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Titel
Azetylsalizylsäure plus Metoclopramid bei Migräne
Untertitel
Neuer Cochrane-Report bestätigt Wirksamkeit
Lead
Viele Migränepatienten verwenden frei verkäufliche Medikamente wie Azetylsalizylsäure (ASS). Ein kürzlich publizierter Cochrane- Report bestätigt, dass eine hohe Dosis ASS mit oder ohne zusätzliches Antiemetikum (abzüglich der Plazeborate) bei jedem dritten Patienten die Beschwerden nachweisbar innert zwei Stunden lindert.
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-
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MEDIZIN — STUDIE REFERIERT
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720
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STUDIE REFERIERT

Azetylsalizylsäure plus Metoclopramid bei Migräne
Neuer Cochrane-Report bestätigt Wirksamkeit

Viele Migränepatienten verwenden
frei verkäufliche Medikamente
wie Azetylsalizylsäure (ASS). Ein
kürzlich publizierter Cochrane-
Report bestätigt, dass eine hohe
Dosis ASS mit oder ohne zusätz-
liches Antiemetikum (abzüglich
der Plazeborate) bei jedem dritten
Patienten die Beschwerden nach-
weisbar innert zwei Stunden lindert.
COCHRANE DATABASE
Die Metaanalyse der britischen Cochrane-Autoren stützt sich auf 13 Studien mit insgesamt 4222 Migränepatienten beziehungsweise 5261 mittlere bis schwere Migräneattacken. In den Studien wurde ASS mit oder ohne Metoclopramid mit Plazebo oder Sumatriptan verglichen.
Endpunkt 1: Schmerzfrei nach zwei Stunden Für den von der International Headache Society (IHS) empfohlenen Endpunkt «schmerzfrei nach 2 Stunden» ergaben sich folgende Resultate: In 7 Studien mit 1000 mg ASS waren im Durchschnitt 24 Prozent der Patienten nach zwei Stunden schmerzfrei (14– 29%), mit Plazebo waren es 11 Prozent (5–17%). Statistisch betrachtet muss 1 von 8 Patienten mit einer mittleren bis

schweren Migräneattacke mit ASS behandelt werden, damit er von ASS profitierte (NNT). In den beiden Studien mit 900 mg ASS plus 10 mg Metoclopramid waren 18 Prozent der Patienten nach zwei Stunden schmerzfrei (14–21%), mit Plazebo waren es 7 Prozent (5–8%). Dies ergibt eine NNT von 8,8. Trotz leicht abweichender Prozentzahlen war jedoch kein tatsächlicher, statistisch signifikanter Unterschied zwischen ASS alleine oder ASS plus Metoclopramid zu verzeichnen. Sumatriptan war in der 100-mg-Dosis besser als ASS plus Metoclopramid. In den beiden hierfür verfügbaren Studien waren 28 Prozent der Patienten schmerzfrei nach zwei Stunden. Die NNT betrug 9,8, das bedeutet in anderen Worten: Jeder 10. Patient, der 100 mg Sumatriptan erhielt, wäre nicht schmerzfrei geworden, wenn er stattdessen ASS plus Metoclopramid erhalten hätte. In der 50-mg-Dosierung erwies sich Sumatriptan nicht als überlegen, weder gegenüber ASS alleine noch gegenüber der Kombination mit Metoclopramid.
Endpunkt 2: Schmerzlinderung nach zwei Stunden Die Resultate bezüglich des Endpunkts Schmerzlinderung entsprachen nicht ganz denjenigen bei der Schmerzfreiheit, ein Phänomen, das nicht zuletzt auf die schlechtere Messbarkeit einer Linderung zurückzuführen sein dürfte. In 6 entsprechenden Studien mit ASS alleine (900 oder 1000 mg) war eine deutliche Schmerzlinderung bei 52 Prozent der Patienten zu verzeichnen (48–55%), die Plazeborate betrug hier 32 Prozent (19–37%). Die NNT betrug 4,9.

