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Umweltbelastungen und Brustkrebs:
Wird hier eine Gefahr verkannt?
Die öffentliche Darstellung von Brustkrebs ist geprägt vom Appell zur Früherkennung und von Erfolgsmeldungen zu neuen Behandlungsmöglichkeiten und pharmazeutischen Errungenschaften. Während der Fokus der Ursachenforschung auf genetischen und biochemischen Aspekten liege, würden giftige Stoffe und hormonell wirksame Substanzen weitgehend vernachlässigt, fand die Frauenorganisation WECF (Women in Europe for a Common Future) und gab eine Broschüre, die Zusammenhänge zwischen Umweltbelastungen und Ursachen von Brustkrebs thematisiert, in Auftrag. Nun hat sie zusammen mit dem Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft e.V. (AKF) auch eine deutsche Fassung veröffentlicht.
«Die verkannte Gefahr: Umweltbelastungen und Brustkrebs» richtet sich direkt an die Frauen, aber auch an Politik und Medizin. «Es gibt längst Studien, die die Zusammenhänge zwischen Umweltbelastungen und Brustkrebs untersuchen», so Alexandra Caterbow, Chemikalienexpertin bei WECF. «Wir wollen Angst abbauen und dazu ermutigen, sich in die Gesundheits-, Verbraucher- und Umweltpolitik einzumischen. Denn nicht nur im Zusammenhang mit Brustkrebs gilt: Heilen ist gut, doch vermeiden ist besser.» Vermeidbare Risiken gehen beispielsweise von Umweltöstrogenen (endokrinen Disruptoren) aus, die unter anderem
die Entstehung von Brustkrebs begünstigen können. Ob Bisphenol A (BPA), Phthalate,
Parabene oder Pestizide in Insektenschutzmitteln und Herbizide in Pflanzenschutzmitteln, Dioxine, Flammschutzmittel, DDT-Rückstände, bedenkliche Inhaltsstoffe in Kosmetika, Hormone in der Nahrung, industrielle Karzinogene oder organische Lösungsmittel: Frauen sind heute zahlreichen vermeidbaren Gefährdungen ausgesetzt. Die neue Broschüre steht zum kostenlosen Download bereit unter: www.wecf.eu/english/publi cations/2010/breastcancer-deutsch. php. ■
H.B.
Terminale Niereninsuffizienz
Frühzeitige Hämodialyse ist infrage gestellt
Seit einigen Jahren besteht die Tendenz, niereninsuffiziente Patienten in einem immer früheren Stadium zu dialysieren. Heute weisen beispielsweise Patienten in den USA bei Dialysebeginn durchschnittlich einen Kreatininwert von 6,3 mg/dl auf, bei fast der Hälfte beträgt die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) mehr als 10 ml/min bei 1,73m2 Körperoberfläche auf. Inzwischen wird aber klar, dass sich durch eine frühzeitige Hämodialyse das Leben der Betroffenen nicht verlängern lässt. Möglicherweise ist sogar das Gegenteil der Fall: Die Analyse einer US-Datenbank zeigt, dass ein früher Dialysebeginn mit einem erhöhten Sterberisiko assoziiert ist. Die Ergebnisse sind in den «Archives of Internal Medicine» (2010; doi: 10.1001/archinternmed._2010.415) nachzulesen. Steven Rosansky vom Jennings Bryan Dorn Veterans Hospital in Columbia/South Carolina und weitere Kollegen haben die Registerdaten von mehr als 80 000 Patienten des US-Renal-Data-Systems ausgewertet, bei denen in den Jahren 1996 bis 2008 eine
Hämodialyse begonnen wurde. Die Resultate sind ernüchternd: 9,4 Prozent aller Patienten starben innerhalb des ersten Jahres nach Dialysebeginn, besonders hoch fiel die Sterberate in den ersten drei Monaten aus. Bei den Patienten mit einem frühen Dialysebeginn (GFR ≥15 ml/min/1,73m2) betrug die Ein-Jahres-Sterberate sogar 20,1 Prozent gegenüber nur 6,8 Prozent bei einem späten Dialysebeginn (GFR <5 ml/min/ 1,73m2). Bislang ist unklar, worauf die erhöhte Sterblichkeit beruht. Um Verzerrungen zu vermeiden, wurden in die Analyse nur Patienten ohne Komorbidität eingeschlossen, abgesehen von der zwangsläufig entstehenden renalen Hypertonie. In einem begleitenden Editorial nennt Kirsten L. Johansen vom San Francisco VA Medical Center die Ergebnisse glaubwürdig (Archives of Internal Medicine 2010; doi:01.1001/archinternmed.2010. 413). Die Nephrologin weist dabei insbesondere auf die Ergebnisse der «Initiating Dialysis Early and Late»-(IDEAL-)Studie hin, die in die- sem Jahr im «New England Journal of Medicine» erschienen ist (NEJM 2010; 363: 609–619). In dieser Untersuchung waren Patienten mit frühem oder spätem Dialyse- beginn (nach Auftreten von Urämiesym- ptomen) randomisiert worden. Die Unter- schiede in der GFR zwischen den beiden Gruppen waren bei Studienende mit 2 ml/ min/1,73m2 marginal, die Sterberate unter- schied sich nicht signifikant, auch nicht die Häufigkeit von Komplikationen. Gerade die hohe Sterberate in den ersten Monaten der Dialyse dürfte den Klinikern zu denken geben. Man dürfe nicht verges- sen, so die Studienautoren, dass die Dialyse eine «invasive, lebenslange und potenziell gefährliche Intervention» sei. Die Indika- tion zur Dialyse sollte ihrer Meinung nach jedenfalls nicht allein anhand von Laborpa- rametern wie GFR oder Serumkreatinin ge- stellt werden. Allerdings müssen Ärzte wachsam sein und Urämiesymptome recht- zeitig erkennen. ■ U.B. 932 ARS MEDICI 23 ■ 2010