Transkript
Editorial
Statine gelten mittlererweile als sehr gut dokumentierte und in aller Regel gut verträgliche Wirkstoffe zur Senkung des kardiovaskulären Risikos. Entsprechend imposant ist ihr Siegeszug: Weltweit sollen mindestens 25 Millionen Menschen Statine einnehmen. Begleitet war diese Entwicklung aber immer auch von warnenden Stimmen, die auf unerwünschte Effekte hinwiesen, die – wenn auch selten oder sehr selten – eben doch ins Gewicht fallen, wenn viele Patienten behandelt werden. Soeben haben Julia HippisleyCox und Carol Coupland (Divison of Primary Care, University Park, Nottingham/UK) dazu interessante Beobachtungen im «British Medical Journal» (BMJ) publiziert. Sie warten mit beein-
needed to harm» (NNH) für die unerwünschten
Statineffekte an:
Frauen Männer
akutes Nierenversagen
434 346
Katarakt
33 52
Leberdysfunktion
136 142
Myopathie
259 91
Statine in 368 Allgemeinpraxen
druckend grossen Zahlen auf, waren sie doch in der Lage, die Daten von 225 922 Statinbenutzerinnen und -benutzern zwischen 30 und 84 Jahren aus 368 Allgemeinpraxen in England und Wales mit denjenigen von 1 778 770 Nichtbenutzern zu vergleichen. Dies erlaubte den Autorinnen abzuschätzen, mit wie vielen zusätzlichen Fällen gewisser Erkrankungen unter Statineinnahme innert 5 Jahren zu rechnen ist. Für Frauen sieht die Rechnung folgendermassen aus: Auf 10 000 Behandelte kommen 23 Fälle mit akutem Nierenversagen, 307 Fälle mit Katarakt, 74 Fälle mit Leberdysfunktion und 39 Fälle mit Myopathie. Dem stehen 271 verhütete Fälle kardiovaskulärer Erkrankungen sowie 8 verhütete Ösophaguskarzinome gegenüber. Bei Männern errechneten die Autorinnen vergleichbare Zahlen (zusätzliche Fälle mit akuter Niereninsuffizienz: 29; Katarakt: 191; Leberstörungen: 71; Myopathien: 110) sowie 301 verhinderte Herz-Kreislauf-Erkrankungen und 9 verhinderte Speiseröhrenkarzinome. Hippisley-Cox und Coupland geben auch die «Numbers
Gesamthaft, so die Einschätzung der Autorinnen und des Begleiteditorials im BMJ, überwiegen die Nutzen die Risiken der Statinbehandlung eindeutig. Und dies dürfe auch für den medizinischen Alltag ausserhalb von kontrollierten klinischen Studien und die Verhältnisse in der Allgemeinmedizin gelten. Nicht unerwähnt bleibt der Vorbehalt, dass eine derartige Beobachtungsstudie nie von Störfaktoren frei sein kann und deshalb mit Vorsicht aufzunehmen ist. Aber: «Wir sollten das Ausmass des Statinnutzens weder überbetonen noch die Nebenwirkungen übertreiben. Wenn sie leitliniengerecht eingesetzt werden, überwiegen die Vorteile der Statine ihre Risiken.» Diese Nutzen-Risiko-Abwägung wird auch bei jeder Indikationsausweitung erneut vorzunehmen sein.
Halid Bas
Julia Hippisley-Cox, Carol Coupland: Unintended effects of statins in men and women in England and Wales: population based cohort study using the QResearch database. BMJ 2545;345:c2497. doi: 10.1136/bmj.c2197 Alawi A. Alsheikh-Ali, Richard H. Karas: Balancing the intended and unintended effect of statins. BMJ 2010;340:c2240. doi: 10.1136/bmj.c2240
ARS MEDICI 13 ■ 2010 505