Transkript
POLITFORUM
Neue Spitalfinanzierung – Wirkungsanalyse erweitern
INTERPELLATION vom 29.9.2011
Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit NR, Sprecherin: Yvonne Gilli Nationalrätin GPS Kanton St. Gallen
Um die Auswirkungen der neuen Spitalfinanzierung zu untersuchen, hat der Bundesrat die Durchführung einer entsprechenden Wirkungsanalyse gutgeheissen. In dieser Wirkungsanalyse sollen zur Sicherung einer umfassenden Versorgungsqualität im Gesundheitswesen auch spezifische Fragestellungen, welche chronisch Erkrankte, multimorbide und geriatrische Menschen betreffen, mit einbezogen werden. Eine Minderheit beantragt, die Motion abzulehnen: Bortoluzzi, Baettig, Borer, Frehner, Parmelin, Scherer, Stahl, Triponez.
Begründung Im Zusammenhang mit der Neuordnung der Spitalfinanzierung hat der Bundesrat im Mai
2011 die Durchführung einer Wirkungsanalyse gutgeheissen. Diese soll im Zeitraum von 2012 bis 2018 durchgeführt werden. Bis Ende 2011 werden die konzeptuellen Aspekte vertieft und die eigentliche Evaluation vorbereitet. Der Fokus liegt primär auf dem Spitalbereich. Die Langzeitpflege wird dabei nicht mitberücksichtigt, sodass die Auswirkungen der neuen Spitalfinanzierung auf chronisch Erkrankte, multimorbide und geriatrische Menschen nicht wissenschaftlich erforscht werden. Das ist ein Negativpunkt, denn eine umfassende Versorgungsqualität im Gesundheitswesen ist ohne Einbezug der Langzeitpflege nicht gewährleistet. Im Rahmen der Sicherung einer umfassenden Versorgungsqualität müssen in der Wirkungsanalyse auch spezifische Fragestellungen, welche chronisch Erkrankte, multimorbide und geriatrische Menschen betreffen, mit einbezogen werden.
Folgende Fragen sollen mitberücksichtigt werden: ❖ Werden Patienten der oben genannten
Gruppen umfassend abgeklärt, bevor sie in eine Langzeitpflegeeinrichtung entlassen werden?
❖ Wie wirken sich die DRG auf die Qualität der klinischen Versorgung und auf den Gesundheitszustand nach der Spitalentlassung sowohl in der häuslichen Pflege wie auch in den Pflegeinstitutionen aus?
❖ Welche Änderungen betreffend finanzielle Beteiligung haben die DRG bei den oben genannten Patientengruppen zur Folge?
❖ Welche Änderungen in der Leistungserbringung von Pflegeinstitutionen ergeben sich?
❖ Wird das ganze Rehabilitationspotenzial erfasst?
❖ Bilden die bestehenden DRG die medizinische und die pflegerische Wirklichkeit genügend ab?
❖ Welche Auswirkungen haben die DRG qualitativ und quantitativ auf die Arbeitssituation der verschiedenen Berufsgruppen in den Pflegeinstitutionen?
Werden diese Fragestellungen in der vom Bundesrat vorgesehenen Wirkungsanalyse vernachlässigt, wird die umfassende Versorgungsqualität im Gesundheitswesen leiden, und das ist nicht das Ziel der Einführung der neuen Spitalfinanzierung.
