Transkript
Sodbrennen
Was tun bei Therapieresistenz?
FORTBILDUNG
Bei Patienten mit Sodbrennen führt die Behandlung
mit einem Protonenpumpenhemmer nicht immer zum
Erfolg. Bei einer solchen Therapieresistenz ist ein
stratifiziertes Vorgehen gefragt, um diagnostische
Irrungen und therapeutische Frustrationen zu ver-
meiden. Die entscheidenden Massnahmen bestehen
darin, die Diagnose zu überprüfen, die Therapie zu
optimieren und bei sorgfältig ausgewählten Patienten
eine Operation zu erwägen.
JOACHIM LABENZ
Fast die Hälfte aller Erwachsenen kennt Refluxbeschwerden aus eigener Erfahrung und mindestens 20 Prozent sind als refluxkrank anzusehen (1). Sodbrennen, ein brennendes Gefühl hinter dem Brustbein, ist neben Regurgitation das Leitsymptom der gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD) (2). Säurereflux ist die häufigste, aber nicht die einzige Ursache von Sodbrennen.
Ursachen einer Therapieresistenz Man spricht von therapieresistentem Sodbrennen, wenn eine achtwöchige Therapie mit der einfachen Standarddosis eines PPI nicht zur adäquaten Symptomkontrolle führt (3). Es handelt sich um ein häufiges klinisches Problem, das mindestens 30 Prozent der GERD-Patienten betrifft. Das Ursachenspektrum für das Versagen einer PPI-Therapie ist breit (Tabelle 1). Falsche Diagnose: Sodbrennen kann durch andere Krankheiten als eine GERD hervorgerufen werden. Zu nennen sind hier Ösophagitiden anderer Genese (z.B. infektiös, medikamentöstoxisch, eosinophil), Motilitätsstörungen der Speiseröhre und extraösophageale Erkrankungen wie die koronare Herzkrankheit. Falsche Einnahme der Medikation: Die Compliance mit der Medikation ist oft schlecht. So nehmen nur 55 Prozent der
Tabelle 1: Ursachenspektrum bei therapieresistentem Sodbrennen (3)
■ falsche Diagnose ■ mangelnde Compliance ■ unzureichender PPI-Effekt ■ gestörte Magenentleerung
■ begleitendes Reizdarmsyndrom ■ funktionelles Sodbrennen ■ nicht saurer Reflux ■ psychische Komorbidität
Patienten nach einem Monat und 30 Prozent der Patienten nach sechs Monaten den PPI wie verordnet ein (3). PPI sollten für eine optimale Wirkung zirka 30 Minuten vor einer Mahlzeit eingenommen werden. In einer Populationsstudie zeigte sich, dass PPI in mehr als der Hälfte der Verordnungsfälle (54%) falsch eingenommen werden (4). Der Einnahmezeitpunkt eines PPI sollte sich nach der Hauptsymptomlast richten, das heisst bei Beschwerden tagsüber erfolgt die Einnahme vor dem Frühstück und bei Beschwerdemaximum abends oder nachts vor dem Abendessen. Unzureichender Effekt der Medikation: Persistierender Säurereflux ist eine relevante Ursache für Therapieresistenz (5). In aller Regel liegt dem eine unzureichende Dosierung des PPI zugrunde. Seltene Ursachen sind eine reduzierte Bioverfügbarkeit eines PPI, ein beschleunigter Metabolismus, eine PPIResistenz und Erkrankungen mit massiv erhöhter Säureproduktion (z.B. Zollinger-Ellison-Syndrom) (3).
Merksätze
■ Primär ist zu klären, wie sicher die Diagnose GERD tatsächlich ist.
■ Von therapieresistentem Sodbrennen spricht man, wenn eine achtwöchige Therapie mit der Standarddosis eines Protonenpumpenhemmers (PPI) erfolglos war.
■ Es ist wichtig, PPI konsequent und zum richtigen Zeitpunkt einzunehmen.
■ Chirurgische Eingriffe sind nicht wirksamer als eine korrekt durchgeführte PPI-Therapie.
