Transkript
FORTBILDUNG
Management der Dyspepsie
Nicht alle müssen gleich zur Endoskopie
Die Dyspepsie ist eine häufige Erkrankung in der Hausarztpraxis. Als medikamentöse Optionen stehen die Eradikation von Helicobacter pylori oder eine Behandlung mit einem Protonenpumpeninhibitor zur Verfügung.
BRITISH MEDICAL JOURNAL
Im «British Medical Journal» wird in unregelmässiger Folge am Beispiel kleiner Kasuistiken das Management häufiger Erkrankungen in der Allgemeinmedizin dargestellt. In der vorliegenden Ausgabe berichten irische Wissenschaftler in knapper Form über die Vorgehensweise bei Dyspepsie.
Fallvignette Eine 35-jährige Frau suchte nach drei Monaten wiederkehrender brennender Missempfindungen im Oberbauch den Arzt auf. Die Beschwerden verschlimmern sich in der Nacht und stehen nicht in Zusammenhang mit körperlicher Anstrengung. Die Häufigkeit der symptomatischen Phasen hat in letzter Zeit zugenommen, und die Beschwerden können nicht mehr mit frei verkäuflichen Medikamenten gelindert werden.
Evaluation Dieser Verlauf ist typisch für eine Dyspepsie. Die Unterscheidung zwischen epigastrischen Schmerzen, Sodbrennen und Säurereflux führt nicht zu einem unterschiedlichen Management der Erkrankung, bei atypischen oder zunehmend schwereren Symptomen sollten jedoch auch andere Diagno-
Merksätze
❖ Die Dyspepsie ist eine häufige Erkrankung, die gut behandelt werden kann.
❖ Bei manchen Patienten reichen Änderungen des Lebensstils aus.
❖ Als medikamentöse Option steht die Eradikation von Helicobacter pylori zur Verfügung.
❖ Alternativ kann eine vierwöchige Behandlung mit der Maximaldosis eines Protonenpumpenhemmers durchgeführt werden.
Kasten:
Alarmzeichen
❖ Hinweise auf gastrointestinale Blutungen (Veränderungen der Stuhlkonsistenz oder der Stuhlfarbe, Anämie)
❖ Unbeabsichtigter Gewichtsverlust ❖ Wiederholtes Erbrechen ❖ Dysphagie ❖ Abdominelle Masse
sen wie eine Angina pectoris, eine Gallenkolik oder eine Pankreatitis in Betracht gezogen werden. Zunächst werden Alarmzeichen in der Anamnese und bei der Untersuchung dokumentiert (Kasten). Zudem sollte bedacht werden, ob möglicherweise eine Schwangerschaft besteht, die die Symptomatik beeinflussen könnte und im Management berücksichtigt werden müsste. Bezüglich der medizinischen Vorgeschichte erfordern vor allem die perniziöse Anämie, ein Barrett-Ösophagus, eine intestinale Dysplasie oder eine bereits erfolgte Operation von Magengeschwüren besondere Beachtung. Da bei diesen Erkrankungen ein erhöhtes Malignizitätsrisiko besteht, sind bei den Betroffenen regelmässige Kontrollen zu empfehlen. Dies gilt auch, wenn in der Familie bereits Krebserkrankungen im oberen Gastrointestinaltrakt aufgetreten sind. Die frühere oder aktuelle Medikation kann ebenfalls im Zusammenhang mit einer Dyspepsie stehen. Zu den Medikamenten, die eine Dyspepsie begünstigen, gehören nichtsteroidale antientzündliche Medikamente (NSAID), Kalziumkanalantagonisten, Nitrate, Theophylline, Bisphosphonate und Steroide. Auch psychosoziale Faktoren wie kurz zurückliegende belastende Lebensereignisse, Stress im Beruf oder Ängste können mit der Dyspepsie assoziiert sein. Lebensstilbedingte Faktoren wie Rauchen, ungünstige Ernährung, Übergewicht oder der Alkoholund Kaffeekonsum können ebenfalls zur Entwicklung einer Dyspepsie führen.
Therapie Nach Stellen einer Arbeitsdiagnose werden mit dem Patienten zunächst alle Befürchtungen zu potenziellen Enddiagnosen und bezüglich der Endoskopie besprochen. Ausserdem kann der Arzt die Betroffenen mit der Information beruhigen, dass die Dyspepsie eine häufige Störung ist, die meist gut behandelt werden kann. Medikamente, die zur Symptomatik
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FORTBILDUNG
Funktionelle Dyspepsie: Hilft die HelicobacterEradikation, oder hilft sie nicht?
In einer randomisierten Studie erhielten 404 Helicobacter-pylori-positive
Patienten mit funktioneller Dyspepsie jeweils für 10 Tage entweder eine
Tripeltherapie mit Omeprazol, Amoxicillin und Clarithromycin oder Ome-
prazol plus Plazebo. Beim Screening und nach 12 Monaten erfolgten eine
Endoskopie und ein Helicobacter-Test. Outcomes waren eine 50-prozen-
tige Symptombesserung nach 12 Monaten, die Gesamteinschätzung des
Patienten und die Lebensqualität. In der Gruppe mit der Eradikationsthe-
rapie erreichten 49%, in der Kontrollgruppe mit alleiniger Säuresuppres-
sion 36,5% eine Symptombesserung nach 1 Jahr (number needed to treat
[NNT] = 8). Auch die weiteren Fragebogenauswertungen zur Einschätzung
der Symptome durch die Betroffenen sowie durch die Ärzte fielen in der
Antibiotikagruppe günstiger aus. Fazit: «Die Helicobacter-pylori-Eradika-
tion bot bei Patienten in der Grundversorgung mit funktioneller Dyspepsie
signifikanten Nutzen.»