Der Bundesrat nimmt am 30.11.2011 dazu wie folgt Stellung
Der Bundesrat hat am 25. Mai 2011 das Konzept zur Wirkungsanalyse «KVG-Revision Spitalfinanzierung» genehmigt und die finanziellen Ressourcen für eine sechs Studien umfassende Variante gesprochen. Er hat sich dabei auf eine von der Berner Fachhochschule und der Universität Zürich zuhanden des Bundesamts für Gesundheit erstellte Machbarkeits- und Konzeptstudie gestützt. Mit diesem Vorgehen werden Studien ausgelöst, die die Wirkung der KVG-Revision auf die wichtigen Parameter qualitativ hochstehende Versorgung, Kosteneindämmung, Solidarität evaluieren. Nicht zuletzt die erforderlichen finanziellen und personellen Ressourcen haben den Bundesrat zur Beschränkung der Evaluation auf das Wesentliche veranlasst. In den Teilstudien «Einfluss der Revision auf die Qualität der stationären Pflege (akutstationär)»,
«Einfluss auf die Spitallandschaft und Sicherstellung der Versorgung» und «Das schweizerische System der pauschalen Vergütung: Erhöhung der Effizienz oder Auftreten von strategischem Verhalten bei den Leistungserbringern?» wird auch die Auswirkung der Gesetzesrevision auf die in der Motion angesprochenen Patientengruppen Beachtung finden. Auch wenn die Studien nicht spezifisch auf chronisch Erkrankte, multimorbide und geriatrische Menschen zugeschnitten sind, werden die Erkenntnisse aus den Studien deren Situation ebenfalls erfassen, denn dieses Patientenkollektiv ist in vielen Spitälern stark vertreten. Der Bundesrat hält an der Durchführung der am 25. Mai 2011 gutgeheissenen Variante der Wirkungsanalyse im Prinzip fest. Er ist der Ansicht, dass die Hauptanliegen der Motion bereits be-
rücksichtigt sind. Bei der Ausgestaltung der Evaluation in den oben genannten Teilstudien soll daher auf sie ein besonderes Augenmerk gelegt werden. Hingegen ist der Bundesrat bereit, auch wenn es schwierig sein wird, für einzelne in der Begründung aufgeführte Fragen die Wirkungen der KVG-Revision von anderen Einflussfaktoren zu unterscheiden, die Motion anzunehmen.
Der Bundesrat beantragt die Annahme des Postulates.
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt.
XUNDHEIT IN BÄRN
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XUNDHEIT IN BÄRN
POLITFORUM
Genügend Ärzte ausbilden
MOTION vom 29.9.2011
Urs Schwaller Ständerat CVP Kanton Fribourg und die Fraktion CVP/EVP/glp
Der Bundesrat wird beauftragt, zusammen mit den Kantonen gesamtschweizerisch eine Mindestzahl von Studienplätzen an medizinischen Fakultäten festzulegen. Diese muss so angesetzt werden, dass für den schweizerischen Bedarf genügend Ärzte
ausgebildet werden. Um den medizinischen Nachwuchs in der Grundversorgung sicherzustellen, sind den medizinischen Fakultäten Bundesmittel gezielt für den Bereich der Hausarztmedizin auszurichten und an das Angebot von Aus- und Weiterbildungsplätzen, Lehre und Forschung in der Hausarztmedizin zu koppeln. Nötigenfalls sind die gesetzlichen Grundlagen vorzulegen.
Begründung In der Schweiz gibt es zu wenig Ärzte, und immer mehr Ärztinnen und Ärzte sind im Ausland ausgebildet worden. Diese Entwicklung ist in zweierlei Hinsicht problematisch. Zum
einen ziehen wir andern Ländern das dort ausgebildete Personal ab. Zum andern gibt es aber auch Sprach- und Verständigungsprobleme. Darunter kann die Qualität der Behandlungen gerade in den Bereichen der Medizin, bei welchen die Diskussion und das Gespräch mit dem Patienten im Vordergrund stehen, leiden. Durch eine Festigung von Mindestzahlen für Studienplätze sowie gezielten Subventionen der Grundversorgermedizin können genügend Fachkräfte in der Schweiz ausgebildet werden, und der Schweizer Nachwuchs kann insbesondere in der derzeit unattraktiven Hausärzteausbildung gesichert werden.
