Transkript
STUDIE REFERIERT
Denosumab oder Zoledronsäure beim metastasierten Prostatakarzinom
Randomisierte, doppelblinde Studie testet neue Behandlungsoption zur Verhütung von Skelettkomplikationen
Denosumab s.c. plus intravenöses Plazebo oder 4 mg Zoledronsäure i.v. plus subkutanes Plazebo alle 4 Wochen randomisiert. Allen Patienten wurde zudem dringend zur gleichzeitigen Kalzium-Vitamin-D-Supplementation geraten. Der Zeitraum bis zum ersten Auftreten eines skelettbezogenen Ereignisses war als primärer Endpunkt (Nichtunterlegenheit) sowie als sekundärer Endpunkt (Überlegenheit) definiert.
Für die Lebensqualität der betroffenen Männer haben durch Knochenmetastasen verursachte Komplikationen des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms grosse Bedeutung. Zu deren Verhütung kann neben Bisphosphonaten neu auch eine Knochenabbauhemmung mit Denosumab eingesetzt werden.
THE LANCET
Zur Beurteilung von Medikamenten gegen Knochenmetastasen werden als Endpunkt skelettbezogene Ereignisse herangezogen. Dazu gehören lokale Komplikationen des Skeletts wie pathologische Fraktur, Rückenmarkskompression sowie Bestrahlung oder chirurgischer Eingriff am Knochen. Dieser kombinierte Endpunkt war in
Merksätze
❖ In einer doppelblinden, randomisierten Vergleichsstudie bei Männern mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom war der RANKL-Inhibitor Denosumab dem Bisphosphonat Zoledronsäure in der Verhütung skelettbezogener Ereignisse überlegen.
❖ Das Gesamtüberleben und die von den behandelnden Ärzten erfasste Krankheitsprogression unterschieden sich zwischen den beiden Behandlungsgruppen nicht signifikant.
❖ Beim metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom stellt Denosumab eine neue therapeutische Option dar.
einer randomisierten Studie bei Patienten mit Knochenmetastasen bei kastrationsresistentem Prostatakarzinom durch intravenös verabreichte Zoledronsäure (Zometa®) im Vergleich zu Plazebo besser verhütet worden. Die Knochenmetastasen beim Prostatakarzinom haben typischerweise eine osteoplastische Erscheinungsweise (Bild), histologische Charakteristika und Analysen des Knochenumbaus stützen aber die Auffassung, dass auch bei diesen Metastasen eine gesteigerte Osteoklastenaktivität zur Knochenzerstörung führt. Das Protein RANKL (Receptor Activator of NF-B Ligand) ist der hauptsächliche Förderer von Neubildung, Funktion und Überleben von Osteoklasten. Experimentell führte eine RANKL-Hemmung in einem Prostatakarzinommodell zu einer Abnahme sklerotischer Veränderungen. Mit Denosumab (XGEVA®) steht heute ein monoklonaler Antikörper gegen RANKL zur Verfügung, der die Osteoklastenvermittelte Knochendestruktion hemmt und bei Männern mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom auch zur Verhütung von Knochenmetastasen in Prüfung steht. Die vorliegende von der Herstellerfirma gesponserte Studie wollte Denosumab mit Zoledronsäure zur Therapie von Knochenmetastasen bei Männern mit kastrationsresistentem Prostatakarzinom vergleichen.