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FORTBILDUNG
Tabelle 2: Diagnostische Methoden zur Abklärung von Sodbrennen bzw. therapieresistentem Sodbrennen
Nicht saurer Reflux: Refluxereignisse mit einem pH-Wert > 4 des Refluats können Beschwerden hervorrufen. In einer Studie mit 200 Patienten, die trotz Einnahme einer Doppeldosis eines PPI anhaltende Refluxsymptome hatten, konnte bei mehr als
Etabliert: ■ Anamnese (inkl. validierter Fragebögen) ■ Endoskopie ± Biopsie ■ Langzeit-pH-Metrie des Ösophagus ■ kombinierte pH-Metrie/Impedanzmessung des Ösophagus
einem Drittel der Patienten nicht saurer Reflux als Ursache identifiziert werden (6). Hypersensitiver Ösophagus und funktionelles Sodbrennen: Etwa 70 Prozent aller Patienten mit einer GERD haben zum Zeitpunkt der Diagnosestellung eine nicht erosive Refluxkrankheit (NERD), das heisst Refluxbeschwerden in Verbindung mit
In begründeten Einzelfällen:
einem endoskopischen Normalbefund in der Speiseröhre. Sind
■ Manometrie
die Symptome bei normaler pH-Metrie mit physiologischen
■ «Umfelddiagnostik» (z.B. Belastungs-EKG)
Refluxereignissen assoziiert, spricht man von einem hypersen-
Obsolet: ■ Ösophagus-Breischluck ■ Messung der Bilirubinabsorption im Ösophagus (Bilitec)
sitiven Ösophagus. Ein sogenanntes funktionelles Sodbrennen liegt vor, wenn kein Zusammenhang zwischen Refluxepisoden und Symptomen besteht (3, 7). Magenentleerungsstörung: Patienten mit GERD weisen nicht
selten eine verzögerte Magenentleerung auf. Möglicherweise
kann eine verlängerte Verweilzeit von Nah-
rung im Magen mit konsekutiver Druckerhö-
Komorbidität? (Psyche, RDS)
persistierendes Refluxsyndrom nach 8 Wochen
PPI 1 × täglich
GERD nicht gesichert
weitere Diagnostik
hung den Reflux verstärken. Zudem hatte in einer Pilotstudie die Injektion von Botulinumtoxin in den Pylorus einen günstigen Effekt auf Refluxsymptome (3).
GERD gesichert
Komorbiditäten: Patienten mit GERD weisen
nicht selten eine psychische Komorbidität
anderer PPI 8 Wochen
Verbesserung Compliance, optimierte Einnahme
+ Gewichtsabnahme, verbesserte Schlafhygiene
auf. Dies ist insbesondere in der Gruppe der Patienten mit therapierefraktären Reflux-
Versagen
Versagen
beschwerden zu beobachten (8). Das Spektrum der Erkrankungen reicht von Depressionen
Doppeldosis PPI (1-0-1) 8 Wochen
über bipolare Störungen, Schizophrenie, Suchterkrankungen bis hin zu Angststörungen und Somatisierung. Auch ein komorbides
Versagen
Reizdarmsyndrom kommt bei Patienten mit
pH-Metrie (24/48 h) Impedanz-pH-Monitoring
empirische Therapie
GERD gehäuft vor, was die Erfolgsaussichten einer PPI-Therapie deutlich schmälert (9).
negativ
Säurereflux
schwach saurer Reflux
Regurgitation
dominantes Symptom
Sodbrennen
TAD Optimie- Baclofen
SSRI rung PPI- Antireflux-
Therapie
OP
Versagen
+ H2-Blocker zur Nacht
Optimierung PPITherapie
+ H2-Blocker zur Nacht
TAD SSRI
Abbildung: Algorithmus zum diagnostischen und therapeutischen Vorgehen bei therapieresistentem Refluxsyndrom (RDS = Reizdarmsyndrom, TAD = trizyklisches Antidepressivum, SSRI Serotonin-Wiederaufnahmehemmer)
Diagnostik bei therapieresistentem Sodbrennen Primär ist zu klären, wie sicher die Diagnose GERD tatsächlich ist. Bei bislang unzureichender beziehungsweise unsicherer Diagnostik sind die notwendigen Massnahmen zu ergreifen, die die Diagnose GERD sichern beziehungsweise ausschliessen (Tabelle 2). Eine GERD kann als Grundlage therapieresistenter Refluxbeschwerden zuverlässig nur dann ausgeschlossen werden, wenn ohne Therapie endoskopisch keine Refluxösophagitis und kein Barrett-Ösophagus vorliegen und mittels Impedanz-pH-Metrie Refluxereignisse mit positiver Symptomassoziation ausgeschlossen wurden. Persistieren die Symptome trotz optimierter und intensivierter PPI-Therapie, sollte eine
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SODBRENNEN
funktionelle Diagnostik mittels Langzeit-pH-Metrie oder, falls verfügbar, kombinierter pH-Metrie/Impedanzmessung erfolgen. Ist die Diagnose einer GERD nicht gesichert, empfiehlt sich diese Diagnostik ohne medikamentöse Therapie, das heisst PPI müssen mindestens eine, besser zwei Wochen abgesetzt sein. Ist dagegen eine GERD zuverlässig erkannt, empfiehlt sich die Diagnostik unter Therapie zum Nachweis beziehungsweise Ausschluss eines persistierenden sauren beziehungsweise auch nicht sauren Refluxes.
