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STUDIE REFERIERT
Mehr Hüftfrakturen nach Absetzen der Hormonsubstitution
Vor zehn Jahren endete der Siegeszug der menopausalen Hormonsubstitution mit der Publikation von Studienergebnissen der Women’s Health Initiative (WHI). Viele Frauen setzten ihre Hormonpräparate sofort ab, und es wurden von Jahr zu Jahr weniger davon verschrieben. Ein US-amerikanisches Team beziffert nun, wie sich dadurch das Risiko für Hüftfrakturen verändert hat.
MENOPAUSE
In die Studie gingen die Daten von 80 955 postmenopausalen Frauen ein, die im Juli 2002 unter Hormonsubstitution standen. 15 Prozent von ihnen setzten diese 2002 aufgrund der WHIStudienergebnisse sofort ab, andere stiegen später aus. 2008 nahmen nur noch 18 Prozent der Frauen in diesem Kollektiv Hormone ein. Die Studienautoren stützten sich bei ihrer Datenerhebung auf die elektronischen Krankenakten von über 60-jährigen Frauen, denen zumindest zwischen Januar und Juni 2002 ein Hormonsubstitutionspräparat verordnet worden war. Erfasst wurden die Daten von der kalifornischen Institution Kaiser Permanente
Southern California (KaiserSCAL) mit 11 medzinischen Zentren. Das Followup dauerte bis Dezember 2008. Hüftfrakturen aufgrund von Tumoren, periprosthetische Frakturen und Frakturen infolge schwerer Traumata wurden nicht in die Analyse einbezogen.
Studienergebnisse Das mittlere Alter der Frauen zu Beginn der Studie betrug 68,8 Jahre, 80 Prozent von ihnen waren zwischen 60 und 74 Jahre alt. Der Anteil der Frauen mit Hormonsubstitution sank von Juli 2002 bis Dezember 2008 von 85 auf 18 Prozent. Die statistische, alterskorrigierte Hüftfrakturrate stieg im gleichen Zeitraum von 3,9 auf 5,67 pro 1000 Frauen pro Jahr. Im Vergleich mit den Frauen, denen weiterhin Hormone verordnet worden waren, stieg das Risiko für eine Hüftfraktur für die Frauen ohne Hormonsubstitution nach 5 Jahren um 55 Prozent (HR 1,55; 95%-Konfidenzintervall 1,36–1,77). Ob die Frauen, die ihre Hormonsubstitution stoppten, Bisphosphonate nahmen oder nicht, hatte keinen Einfluss auf das Hüftfrakturrisiko. Auch bei Berücksichtigung des BMI kam man zu einem ähnlichen Resultat. Es zeigte sich ausserdem, dass ein um 55 Prozent erhöhtes Hüftfrakturrisiko bereits zwei Jahre nach dem Stopp der Hormonsubstitution bestand.
80-Jährigen und HR 19,4 für die über 80-Jährigen). Auch die absoluten Zahlen sollte man nicht aus den Augen verlieren. Ein Anstieg des relativen Risikos um 55 Prozent bedeutete in diesem Kollektiv Folgendes: Mit Hormonsubstitution war pro Jahr mit rund 4 Hüftfrakturen bei 1000 Frauen zu rechnen, ohne Hormonsubstitution mit rund 5 bis 7 Hüftfrakturen pro 1000 Frauen pro Jahr. Dass die menopausale Hormonsubstitution mit Östrogenen das Risiko osteoporotischer Frakturen vermindert, steht zwar ausser Frage, aber wie die Autoren der WHI-Studie 2002 zeigen konnten, überwiegt der potenzielle Schaden den potenziellen Nutzen, wenn entsprechende Präparate nur aufgrund präventivmedizinischer Überlegungen verordnet werden. So zeigte sich beispielsweise in der ersten WHI-Studie mit einer Östrogen-Gestagen-Substitution ein Nutzen von 5 Hüftfrakturen (-37%) und 6 Kolonkarzinomen (-37%) weniger pro 10 000 Frauen pro Jahr. Demgegenüber standen jedoch 7 zusätzliche Herzinfarkte (+29%), 8 zusätzliche Schlaganfälle (+41%) und 18 zusätzliche Embolien (+50%). Aus diesem Grund wird die Hormonersatztherapie heutzutage nur noch bei klimakterischen Beschwerden für einen begrenzten Zeitraum von zirka fünf Jahren und mit einer möglichst niedrigen Hormondosis empfohlen. ❖
Renate Bonifer
Karim R et al.: Hip Fracture in Postmenopausal Women After Cessation of Hormone Therapy. Menopause 2011; 18(11): 1172–1177.
Interessenlage: keine Angaben
Merksätze
❖ In den USA zeigte sich zwischen 2002 und 2008 mit dem Rückgang der menopausalen Hormonsubstitution ein Anstieg der Hüftfrakturen.
❖ Der präventive Nutzen einer Hormonsubstitution wird jedoch durch potenziell schädigende Effekte wieder aufgehoben, sodass sie heutzutage nur bei klimakterischen Beschwerden empfohlen wird.
Diskussion Die Auswertung der Daten zeigt klar, dass das Hüftfrakturrisiko mit dem Absetzen der Hormonsubstitution angestiegen ist. Dabei darf man jedoch nicht vergessen, dass das Lebensalter ein viel bedeutenderer Risikofaktor ist: Nimmt man das relative Hüftfrakturrisiko der 60- bis 65-jährigen Frauen in diesem Studienkollektiv als Massstab, so ist es bereits für die 65- bis 69-Jährigen um 90 Prozent höher (HR 1,9), ganz zu schweigen von den noch älteren Frauen (HR 4,34 für die 70- bis 74-Jährigen; HR 9,52 für die 75- bis
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