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BERICHT
Orale Antikoagulation mit direkten Faktor-Xa-Hemmern
Neues Wirkprinzip in der Prophylaxe gegen venöse Thromboembolien
56. Jahrestagung der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH) Satellitensymposium von Daiichi-Sankyo Deutschland GmbH: «Orale Antikoagulation mit direkten Faktor-Xa-Inhibitoren: Was bringt die Zukunft?» 2. Februar 2012 in St. Gallen
Zur Prophylaxe und Behandlung venöser Thromboembolien werden grosse Hoffnungen auf neue orale Antikoagulanzien wie Edoxaban gesetzt.
CLAUDIA BORCHARD-TUCH
Die venöse thromboembolische Erkrankung tritt typischerweise in Form einer Beinvenenthrombose und/oder Lungenembolie zum Vorschein. Abhängig von der Empfindlichkeit der Untersuchungsverfahren können bei über 80 Prozent aller Fälle von Lungenembolie die ursächliche Beinvenenthrombose und bei bis zu 60 bis 70 Prozent aller Fälle von Beinvenenthrombose eine meist asymptomatische Lungenembolie diagnostiziert werden.
die Häufigkeit und das Ausmass von Embolien, wenn die Thrombenbildung begünstigt wird, sei es durch Gefässwandschäden, eine verlangsamte Blutströmung oder eine beschleunigte Gerinnung.
Vitamin-K-Antagonisten erfordern ständige Kontrolle Herkömmliche Therapie und Prävention einer venösen Thromboembolie (VTE) mit Heparinen und den VitaminK-Antagonisten (VKA) sind mit Nachteilen verbunden. Zwar wirken Heparine sofort. Sie müssen jedoch parenteral appliziert werden und können eine heparininduzierte Thrombozytopenie (HIT) auslösen. VKA werden zwar oral eingenommen, wirken aber erst nach 1 bis 3 Tagen. Da die erforderliche Dosis stark variiert und zahlreiche Wechselwirkungen mit Arznei- und Nahrungsmitteln auftreten, bedarf die Behandlung einer ständigen Kontrolle (International Normalized Ratio, INR). Damit kann eine geringe Compliance verbunden sein.
Einfachere Behandlung mit den neuen Wirkstoffen Aus diesen Gründen wurden und werden Wirkstoffe, wie beispielsweise die
«Die neuen oralen Antikoagulanzien könnten zukünftig eine Therapieoption zur Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern sowie zur Behandlung und Sekundärprophylaxe einer VTE darstellen.»
Die erhöhte Bereitschaft zur Blutgerinnung im venösen Teil des Kreislaufsystems ist einer Dynamik wechselnder Intensität unterworfen. Kommt die Neubildung von Thromben zum Stillstand, beispielsweise durch die körpereigene Thrombolyse oder durch eine ausreichende Behandlung, ereignen sich keine weiteren Embolien. Umgekehrt steigen
direkten Faktor-Xa-Inhibitoren, entwickelt. Hauptziel ist, sie in fixer Dosierung ohne Laborkontrolle lokal verabreichen zu können. Die neuen Antikoagulanzien zeigten in verschiedenen Studien deutliche Vorteile gegenüber Heparin und VKA. Zu den Faktor-XaInhibitoren zählen Edoxaban, Rivaroxaban und Apixaban. Die Substanzen
befinden sich in Phase III der klinischen Forschung. In der Schweiz sind Rivaroxaban und Apixaban bereits zur Thromboseprophylaxe nach orthopädischer Chirurgie an Hüfte oder Knie zugelassen. Aufgrund ihrer pharmakologischen Eigenschaften sind keine Gerinnungskontrollen nötig. Zu beachten ist allerdings, dass Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz diese Substanzen nicht erhalten dürfen, da kein direktes Antidot zur Verfügung steht.
Edoxaban in Einmaldosierung Edoxaban zeichnet sich durch schnellen Wirkungseintritt, kurze Halbwertszeit und eine geringe Wechselwirkung mit anderen Medikamenten beziehungsweise Nahrungsmitteln aus. Die Wirksamkeit von Edoxaban im Vergleich zur Standardtherapie bei tiefen Venenthrombosen (TVT) und Lungenembolie (LE) wird zurzeit in der randomisierten, doppelblinden Double-Dummy-Studie (HOKUSAI-VTE) untersucht. HOKUSAI-VTE umfasst 7500 Patienten und soll 2012 abgeschlossen sein. Beide Patientengruppen erhalten zunächst 5 bis 12 Tage Enoxaparin oder unfraktioniertes Heparin, gefolgt von einer Doppelblindtherapie mit dem VKA Warfarin mit einer Ziel-INR von 2–3 oder Edoxaban 60 mg einmal täglich. Die Patienten werden bis zu 12 Monate lang behandelt. Zusätzlich läuft derzeit ENGAGE AFTIMI 48, eine randomisierte, doppelblinde Phase-III-Studie an 21 107 Patienten mit Vorhofflimmern, einer häufigen Ursache für arterielle Embolien. Die Studie prüft das Sicherheits- und Wirksamkeitsprofil von Edoxaban. Hier wird Edoxaban in zwei unterschiedlichen Dosierungen (einmal täglich 30 mg bzw. 60 mg) im Vergleich zur Standardbehandlung mit Warfarin (Ziel-INR 2–3) getestet. Es besteht Anlass zur Hoffnung: Die neuen oralen Antikoagulanzien könnten zukünftig eine Therapieoption zur Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern sowie zur Behandlung und Sekundärprophylaxe einer VTE darstellen. ❖
Claudia Borchard-Tuch
Interessenlage: Der Bericht entstand auf Anregung von Daiichi-Sankyo. Die Firma nahm auf den Inhalt des Berichts jedoch keinen Einfluss.
216 ARS MEDICI 5 ■ 2012