Therapieoptionen bei refraktärem Sodbrennen Einen günstigen Effekt auf Symptome und Säurereflux (pHMetrie) hat bei übergewichtigen Patienten eine Gewichtsreduktion (10). Mit steigendem BMI nimmt der Säurereflux zu und der Effekt von PPI ab (11). Schlechter Schlaf steigert die Intensität der Empfindungen bei Säureperfusion der Speiseröhre (12). Darüber hinaus empfiehlt es sich, individuelle Refluxauslöser (z.B. bestimmte Nahrungsmittel oder Getränke) zu meiden und allgemein gesundheitsschädliche Verhaltensweisen wie zum Beispiel das Rauchen einzustellen. Die besondere Bedeutung einer regelmässigen Einnahme des PPI sollte betont werden, da die Medikamente erst nach einigen Tagen konsequenter Einnahme auch ihre volle Wirkung entfalten. Ebenso sollte auf die Einhaltung des optimalen Einnahmezeitpunkts in Relation zu den Mahlzeiten (ca. 15 bis 30 Minuten vorher) und in Bezug zur Hauptsymptomlast hingewirkt werden. Liegt dennoch ein unzureichender PPI-Effekt vor, kann man alternativ und kostenneutral auf einen anderen PPI wechseln, da es interindividuelle Unterschiede im Ansprechen auf die verschiedenen PPI gibt und auch die auf dem Markt befindlichen PPI sich in ihrer Wirksamkeit unterscheiden (7). Alternativ oder bei Versagen des Präparats und wenn aufeinanderfolgende Präparatewechsel auch keine Besserung bringen, ist eine Dosiserhöhung zu empfehlen. Allerdings sollte diese durch Erhöhung der Einnahmefrequenz erfolgen und nicht durch eine Verdopplung der Einzeldosis: Im Einzelfall kann auch zusätzlich noch ein H2-Blocker zur Nacht gegeben werden (3), wenngleich dieses Vorgehen nicht evidenzbasiert ist und die Wirkung dieser Substanzen auch oft rasch nachlässt (Tachyphylaxie).
Therapiestudien gibt, ist ihr Einsatz am Ende der diagnostischen und therapeutischen Bemühungen bei Patienten mit hypersensitivem Ösophagus (als «add-on» zu PPI) und bei funktionellem Sodbrennen als alleinige Massnahme zu befürworten (3).
Antirefluxchirurgie
Die laparoskopische Fundoplicatio, von einem erfahrenen
Chirurgen durchgeführt, ist nicht wirksamer als eine korrekt
durchgeführte PPI-Therapie (13). Insbesondere bei Patienten
mit therapierefraktärem Sodbrennen versagt auch häufig die
Operation. Dementsprechend sollten auf keinen Fall Patienten
in dieser Situation unkritisch zur Operation überwiesen wer-
den. Diese ist nur eine Option für Patienten, bei denen ein
Zusammenhang von Symptomen mit persistierenden Reflux-
ereignissen zweifelsfrei demonstriert werden konnte.
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Literatur unter www.allgemeinarzt-online.de/downloads
Prof. Dr. med. Joachim Labenz Medizinische Fakultät der Universität Duisburg-Essen
Evangelisches Jung-Stilling-Krankenhaus Wichernstrasse 40 D-57074 Siegen
E-Mail: J.Labenz@t-online.de
Interessenkonflikte: Der Autor erhielt Honorare für Vorträge und Beratungstätigkeiten sowie Drittmittel aus klinischen Studien von der Firma AstraZeneca.
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 11/2009. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor.
Alternative und additive Therapien Refluxblocker: Medikamente, die Relaxationen des unteren Ösophagussphinkters hemmen (z.B. Baclofen), sind in der GERD-Therapie wirksam. Das Nebenwirkungsprofil von Baclofen steht einem breiten Einsatz allerdings im Wege. Gallensalzbindung und Schleimhautschutz: Gelegentliche Durchbruchsymptome können durchaus mit einem Antazidum behandelt werden. Für eine regelmässige Anwendung dieser Substanzen oder auch von Colestyramin und Sucralfat gibt es keine wissenschaftliche Datenbasis. Antidepressiva: Trizyklische Antidepressiva und SerotoninWiederaufnahmehemmer haben einen Effekt auf die Sensitivität der Speiseröhre. Auch wenn es keine aussagekräftigen
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