H.B.❖
Luiz Edmundo Mazzoleni et al.: Helicobacter pylori eradication in functional dyspepsia. HEROES Trial. Arch Intern Med. 2011; 171 (21): 1929–1936.
beitragen könnten, sollten – wenn möglich – abgesetzt werden. Zum Gespräch gehört auch eine Lebensstilberatung mit Anweisungen zur Beendigung des Rauchens, zu Gewichtsverlust, zur Reduzierung des Kaffee- und Alkoholkonsums und zu regelmässiger körperlicher Bewegung. Zur Langzeitwirkung von Lebensstiländerungen auf die Symptomatik von Verdauungsstörungen gibt es derzeit keine eindeutige Evidenz, es besteht aber eine Übereinstimmung, dass Patienten ihren Lebensstil entsprechend umstellen sollten, um ihre Beschwerden nicht zu verschlimmern. Im Rahmen einer medikamentösen Therapie kann man entweder auf Helicobacter pylori testen und bei positivem Befund behandeln oder vier Wochen lang eine Säuresuppression mit der maximalen Dosis eines Protonenpumpeninhibitors (PPI) durchführen. Zur Bevorzugung der einen oder der anderen Vorgehensweise liegt keine ausreichende Evidenz vor. Schlägt ein Behandlungsversuch fehl, kann anschliessend die andere Option angewendet werden. Als sicherste Tests auf Helicobacter pylori gelten der 13CHarnstoff-Atemtest oder der Antigentest im Stuhl. Der serologische Test ist weniger spezifisch und eignet sich daher nicht zur Bestätigung einer Eradikation. Alle Tests sollten vor der Behandlung mit einem PPI durchgeführt werden, da nach Einnahme dieser Medikamente eine Auswaschphase von
zwei Wochen erforderlich ist, bevor mit einem anderen Test begonnen werden kann. Ist der Test auf Helicobacter pylori positiv, wird eine Eradikationstherapie verordnet. Dabei sollten lokale Verschreibungsrichtlinien beachtet werden, da die Resistenzmuster geografisch variieren. Der Behandlungserfolg wird nach vier Wochen überprüft. Dauern die Symptome weiterhin an, wird erneut auf Helicobacter pylori getestet. Bei positivem Befund wird ein anderes Regime zur Eradikation verschrieben. Bei der Behandlung mit einem PPI kontrolliert man die Wirksamkeit ebenfalls nach vier Wochen. Je nach Ergebnis wird das Medikament dann abgesetzt oder die Dosis auf die niedrigste noch symptomkontrollierende Wirkstoffmenge reduziert. Bei unzureichendem Ansprechen kann eine weitere Behandlung über vier Wochen durchgeführt werden, bevor auf Helicobacter pylori getestet und gegebenenfalls behandelt wird. Bleiben die Symptome bestehen, muss die Diagnose überprüft werden. Manche Patienten sprechen auf H2-Agonisten oder prokinetische Substanzen an, bei persistierenden Beschwerden ist es jedoch ratsam, einen Spezialisten hinzuzuziehen. Die Langzeitanwendung von PPI gilt als sicher, solange keine Alarmzeichen vorliegen, dennoch sollten PPI wegen eines geringen Risikos für Infektionskomplikationen oder Ernährungsdefizite in der niedrigsten Dosis für die kürzestmögliche Zeit verschrieben werden.
Überweisung zu Spezialisten
Bei Patienten unter 55 Jahren, die eine Dyspepsie ohne
Alarmzeichen aufweisen, ist eine Routineendoskopie über-
flüssig, weil bei ihnen die Wahrscheinlichkeit eines Kar-
zinoms im oberen Gastrointestinaltrakt lediglich bei 1 zu
1 Million liegt. Patienten mit Alarmzeichen in der Anamnese
oder bei der Untersuchung sollten dagegen zum Spezialisten
überwiesen werden. Auch Patienten über 55 Jahre mit einer
neu aufgetretenen Dyspepsie, die trotz Lebensstilände-
rungen, einer Umstellung der Medikation und einer vier-
wöchigen Behandlung andauert, sollten vom Spezialisten
untersucht werden. Patienten unter 55 Jahren, die auf die
maximale Dosis des PPI, auf eine Helicobacter-pylori-Eradi-
kationstherapie und auf Lebensstilmodifikationen nicht an-
sprechen, sollten ebenfalls überwiesen werden, wenn Beden-
ken bezüglich der Diagnose bestehen.
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Petra Stölting
Cooke P A, Gormley G J, Gilliland A, Cupples M E: Dyspepsia, BMJ 2011;343:d6234. Interessenkonflikte: keine deklariert
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