Transkript
P O L I T- FO RU M
UNDHEIT IN BÄRN
INTERPELLATION
Ritalin
Oskar Freysinder Nationalrat SVP Kanton Wallis
Interpellation vom 18.6.2010
Gibt es in der Schweiz eine Statistik über den zunehmenden Einsatz von Psychostimulanzien wie Ritalin und Concerta?
Gedenkt der Bundesrat, angesichts der vonseiten der UNO geäusserten Bedenken in Bezug auf diese Produkte eine eingehende
Studie über ihre Wirkung auf lange Sicht und über eventuelle Ersatzmöglichkeiten in Auftrag zu geben?
Über die Interpellation berichtete ARS MECIDI in Ausgabe 15/2010
Dies die Antwort des Bundesrates vom 8. 9. 2010
Der Bundesrat hat in der Vergangenheit regelmässig und ausführlich zum Thema Verschreibung von Ritalin an Kinder und Jugendliche Stellung bezogen. Zur medikamentösen Behandlung von Patienten mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) sind in der Schweiz mehrere Präparate mit dem Wirkstoff Methylphenidat (Ritalin, Concerta, Medikinet) erhältlich. 1. Aufgrund von Meldungen aus der Pharmaindustrie ist dem Bundesrat bekannt, dass der Verbrauch von Methylphenidat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen hat. Über die Entwicklung der Verschreibung von Ritalin und wirkstoffgleichen Arzneimitteln an Kinder und Jugendliche gibt es in der Schweiz aber keine
verbindlichen Daten. Auf Bundesebene wird im Rahmen der Überwachung des Warenflusses bei Betäubungsmitteln die Einfuhr, Ausfuhr, Herstellung und der Grosshandel kontrolliert. Diese Kontrolle bezweckt, die Abzweigung von Wirkstoffen zu verhindern, und ist nicht geeignet, um Verbrauchstatistiken auf Patientenebene zu erstellen. Um aber missbräuchliche Verschreibungen feststellen zu können, müssten noch die Diagnose und die Behandlung begleitende Massnahmen bekannt sein. Für die Kontrolle der Verschreibung sind die Kantone zuständig. Der Aufbau einer schweizweiten systematischen Analyse der Verschreibungen von Methylphenidat wäre nur mit einer vollständigen Erhebung von Patientendaten mit Diagnose und den die
Behandlung begleitenden Massnahmen möglich, was aus Datenschutzgründen nicht möglich ist. 2. Methylphenidat ist unter dem Markennamen Ritalin seit 1954 in der Schweiz zugelassen. Deshalb ist das Nutzen/Risiko-Verhältnis dieses Wirkstoffes gut bekannt. Die jeder Packung beiliegende Patienteninformation wird den aktuellen Erkenntnissen angepasst, sodass eine objektive Information gewährleistet ist. Die Fachinformation von Ritalin weist im Übrigen darauf hin, dass Ritalin zusammen mit weiteren therapeutischen Massnahmen einzusetzen ist. Seit der Zulassung von Ritalin hat der Hersteller über 200 klinische Studien zur Langzeitsicherheit sowie zu weiteren spezifischen Fragestellungen wie zum Beispiel zum Suchtpotenzial durchgeführt. Es liegt somit eine umfangreiche Datenbasis vor. Auch die weiteren Hersteller von Methylphenidat haben umfangreiche Studien mit dem gleichen Fokus durchgeführt. Deshalb sind die Nebenwirkungen des Wirkstoffs bei Kindern und Jugendlichen gut bekannt. Swissmedic informiert regelmässig über neue Erkenntnisse und passt die Arzneimittelinformation entsprechend an. Obschon das Methylphenidat unter der gleichen Wirkstoffgruppe wie Kokain subsumiert wird, nämlich unter die Gruppe der Psychostimulanzien, handelt es sich nicht um den gleichen Wirkstoff. Bis heute ist auch aufgrund der Studien nicht erkennbar, dass die medikamentöse Verabreichung von Methylphenidat bei ADHS/ADSPatienten ein erhöhtes Abhängigkeits- und Missbrauchspotenzial nach sich zieht. Aus diesen Gründen hält es der Bundesrat nicht für angebracht, im Zusammenhang mit der Verschreibung von Methylphenidat zusätzliche Studien in Auftrag zu geben.