In drei Studien mit ASS plus Metoclopramid (900 mg plus 10 mg) verspürten 57 Prozent der Patienten eine deutliche Schmerzlinderung, die Plazeborate betrug 26 Prozent, was eine NNT von 3,3 ergibt. Im Vergleich der ASS-Monotherapie- und der ASS-Metoclopramid-Kombinationsstudien zeigte sich, dass die Kombination erfolgreicher bezüglich der Schmerzlinderung war, obgleich im härteren Endpunkt «Schmerzfreiheit» kein Unterschied nachgewiesen werden konnte. Im Vergleich mit ASS alleine oder mit ASS plus Metoclopramid erwies sich Sumatriptan weder in der 50- noch in der 100-mg-Dosis besser bezüglich der Schmerzlinderung, obgleich die 100-mgDosis im härteren Endpunkt «Schmerzfreiheit» besser abgeschnitten hatte.
Einfluss auf Begleitsymptome Migräneattacken gehen in der Regel mit Übelkeit sowie hoher Licht- und Lärmempfindlichkeit einher. Die Autoren weisen darauf hin, dass es eigentlich zu wenige Fälle von dokumentierter Übelkeit mit Erbrechen gab, um eine verlässliche Analyse durchzuführen, und auch die Datenlage zur Licht- und Lärmempfindlichkeit eher dünn sei. Alles in allem erwiesen sich sowohl ASS als auch ASS plus Metoclopramid oder Sumatriptan in
Merksätze
■ Azetylsalizylsäure (ASS) mit oder ohne das Antiemetikum Metoclopramid ist eine Option für die Behandlung akuter Migräneattacken.
■ Etwa jeder vierte Migränepatient wird damit nach zwei Stunden schmerzfrei, abzüglich der Plazeborate sind es noch 13 Prozent.
■ Bezüglich der Schmerzfreiheit nach zwei Stunden bei mittleren oder schweren Migräneattacken hat die Kombination von ASS (900 mg) plus Metoclopramid (10 mg) eine vergleichbare Wirksamkeit wie 50 mg Sumatriptan.

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STUDIE REFERIERT

Bezug auf die Begleitsymptome besser als Plazebo. Wie zu erwarten, kam es mit ASS plus Metoclopramid seltener zum Erbrechen als mit ASS alleine.
Nebenwirkungen Die Therapien wurden in den 13 Studien im Allgemeinen als gut verträglich bezeichnet. Nebenwirkungen waren in der Regel von geringem oder mittlerem Ausmass und gingen von selbst zurück. In insgesamt 7 der Studien mit 1892 Patienten berichteten 14 Prozent der Patienten mit ASS mit oder ohne Metoclopramid sowie 11 Prozent der entsprechenden Plazebopatienten von Nebenwirkungen, was einem relativen Risiko von 1,3 (1,02–1,6) und einer «number needed to harm» von 34 entspricht (NNH: 18–340).

☞ LINKS
Aktuelle Therapieempfehlungen der Schweizerischen Kopfwehgesellschaft: www.headache.ch
Sumatriptan in der 100-mg-Dosis schnitt im Vergleich mit ASS mit oder ohne Metoclopramid etwas schlechter ab. Hier lag die NNH bei 8, das heisst, 1 von 8 Patienten mit 100 mg Sumatriptan berichtete zusätzlich über Nebenwirkungen.
Empfehlungen der SKG Die Schweizerische Kopfwehgesellschaft empfiehlt die Behandlung mit ASS mit

oder ohne Metoclopramid gleichberech-

tigt neben anderen Schmerzmitteln für

«Migräneattacken von geringer Intensi-

tät und ohne Behinderung im Alltag».

Prinzipiell seien alle NSAR und andere

Analgetika möglich, wobei sogenannten

«Rapid»-Formen, beziehungsweise Brau-

setabletten oder Granulaten, der Vorzug

zu geben sei.

Renate Bonifer

Interessenlage: Die Metaanalyse wurde finanziert von Schmerzforschungsfonds, dem National Health Service UK (NHS) und dem National Institute for Health Research (NIHR); einige Autoren deklarieren Honorare als Berater für verschiedene pharmazeutische Firmen.
Kirthi V, Derry S, Moore RA, McQuay HJ: Aspirin with or without an antiemetic for acute migraine headaches in adults. Cochrane Database of Systematic Reviews 2010, Issue 4. Art. No.: CD008041. DOI: 10.1002/14651858.CD008041.pub2

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