeteiligung (Abbildung 9) (13). Eine symptomatische Therapie mit konservierungsmittelfreien lokalen Antihistaminika (z.B. Zaditen® SDU) darf begonnen werden, die Gabe steroidaler Augentropfen sollte wegen der Nebenwirkungen (z.B. Augeninnendruckerhöhung vor allem bei Kindern) dem Augenarzt, dagegen die ätiologische Abklärung dem Hausarzt, Allergologen oder gar Dermatologen vorbehalten bleiben.
Iritis Iritiden treten in der Regel einseitig auf. Die klinische Erfahrung lehrt, dass die Art der Rötung (ziliare, konjunktivale oder gemischte Injektion) zu unzuverlässig ist, eine Iritis sicher ein- oder auszuschliessen. Diagnostisch wegweisend sind die Begleitsymptome wie Schmerz, Sehverschlechterung und Pupillenveränderungen. Die Ausschüttung von Entzündungszellen in die Vorderkammer führt zur Trübung (Tyndalleffekt), die sich für den Patienten in einer Sehverschlechterung (vor allem Photophobie), seltener für den Untersucher in einer verwaschenen Iriszeichnung äussert. Die Begleitreizung des stärkeren M. sphincter pupillae bedingt die Reizmiosis (Anisokorie). Bei Fortdauer der Entzündung verklebt die Iris mit der Linsenvorderfläche (hintere Synechie): Die Pupille reagiert nicht oder kaum und kann entrunden (z.B. kleeblattförmig). Im Extremfall gelangt kein Kammerwasser mehr in die Vorderkammer (Pupillarblock durch Seclusio oder Membranbildung = Occlusio pupillae). Unbehandelt (lokal Mydriatika und Steroide) sind daher massive Komplikationen (Sekundärglaukom, Cataracta complicata, Rubeosis iridis, Hornhautdegeneration, Makulaödem) zu erwarten, weshalb eine augenfachärztliche Betreuung obligat ist. Die Ätiologie ist nicht selten unklar (idiopathisch), oft autoimmun, selten infektiös (z.B. Tuberkulose, Herpes, Borreliose, Toxoplasmose, Syphilis) (14). Die Iritis veranlasst insbesondere beim Rezidiv den Augenarzt, gemeinsam mit dem Hausarzt nach assoziativen Erkrankungen (Sarkoidose, Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis) zu suchen. Als Begleitiritis tritt sie auch im Rahmen von intraokularen Operationen, Hornhautaffektionen (z.B. Infektion) oder schwereren Traumata auf. Spätestens nach einem Rezidiv steht die Abklärung assoziierter Erkrankungen zum Beispiel aus dem rheumatischen Formenkreis an.
Glaukomanfall Der akute Augeninnendruckanstieg (Pupillar- und Kammerwinkelblock) auf Werte von bis zu 70 mmHg tritt einseitig auf und ist von Schmerzen und Sehverschlechterung begleitet (15, 16). Er ist zunächst durch das Hornhautödem, dann durch den Sehnervenschaden gekennzeichnet. Die Pupille wird nicht unbedingt sehr weit, aber schliesslich lichtstarr (Abbildung 10). Verschleiernd können das Ausstrahlen der Schmerzen in die Periorbital- bis hin zur gesamten Kopfregion und die vegetative Begleitsymptomatik (erhöhter Vagotonus mit Übelkeit, Erbrechen und Kreislaufstörungen) wirken. Diagnostisch entscheidend ist aber der für jeden Arzt palpatorisch durch die Lider hindurch fühlbare zu hohe Augeninnendruck (steinharter Bulbus) gerade im Seitenvergleich. Er berechtigt immer – also jeden Arzt – zur sofortigen Gabe des drucksenkenden Carboanhydrasehemmers Acetazolamid (500 bis 1000 mg i.v.), um eine Erblindung aufgrund des in Stunden eintretenden irreversiblen Sehnervschadens zu verhindern. Die Überweisung in die Augenklinik folgt sofort. Nach ausreichender Drucksenkung, auch mit lokalen Betablockern, wird die ischämische Lähmung des M. sphincter pupillae aufgehoben. Erst dann macht auch die Gabe eines lokalen Parasympathomimetikums als Miotikum (Pilocarpin Augentropfen 0,5%) Sinn, wenn zudem ausgeschlossen ist, dass kein Neovaskularisationsglaukom (dann gegenteilige
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Lokaltherapie mit Atropin) vorliegt (16). Die weitere Therapie ist immer operativ (Laseriridotomie oder chirurgische Iridektomie an beiden Augen und gegebenenfalls bei dicker Linse eine Kataraktoperation).
Schmerzen sollten Anlass zur Überweisung an einen Augenarzt geben. Die Assoziation zu allgemeinen Autoimmunerkrankungen (z.B. M. Bechterew, rheumatoide Arthritis, Vaskulitiden etc.) mahnt zur allgemeinärztlichen Abklärung. ❖
(Epi-)Skleritis Charakteristisch ist die Art der Rötung (umschrieben, segmental) in Verbindung mit leichten, eher nur Druckschmerzen (Episkleritis) beziehungsweise dumpfen Spontanschmerzen (Skleritis) (17). Ein Therapieversuch mit lokalen nichtsteroidalen Antiphlogistika (z.B. Voltaren® CD) soll gestartet werden. Die vordere Skleritis zeigt nicht immer die isolierte umschriebene Rötung, sondern auch eine diffuse Ausbreitung, teils mit umschriebener (gelber, roter, blauer) Schwellung (noduläre Form). Blaue flächige Verfärbungen weisen auf eine (chronische) Skleromalazie hin (17). Die stärkeren
Dr. med. Matthias Klopfer Dr. med. Aharon Wegner Augenklinik rechts der Isar der Technischen Universität München D-81675 München
Interessenkonflikte: keine
Literatur unter www.allgemeinarzt-online.de/downloads
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 13/2011. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor.
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