840 ARS MEDICI 21 ■ 2010
INTERPELLATION
Pilotprojekt zur Unterstützung der Landärzte im Berner Oberland
Ricardo Lumengo Nationalrat SP Kanton Freiburg
Interpellation vom 18.6.2010
Die Ärztegesellschaft des Kantons Bern und die Krankenkasse Visana lancierten ein Pilotprojekt im Berner Oberland, um die Arbeitsbedingungen und die Vergütungen der Landärzte zu verbessern. Dazu wurden die Taxpunktwerte um ein paar Rappen zum Vorteil der praktizierenden Ärzte erhöht (siehe «Berner Zeitung», «Thuner Tagblatt» und «Berner Oberländer» vom 30. Dezember 2009). Ein solches Projekt verdient, unterstützt zu werden, weil es grundsätzlich den Fortbestand der Landärzte in wenig privilegierten Bergregionen fördert. Dies garantiert auch die medizinische Grundversorgung der Bevölkerung auf einem qua-
litativ ausreichenden Niveau. Es ist also durchaus notwendig, die im Berner Oberland gemachten Erfahrungen auf andere dünn besiedelte und wirtschaftlich benachteiligte Bergregionen der Schweiz auszudehnen. 1. Kann der Bundesrat das Ergebnis dieses Pro-
jekts evaluieren und neben der Kosten-Nutzen-Rechnung auch die Bedeutung für die angemessene Gesundheitsversorgung der Bevölkerung würdigen? 2. Wie kann er dieses Projekt konkret unterstützen? 3. Wie beurteilt er die angemessene Ausdehnung auf andere Bergregionen und wirtschaftlich benachteiligte Gebiete?
4. Ist es nötig, damit das Projekt auf andere Bergregionen, dünn besiedelte Gebiete und/oder wirtschaftlich benachteiligte Regionen ausgedehnt werden kann, im Gesetz eine neue Kategorie der Leistungserbringer einzuführen, nämlich die der Landärzte? Oder genügt es, gewisse Bestimmungen des KVG (z.B. Art. 43, 46 KVG) zu modifizieren, oder reicht es gar aus, dass die Behörden entsprechende Anpassungen im Tarmed vornehmen?
Stand der Beratung: im Plenum noch nicht behandelt.
Über die Interpellation berichtete ARS MECIDI in Ausgabe 15/2010
Dies die Antwort des Bundesrates vom 8. 9. 2010
1. 1./2. Auf Grund der in Artikel 3 der Bundesverfassung festgehaltenen Kompetenzausscheidung bildet die Gesundheitsversorgung eine öffentliche Aufgabe der Kantone. Der Bund seinerseits trägt die Verantwortung dafür, dass sich die Bevölkerung zu tragbaren Bedingungen gegen die Risiken von Krankheit und Unfall versichern kann. Für die Unterstützung von versorgungspolitischen Massnahmen, wie sie das erwähnte Pilotprojekt beinhaltet, ist der Bund nicht zuständig. Damit müsste auch die Evaluation des Projektes in Bezug auf die Gesundheitsversorgung im Interesse der Kantone liegen.
ten. Ein Tarif darf höchstens die transparent ausgewiesenen Kosten der Leistungen decken, und er darf höchstens die für eine effiziente Leistungserbringung erforderlichen Kosten decken. Eine Erhöhung des Taxpunktwertes, die sich nicht an diese Grundsätze hält und einzig aus regionalpolitischen Gründen erfolgt, widerspricht dem im KVG verankerten Wirtschaftlichkeitsgebot. Der Bundesrat könnte ein Projekt, das die gesetzlichen Vorgaben nicht beachtet, nicht unterstützen. Die Genehmigung von kantonalen Tarifverträgen obliegt jedoch der zuständigen Kantonsregierung und nicht dem Bundesrat.
Aus Sicht des Bundesrates stellt das Pilotprojekt einen Tarifvertrag nach Artikel 43 Absatz 4 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) dar. Das KVG sieht Tarifverträge zwischen einzelnen Versicherern und einzelnen beziehungsweise mehreren Leistungserbringern vor. Auch in diesen Fällen sind die vom Bundesrat auf Verordnungsebene verankerten Tarifgrundsätze zu beach-
2. Im Bericht «Zur aktuellen Situation der ärztlichen Grundversorgung» legt er seine Haltung zur Verbesserung der Grundversorgung in den Randregionen dar. Die Erkenntnisse des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (Obsan), wonach sich der Problemdruck in Randregionen aufgrund verschiedener Faktoren (wie z.B. Altersstruktur der Grundversorger, zunehmende Feminisierung und Teilzeit-
arbeit) verstärken wird, legen nahe, dass sich die Probleme nicht allein mit einer besseren Abgeltung der Leistungen lösen lassen. Vielmehr muss der Problemdruck in Randregionen mit zusätzlichen Massnahmen abgebaut werden, namentlich mit der Verringerung des wirtschaftlichen Risikos für den Einzelnen, mit der Verhinderung seiner Isolation sowie mit der Verbesserung der Vernetzung mit anderen Gesundheitsfachpersonen vor Ort.
3. Der Bundesrat hält die im Rahmen der KVG-Revision im Bereich von Managed Care zurzeit in den eidgenössischen Räten diskutierte Bildung von integrierten Versorgungsnetzen für den richtigen Ansatz, um die Attraktivität der ärztlichen Tätigkeit auch in ländlichen Regionen zu verbessern. Die Schaffung einer neuen Spezialistengruppe «Landarzt» sowie Massnahmen, die im Tarifbereich dem vom KVG gesetzten Rahmen widersprechen, kann er nicht unterstützen.
Stand der Beratung: im Plenum noch nicht behandelt.
ARS MEDICI 21 ■ 2010 841