Transkript
STUDIE REFERIERT
Subklinische Hypothyreose birgt kaum Gesundheitsrisiken
Prospektive Beobachtungsstudie bei über 70-Jährigen
Erhöhte TSH-Werte bei normalen
Thyroxin-Serumspiegeln finden
sich im Alter häufiger. Ob die
so definierte subklinische Hypo-
thyreose auch mit erhöhten
Gesundheitsrisiken einhergeht,
untersuchte eine Kohortenstudie.
ARCHIVES OF INTERNAL MEDICINE
Die Prävalenz der subklinischen Hypothyreose beträgt zwischen 70 und 79 Jahren etwa 6 Prozent und betrifft bei Menschen ab 80 Jahren sogar jeden Zehnten. Einerseits besteht die Möglichkeit des Übergangs in eine offene Hypothyreose, andererseits ist die subklinische Schilddrüsenunterfunktion mit dem Risiko erhöhter Lipidwerte, einem stärkeren kognitiven Abbau und symptomatischen kardiovaskulären Erkrankungen in Zusammenhang gebracht worden. Diese Beziehungen sind jedoch kontrovers – ebenso wie die Frage nach einer Behandlungsindikation bei der subklinischen Hypothyreose. Die vorliegende Beobachtungsstudie wollte eine mögliche Beeinträchtigung der funktionellen Mobilität im Zusammenhang mit dem endokrinologischen Messwert untersuchen.
Methodik Die Autoren benützten dazu die Ausgangsmesswerte des thyreoidstimulierenden Hormons (TSH) bei Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Studie Health,
Aging, and Body Composition (Health ABC) und bildeten drei Gruppen: ■ euthyreot: TSH ≥ 0,4–4,5 mIU/l ■ leicht subklinisch hypothyreot: TSH
≥ 4,5–7,0 mIU/l ■ mässig subklinisch hypothyreot:
TSH ≥ 7,0–≤ 20,0 mIU/l mit normalem freiem Thyroxinspiegel.
Die Erfassung der Mobilität stützte sich auf Angaben der Teilnehmenden sowie auf Messungen der Ganggeschwindigkeit in üblichem und schnellstmöglichem Tempo. Ausserdem erfolgte die Erfassung der kardiorespiratorischen Fitness anhand eines Langstreckengehtests und der dabei gemessenen Herzfrequenz.
Ergebnisse 2290 Teilnehmer entsprachen den Studienanforderungen, hatten also keine Zeichen einer klinischen Schilddrüsenerkrankung und waren soweit gehfähig, dass sie die Tests zu Beginn und zwei Jahre später absolvieren konnten. In alters- und geschlechtsadjustierten Analysen zeigten die Teilnehmer der Gruppe mit leichter subklinischer Hypothyreose im Vergleich zu Euthyreoten eine bessere Mobilität und kardiorespiratorische Fitness und berichteten von grösserer Leichtigkeit beim Gehen. Nach zwei Jahren hatten diese Teilnehmer eine mit derjenigen bei der euthyreoten Gruppe vergleichbare Mobilitätsabnahme erfahren, behielten jedoch ihren funktionellen Vorsprung gegenüber den euythreoten Teilnehmern.
Diskussion Diese Studienergebnisse bedeuten in der Einschätzung der Autoren, dass Perso-
nen mit allgemein gutem Funktionszu-
stand, deren TSH-Wert in den Bereich
der leichten subklinischen Hypothy-
reose fällt, keine schlechtere funktionelle
Mobilität haben als vergleichbare Alters-
genossen mit euthyreotem Wert. Im Ge-
genteil scheinen solche Individuen sogar
einen leichten Mobilitätsvorteil zu besit-
zen. Obwohl Studienteilnehmer mit
etwas ausgeprägterer, «mässiger» TSH-
Erhöhung von mehr Gehschwierigkeiten
berichteten und häufiger Kontraindika-
tionen für Ausdaueraktivität aufwiesen,
schnitten sie in allen übrigen Mobilitäts-
parametern ähnlich gut ab wie Euthy-
reote.
Natürlich kann diese Beobachtungsstu-
die keine Kausalitäten belegen. So bleibt
offen, ob die bessere Mobilität dem bes-
seren Gesundheitszustand oder einer be-
stimmten Schilddrüsenfunktionsklassifi-
zierung zuzuschreiben ist. Ebenso muss
offen bleiben, welchen Einfluss auf die
funktionelle Mobilität eine Substituti-
onstherapie bei Individuen mit subklini-
scher Hypothyreose hätte.
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Eleanor M. Simonsick et al. for the Health ABC Study: Subclinical hypothyroidism and functional mobility in older adults. Arch Intern Med 2009; 169 (No. 21): 2011—2017.
Interessenlage: Die Originalpublikation deklariert keine Interessenkonflikte. Die Studienfinanzierung erfolgte teilweise durch die National Institutes of Health (NIH), Bethesda.
Halid Bas
Merksätze
■ Subklinische Hypothyreosen (definitionsgemäss isolierte leichte TSHErhöhungen über die obere Normgrenze bei normalen Thyroxinspiegeln) nehmen mit dem Alter zu.
■ Eine prospektive Beobachtungsstudie konnte keine Zeichen für eine schlechtere funktionelle Gesundheit, insbesondere Gehfähigkeit und Fitness, finden.
420 ARS MEDICI 10 ■ 2010