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Studie referiert
Metformin, Insulinsekretagoga und kardiovaskuläres Risiko
Metformin schützt Typ-2-Diabetiker am besten vor Herzinfarkt
Aus einer Beobachtungsstudie geht hervor, dass die Monotherapie mit einigen Insulinsekretagoga bei Diabetikern vom Typ 2 mit einem höheren kardiovaskulären Langzeitrisiko verbunden ist als die Metforminmonotherapie. Dies wurde sowohl bei Personen mit niedrigem als auch mit hohem Herzinfarktrisiko beobachtet.
EUROPEAN HEART JOURNAL
Zusätzlich zur Lebensstilmodifizierung ist die Monotherapie mit oralen Antidiabetika meist die erste Behandlungsstrategie bei Typ-2-Diabetes. Dabei kommen auch häufig Insulinsekretagoga zum Einsatz, obwohl eindeutige Nachweise ihrer langfristigen kardiovaskulären Wirksamkeit und Sicherheit noch ausstehen. Im 10-jährigen Follow-up der UK Prospective Diabetes Study (UKPDS) hatte sich gezeigt, dass der kardiovaskuläre Nutzen einer frühzeitigen intensiven Blutzuckerkontrolle als positives Vermächtnis über viele Jahre erhalten bleibt, selbst bei später suboptimaler Blutzuckerkontrolle. Im
Merksätze
❖ Im Vergleich zur Monotherapie mit Metformin sind Glibenclamid, Glimepirid, Glipizid und Tolbutamid mit einem höheren Sterblichkeitsrisiko und einem höheren kardiovaskulären Risiko verbunden.
❖ Gliclazid und Repaglinid sind in dieser Hinsicht mit Metformin vergleichbar.
Zusammenhang mit diesem «LegacyEffekt» könnten die Auswirkungen der initialen Behandlung daher entscheidend für das Langzeitrisiko sein. Vor allem aufgrund von Ergebnissen der UKPDS ist Metformin derzeit das Medikament der ersten Wahl bei Typ2-Diabetes. Die langfristige kardiovaskuläre Wirksamkeit und Sicherheit von Metformin im Vergleich zu gängigen Insulinsekretagoga ist bislang jedoch nicht abgeklärt. Ausserdem wurden die klinischen Langzeitergebnisse bezüglich der Mortalität im Zusammenhang mit einzelnen Insulinsekretagoga nur in wenigen randomisierten kontrollierten Studien untersucht. Tina Ken Schramm und ihre Arbeitsgruppe von der Universitätsklinik Kopenhagen evaluierten nun in einer nationalen Beobachtungsstudie die Mortalität und das kardiovaskuläre Risiko in Verbindung mit verschiedenen Insulinsekretagoga jeweils im Vergleich zu Metformin (siehe Infokasten) bei Patienten mit hohem und niedrigem kardiovaskulärem Risiko. Ein hohes kardiovaskuläres Risiko definierten die Forscher anhand eines zuvor erlittenen Herzinfarkts. Im Rahmen der Studie wurden alle dänischen Einwohner über 20 Jahre, die von 1997 bis 2006 mit einer Monotherapie mit Metformin oder einem Insulinsekretagogon begonnen hatten, über einen Zeitraum bis zu neun Jahren (durchschnittlich 3,3 Jahre) anhand der Auswertung verschiedener nationaler Personenregister beobachtet. Die Gesamtsterblichkeit, die kardiovaskuläre Mortalität sowie der kombinierte Endpunkt aus Herzinfarkt, Schlaganfall und kardiovaskulärer Mortalität im Zusammenhang mit einzelnen Insulinsekretagoga wurden bei Patienten mit und ohne vorherigen Herzinfarkt untersucht.
Wirkstoffe und Monopräparate
Metformin Glucophage® und Generika
Glibenclamid Daonil® und Generika
Gliclazid Diamicron® und Generika
Glimepirid Amaryl® und Generika
Repaglinid NovoNorm®
Glipizid in der Schweiz nicht im Handel
Tolbutamid in der Schweiz nicht im Handel
Ergebnisse Die Studienpopulation umfasste 107 806 Personen. Innerhalb dieser Kohorte hatten 9607 Patienten (8,6%) zuvor bereits einen Herzinfarkt erlitten. Im Verlauf des Beobachtungszeitraums erhielten die meisten Patienten (77%) ein Insulinsekretagogon oder Metformin als Monotherapie. Bei 22 Prozent der Patienten ohne und bei 23 Prozent der Patienten mit einem vorherigen Herzinfarkt wurde die Medikation im Follow-up-Zeitraum geändert. In der statistischen Analyse zeigte sich bei Patienten mit und ohne früheren Herzinfarkt konsistent eine erhöhte Gesamtsterblichkeit im Zusammenhang mit Glimepirid, Glibenclamid, Glipizid und Tolbutamid im Vergleich zum Standard Metformin (Tabelle 1). Die Ergebnisse für Gliclazid und Repaglinid unterschieden sich dagegen nicht statistisch signifikant von denen für Metformin. Diese beiden Substanzen waren daher mit einem geringeren Risiko verbunden als die anderen Insulinsekretagoga. Bezüglich der kardiovaskulären Mortalität und des kombinierten Endpunkts kamen die Wissenschaftler zu ähnlichen Ergebnissen.