Methodik In diese Phase-III-Studie fanden Patienten an 342 Zentren in 39 Ländern Eingang, die zuvor keine intravenösen Bisphosphonate erhalten hatten. Alle hatten ein histologisch bestätigtes Prostatakarzinom sowie mindestens eine dokumentierte Knochenmetastase nach Versagen (PSA-Anstieg) mindestens einer hormonellen Therapie. Die Teilnehmer wurden entweder zu 120 mg
Ergebnisse 1904 Patienten wurden randomisiert. Für die Wirksamkeitsanalyse standen 950 Teilnehmer mit Denosumab und 951 mit Zoledronsäure zur Verfügung. Die mediane Zeit bis zu einem ersten skelettbezogenen Ereignis innerhalb der Studie betrug für Denosumab 20,7 Monate (95%-Konfidenzintervall [KI]: 18,8 – 24,9 Monate), für Zoledronsäure hingegen 17,1 Monate (95%-KI: 15,0 – 19,4 Monate). Dies entspricht einer Hazard Ratio von 0,82 (95%-KI: 0,71 – 0,95; p = 0,0002 für Nichtunterlegenheit; p = 0,008 für Überlegenheit). Das Gesamtüberleben und die von den behandelnden Ärzten erfasste Krankheitsprogression unterschieden sich zwischen den beiden Behandlungsgruppen nicht signifikant. Nach 13 Wochen waren die Abnahmen bei Knochenabbaumarkern (uNTx, knochenspezifische alkalische Phosphatase) unter Denosumab signifikant grösser als unter Zoledronsäure. Insgesamt traten unerwünschte Arzneimittelwirkungen und schwere Nebenwirkungen in beiden Gruppen ähnlich häufig auf. 176 Patienten hatten mehrheitlich leichte bis mittelschwere Hypokalzämien. Diese traten vor allem innert der ersten 6 Behandlungsmonate auf und verliefen mehrheitlich asymptomatisch. Zu Kieferosteonekrosen kam es unter Denosumab bei 22 Patienten (2%), unter Zoledronsäure bei 12 Patienten (1%). Bei diesen Fällen lagen überwiegend bekannte Risikofaktoren wie Zahnextraktion, schlechte Mundhygiene oder Gebrauch von Zahnprothesen vor. Während der ersten 3 Behandlungstage ereigneten sich potenziell als Akutphasereaktionen interpretierbare Nebenwirkungen bei 79 Patienten, die Denosumab erhielten (8%), und bei 168 Patienten unter Zoledronsäure (18%).
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STUDIE REFERIERT
Multiple osteoplastische Knochenmetastasen bei einem Patienten mit Prostatakarzinom. Die Befunde finden sich vor allem im Sakrum, aber auch im Os ilium vor allem links, am Sitzbeinhöcker links und im proximalen Femur links. Nebenbefund: Coxarthrose rechts. (Bild: Hellerhoff, Wikipedia)
Diskussion «Wir haben gezeigt, dass Denosumab zur Verzögerung oder Verhütung skelettbezogener Ereignisse bei Patienten mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom besser ist als die etablierte Therapie mit Zoledronsäure», schreiben die Autoren. Zoledronsäure sei zwar Plazebo überlegen und Standardbehandlung zur Prävention skelettbezogener Ereignisse, diese träten jedoch trotzdem weiterhin auf, nur mit einer ver-
minderten Häufigkeitsrate. Die Therapie mit Zoledronsäure hat auch gewisse Einschränkungen wie die Notwendigkeit der Überwachung der Nierenfunktion und allfälliger Dosisanpassung bei deren Verschlechterung, und sie bereitet wegen der intravenösen Verabreichungsform sowie Bekämpfung grippeähnlicher Symptome (vor allem zu Behandlungsbeginn) gewisse Unannehmlichkeiten. Die fehlende Auswirkung auf die Nierenfunktion fällt bei
Patienten mit kastrationsresistentem
Prostatakarzinom, die häufig an ob-
struktionsbedingter Niereninsuffizienz
leiden, besonders ins Gewicht, wie die
Autoren anmerken.
Sie erwähnen auch zwei Einschränkun-
gen ihrer Studie. Das Doppel-Dummy-
Design erlaubte keine Abschätzung all-
fälliger Vorteile von subkutanem und
intravenösem Verabreichungsweg. Da
Zoledronsäure bei stark eingeschränk-
ter Nierenfunktion (< 0,5 ml/s) nicht zugelassen ist, konnte ein Behandlungs- nutzen für Denosumab bei Patienten mit initial schwerer Nierninsuffizienz nicht geprüft werden. Diese Studie kann als ein weiterer Hin- weis verstanden werden, dass auf die Knochen zielende Therapien beim kas- trationsresistenten Prostatakarzinom zu einer umfassenden Behandlung ge- hören. Zurzeit sind auch weitere Stra- tegien zur Therapie von Knochen- metastasen in Prüfung, etwa neuartige Endothelin-1-Inhibitoren oder Radio- pharmaka. Aufgrund der Studienergeb- nisse mit Vergleich zu Zoledronsäure i.v. stellt Denosumab s.c. beim metasta- sierten kastrationsresistenten Prostata- karzinom eine neue Behandlungs- option dar. ❖ Halid Bas Karim Fizazi et al.: Denosumab versus zoledronic acid for treatment of bone metastases in men with castrationresistant prostate cander: a randomised, double-blind study. Lancet 2011; 377: 813–822. Interessenlage: Die Studie wurde von Amgen unterstützt. 78 ARS MEDICI 2 ■ 2012