Transkript
STUDIE REFERIERT
Tocilizumab verhindert fortschreitenden Gelenkschaden unabhängig von der entzündungshemmenden Wirkung
Vergleich von MTX plus Tocilizumab und MTX plus Plazebo bei Patienten mit rheumatoider Arthritis
An einer grossen Stichprobe der individuellen Patientendaten der LITHE-Studie wurde untersucht, ob die Hemmung von Interleukin-6 mit Tocilizumab bei rheumatoider Arthritis über die Wirkung auf die Krankheitsaktivität hinaus mit der Gelenkdestruktion interferiert.
ANNALS OF RHEUMATIC DISEASES
Ausmass und Fortschreiten der Gelenkschädigung bei rheumatoider Arthritis (RA) stehen primär mit dem Grad des Entzündungsprozesses in Zusammenhang. Das Fortschreiten der Destruktion ist besonders in geschwollenen, also stark entzündeten Gelenken zu beobachten. Diese Zusammenhängen gelten sowohl für den natürlichen Verlauf als auch für die Entwicklung unter Therapie mit synthetischen DMARD (disease modifying antirheumatic drugs). Neu und bemerkenswert war daher die Beobachtung, dass Biologika, die den Tumor-Nekrose-Faktoralpha (TNF-␣) hemmen, zusammen mit Methotrexat (MTX) in der Lage sind, die radiologische Progression der Gelenkzerstörung selbst bei fortbestehen-
Merksatz
❖ Die Hemmung von Interleukin-6 mit Tocilizumab verzögert das Fortschreiten der Gelenkschädigung bei rheumatoider Arthritis unabhängig von der Auswirkung auf die Krankheitsaktivität.
der Krankheitsaktivität aufzuhalten. Neben TNF-␣ spielen bei RA offenbar weitere Zytokine eine pathogenetische Rolle. So aktiviert Interleukin (IL-)6 eine ganze Kaskade von Entzündungsprozessen, die zu einer Schwächung der Knorpelmatrix und zur Ostekoklastenaktivierung führt. Tocilizumab, ein Anti-IL-6-Rezeptor-Antikörper, hat sich entsprechend bei RA als wirksam erwiesen. Die vorliegende Studie wollte prüfen, ob für dieses neuere Biologikum ebenso wie für TNF-␣-Hemmer gilt, dass es mit der Gelenkzerstörung über den Einfluss auf die Synovitis hinaus interferiert.
Methodik Die Autoren erhielten vom Sponsor eine zufällig bestimmte 90-ProzentStichprobe von Patientendaten der Studie TociLIzumab Safety and THE Prevention of Structural Damage (LITHE), welche die Auswirkungen von Tocilizumab (TCZ, Actemra®) bei Patienten mit aktiver RA trotz MTXBehandlung untersucht hat. Bei 117 Patienten war Plazebo zu MTX hinzugefügt worden, bei 414 TCZ alle 4 Wochen. Ausgangs- und 1-JahresDaten für die klinischen und serologischen Variablen wurden mit Messparametern für die Gelenkzerstörung (Veränderung des totalen genant-modifizierten Sharp-Scores |TGSS] nach 1 Jahr, TGSS-Progression, Erosion und Gelenkspaltverschmälerung [joint space narrowing [JSN]) jeweils in Gruppen mit tiefer und hoher Krankheitsaktivität verglichen.
Resultate Die TGSS-Veränderung war unter TCZ im Vergleich zu Plazebo geringer (0,29 ± 0,96 vs. 0,90 ± 1,92; p = 0,0007). Bei den Patienten, die Plazebo erhalten hatten, ergaben sich eine signifikante
Korrelation der TGSS-Veränderung mit der Krankheitsaktivität (simplified disease activity index [SDAI]) und der Anzahl geschwollener Gelenke sowie ähnliche Trends für das C-reaktive Protein. Ähnliche Korrelationen wurden auch für SDAI, klinischen Krankheitsaktivitätsindex sowie Krankheitsaktivitätsscore nach 1 Jahr und die radiologischen Veränderungen nach 1 Jahr beobachtet (p = 0,002–0,006). Im Gegensatz dazu ergab sich bei den mit TCZ plus MTX behandelten Patienten für keine der Ausgangs- und 1-JahresVariablen eine signifikante Korrelation mit den Veränderungen im Röntgenbefund, was als Hinweis auf eine Aufhebung der Assoziation der Verbindung zwischen Krankheitsaktivität und Gelenkschaden durch TCZ interpretiert werden kann. Schliesslich war bei Patienten in Remission oder mit geringer Krankheitsaktivität die Progression von TGSS, Erosionen und JSN zwischen den Behandlungsgruppen ähnlich (TGSS 0,4 ± 1,1 unter Plazebo, 0,2 ± 0,7 unter TCZ, p = n.s.), bei Patienten mit mittlerer oder hoher Krankheitsaktivität fiel das Fortschreiten der Gelenkschäden jedoch signifikant deutlicher aus (TGSS 1,2 ± 2,2 vs. 0,4 ± 1,2, p = 0,0009).
Diskussion
«Die hier vorgestellten Daten deuten
darauf hin, dass TCZ plus MTX die
übliche Korrelation zwischen Krank-
heitsaktivität und Gelenkschaden auf-
hebt», kommentieren die Autoren.
Dieser Schluss basiert auf der Beobach-
tung, dass bei RA-Patienten, die zuvor
auf MTX nicht ausreichend angespro-
chen hatten, selbst bei weiterhin mitt-
lerer oder hoher Krankheitsaktiviät
unter TCZ-Therapie das Fortschreiten
der Gelenkschädigung nicht stärker
war als bei denjenigen Patienten, die
unter TCZ plus MTX eine geringe
Krankheitsaktivität oder Remission
erreicht hatten.
❖
Halid Bas
Josef S. Smolen et al.: Tocilizumab inhibits progression of joint damage in rheumatoid arthritis irrespective of its anti-inflammatroy effects: disassociation of the link between inflammation and destruction. Ann Rheum Dis (2011). doi: 10.1136/annrheumdis-2011-200395
Interessenkonflikte: Die Studie wurde teilweise unterstützt von Roche sowie durch EU-Forschungsgelder.
42 ARS MEDICI 1 ■ 2012