Diskussion Diese Studie zeigte, dass mit den meisten Sulfonylharnstoffen der ersten und zweiten Generation eine erhöhte Mortalität und ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko im Vergleich zur Behandlung mit Metformin verbunden sind. Seit der UKPDS von 1998 haben sich die
ARS MEDICI 23 ■ 2011 993
Studie referiert
Tabelle:
Vergleich der Gesamtsterblichkeit bei Monotherapie mit Metformin oder anderen blutzuckersenkenden Medikamenten
Patienten ohne Herzinfarkt
Patienten mit Herzinfarkt
p
Hazard Ratio (95% Konfidenzintervall) Hazard Ratio (95% Konfidenzintervall)
Metformin Gliclazid Repaglinid Glimepirid Glibenclamid Glipizid Tolbutamid
1 1,05 (0,94–1,16) 0,97 (0,81–1,15) 1,32 (1,24–1,40) 1,19 (1,11–1,28) 1,27 (1,17–1,38) 1,28 (1,17–1,39)
1 0,90 (0,68–1,20) 1,29 (0,86–1,94) 1,30 (1,11–1,51) 1,47 (1,22–1,76) 1,53 (1,23–1,89) 1,47 (1,17–1,84)
– 0,48 0,22 0,001 < 0,001 < 0,001 < 0,001 Hinweise aus unterschiedlichen Studien insgesamt verdichtet, dass Metformin ein günstigeres kardiovaskuläres Profil aufweist als andere orale blutzuckersenkende Medikamente. Zudem wird nur selten über das Auftreten einer Laktatazidose berichtet, der schwersten Nebenwirkung von Metformin. Als eine Stärke ihrer Studie erachten die Autoren die landesweite bevölkerungsbasierte Untersuchung. Dadurch konnte eine Selektionsverzerrung im Hinblick auf Alter, Geschlecht, Einkommen, Arbeitssituation oder die Bereitschaft an der Studie teilzunehmen, vermieden werden, und es bestand auch keine Verbindung zu Ärzten oder Krankenkassen. Als Unzulänglichkeit betrachten Tina Ken Schramm und ihr Team, dass die Auswirkungen nicht erfasster Einflüsse auf das Ergebnis nicht abgeschätzt werden können. So waren beispielsweise im Rahmen der Registerauswertung wichtige Risikofaktoren wie Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck, Body-Mass-Index (BMI), Raucherstatus, körperliche Aktivität, Ernährungsgewohnheiten und Blut- zuckerregulierung nicht zugänglich. Allerdings wurden diese Faktoren indirekt durch zeitabhängige Adjustierungen für gleichzeitige kardiovaskuläre Medikationen als Stellvertreter dieser Einflüsse berücksichtigt. Fazit Die Autoren beobachteten im Zusam- menhang mit den meisten Insulinsekre- tagoga bei Patienten mit niedrigem und hohem kardiovaskulärem Risiko eine erhöhte Gesamtsterblichkeit und ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko im Vergleich zu Metformin. Bei Gliclazid und Repaglinid war das Risiko mit dem von Metformin vergleichbar. Zur Ab- klärung bedeutender Unterschiede der Sicherheitsprofile einzelner Insulin- sekretagoga sind weitere Studien er- forderlich. ❖ Petra Stölting Schramm Tina Ken, Gislason Gunnar Hilmar, Vaag Allan et al.: Mortality and cardiovascular risk associated with different insulin secretagogues compared with metformin in type 2 diabetes, with or without a previous myocardial infarction: a nationwide study, European Heart Journal 2011; 32: 1900–1908. Interessenkonflikte: Die Autoren der Studie deklarieren keine Interessenkonflikte. BEKANNTMACHUNG Europäischer Transplantationspreis für Genfer Forschungsteam Mit dem diesjährigen Forschungspreis der Astellas European Foundation wurden Arbeiten zur Lebertransplantation bei hepatozellulärem Karzinom ausgezeichnet. Ziel des Genfer Teams, dem Prof. Gilles Mentha, Dr. Christian Toso, Stéphanie Lacotte und Graziano Oldani angehören, ist die Optimierung der immunsuppressiven Therapie für Patienten, die sich wegen eines hepatozellulären Karzinoms einer Lebertransplantation unterziehen müssen. Auch nach sorgfältiger Auswahl der Patienten für Transplantation kommt es in etwa 10 Prozent der Fälle zu einem Rezidiv. Neben Faktoren wie der Tumorgrösse und Tumor- aggressivität, kann auch die Art der Immunsuppressions- therapie einen Einfluss auf das Rezidiv-Risiko haben. Die Immunantwort des Patienten richtet sich sowohl gegen die allogenen Antigene des Transplantats als auch gegen die Antigene im Körper verbliebener Krebszellen. Wird nun eine rigorose Immunsuppressionstherapie eingesetzt, verhindert dies zwar die Abstossung des Transplantats, inhibiert potenziell jedoch auch die körpereigenen Mecha- nismen zur Krebsbekämpfung. Der mit 300 000 Dollar dotierte Preis soll die die Erforschung dieser Zusammen- hänge unterstützen. RBO 994 ARS MEDICI 23 ■ 2011