So antwortete der Bundesrat am 23.11.2011
Der Bundesrat hat schon wiederholt geäussert, dass er der Ansicht ist, dass in der Aus- und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten Handlungsbedarf besteht. Er hat diesbezüglich bereits konkrete Massnahmen initiiert, und er präsentierte in seinem in Erfüllung der Motion Fehr Jacqueline erarbeiteten Bericht, «Strategie gegen Ärztemangel und zur Förderung der Hausarztmedizin», vom 16. September 2011 eine Bedarfsanalyse und weitere Empfehlungen zur Lösung der bestehenden Probleme in der ärztlichen Aus- und Weiterbildung sowie im Bereich
der selbstständigen Praxistätigkeit der Grundversorgerinnen und -versorger. Der Bundesrat hatte sich auch bereit erklärt, die ähnlich gelagerte Motion WBK-NR 10.3886 unter Berücksichtigung der geltenden Kompetenzordnung zwischen Bund und Kantonen anzunehmen. Der Vorstoss wurde in der Folge vom Nationalrat unterstützt, scheiterte im Ständerat aber vor allem aufgrund föderalistischer Überlegungen knapp. In der Tat liegt die Entscheidkompetenz im Bereich der quantitativen Steuerung der Aus- und Weiterbildung der Ärztinnen
und Ärzte bei den Kantonen. Da das Problem aber die ganze Schweiz und die gesamte Gesellschaft unmittelbar betrifft, sieht es der Bundesrat als dringlich an, das Gespräch mit den Kantonen sowie den anderen betroffenen Partnern aus den Bereichen Bildung und Gesundheitsversorgung zu vertiefen, um gemeinsam angemessene und praktikable Massnahmen zu entwerfen und umzusetzen.
Der Bundesrat beantragt die Annahme der Motion.
Schweiz – wie weiter? Hausarztmedizin stärken
INTERPELLATION vom 23.12.2011
Otto Ineichen Nationalrat FDP Kanton Fribourg und die Fraktion CVP/EVP/glp
Die Bevölkerung ist in grösster Sorge, dass wir in der Schweiz in 10 Jahren faktisch keine Hausärzte mehr haben. In 4 bis 5 Jahren wird die Hälfte der heute praktizierenden Hausärzte in Pension gehen, in 9 bis 10 Jahren 75 Prozent. Eine Folge davon wird sein, dass die hausärztliche Versorgung schlechter werden wird, es zu einer Zweiklassenmedizin kommen wird (Patienten mit Hausarzt, der sie zuhause besucht etc. und Patienten, die nur noch durch Polikliniken und Notfallstationen versorgt werden kön-
nen) und die Gesundheitskosten weiter massiv ansteigen werden. Die Konsequenz ist, dass die Basis unseres Gesundheitssystems damit extrem gefährdet sein wird. Müssten also nicht umgehend Schritte in die Wege geleitet werden? Zum Beispiel um die Attraktivität des Berufes «Hausarzt» zu steigern beziehungsweise um zu ermöglichen, dass dieser Berufsstand die Anerkennung bekommt, die er verdient. Die heutige Situation hat sehr viel mit der fehlenden Wertschätzung und den Tarifen zu tun. Man bedenke nur, mit welcher Selbstverständlichkeit erwartet wird, dass ein Hausarzt jederzeit verfügbar ist; im Gegensatz zum Spezialisten ist der Hausarzt auch in der Nacht jederzeit verfügbar. 1. Ist der Bundesrat bereit, zusammen mit den
Kantonen, dem Hausärztemangel entschieden entgegenzutreten? Und einem allfälligen Bekenntnis auch Taten folgen zu lassen?
2. Ist er bereit, mit den Kantonen zusammen, finanzielle Mittel für die Ausbildung der Praxisassistenten zur Verfügung zu stellen?
3. Ist er bereit, die Installation eines nationalen Forschungsprogramms «Hausarztmedizin» finanziell zu unterstützen?
4. Ist er bereit, mit Tarifkorrekturen (Tarmed) ein Zeichen zu Gunsten der Hausärzte zu setzen?
5. Ist er bereit, den Notfalldienst als kostenpflichtiger Dienstleistungsauftrag der Öffentlichkeit finanziell zu honorieren?
6. Ist er bereit, die Vertretung der Hausärzte in gesundheitspolitischen, relevanten Kommissionen und Gremien, mit Anspruch auf Mitgestaltung und -entscheidung, zu ermöglichen?
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt.
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