Transkript
FORTBILDUNG
Im Frühjahr verstärkt nach Asthma fahnden!
Periodisches Asthma bei Heuschnupfenpatienten periodisch behandeln
Asthma tritt nicht nur ganzjährig auf. Insbesondere
Patienten, die im Frühjahr mit «Heuschnupfen» zu
kämpfen haben, leiden irgendwann gleichzeitig unter
Asthmabeschwerden. Die Diagnostik und Therapie
eines solchen periodischen Asthmas stellt eine Her-
ausforderung für Arzt und Patient dar.
THOMAS HAUSEN
Bei 30 Prozent aller «Heuschnupfenpatienten» erfolgt im Lauf ihres Lebens der berüchtigte Etagenwechsel, das heisst, zusätzlich zur Rhinokonjunktivitis stellt sich ein Asthma ein. Daran wird jedoch viel zu selten gedacht, weil die Symptome nicht immer typisch für ein Asthma sind. Sehr häufig deutet nur ein trockener Husten auf das Asthma hin, und Luftnot fehlt. Die meisten Patienten umschreiben die Hinweise auf ihr Asthma, nämlich Piepsen, Husten oder sogar leichte Luftnot, als «allergischen Husten» oder bezeichnen sie einfach als «Allergie». Jeder Arzt, der seine Patienten mit einer Rhinokonjunktivitis regelmässig in ihrer Saison nach Husten oder Luftnot in den frühen Morgenstunden oder bei Belastung fragt, wird viele neue Asthmapatienten finden.
Asthmaformen Beim Asthma unterscheiden wir vom Verlauf her drei Formen: 1. das periodische Asthma, früher saisonales Asthma 2. das ganzjährige, perenniale Asthma 3. das perenniale Asthma mit periodischer Verschlechterung
als «Kombination» aus 1 und 2.
Für unsere aktuelle Betrachtung ist das ganzjährige Asthma uninteressant. Die beiden anderen Verlaufsformen bieten dagegen diverse Besonderheiten, die zu erwähnen sind. Die genannten Symptome schreien förmlich nach einer korrekten Asthmatherapie! Zu jeder Zeit kann sich hier explosionsartig ein lebensbedrohliches Ereignis entwickeln.
Periodisches Asthma Viele Patienten mit einem allergischen Asthma werden nur zur Hochzeit ihrer Allergiebelastung asthmatisch. Wie bereits oben erwähnt, wird dieses Asthma bei vielen Patienten nicht diagnostiziert, weil der Patient die Beschwerden nicht als asthmatisch einstuft und/oder der Arzt die Krankheit nicht erkennt. Beschränken wir uns bei Patienten mit einem periodischen Asthma gemäss dem Motto «No symptoms, no drugs» auf die Zeit der Beschwerden, gehen wir damit einen faulen Kompromiss ein. Denn wir müssen davon ausgehen, dass die asthmatische Entzündung in der Schleimhaut der Atemwege ganzjährig vorhanden ist, aber nur zum Zeitpunkt der intensiven Allergenbelastung so stark zunimmt, dass sie zu spürbaren Beschwerden führt. Gehen wir bei fehlenden Beschwerden leichtfertig von einer fehlenden Aktivität aus, besteht die Gefahr, dass der Patient plötzlich und völlig unerwartet einen Asthmaanfall erleidet und diesem dann schutzlos, das heisst ohne Therapie ausgeliefert ist. Eine eventuelle Entzündungsaktivität ausserhalb ihrer Saison sollte also mithilfe der Lungenfunktion, der Peak-Flow-Messung durch den Patienten oder einer NO-Messung nachgewiesen beziehungsweise ausgeschlossen werden (Tabelle).
Merksätze
■ Periodisches Asthma wird oft nicht diagnostiziert, weil der Patient die Beschwerden falsch interpretiert oder der Arzt die Krankheit nicht erkennt.
■ Man muss davon ausgehen, dass die asthmatische Entzündung ganzjährig vorhanden ist. Lässt sich diese nachweisen, sollte ganzjährig mit wechselnder Intensität eine Asthmatherapie erfolgen.
■ Im Idealfall genügt eine Behandlung mit inhalativen Steroiden während der entsprechenden Pollensaison (Vorlauf 2—3 Wochen).
■ Von der intramuskulären Injektion eines Depot-Kortisonpräparats muss dringend abgeraten werden.
ARS MEDICI 9 ■ 2010 367
FORTBILDUNG
KOMMENTAR
Prof. em. Dr. med. Brunello Wüthrich, Zollikerberg
Spezifische Immuntherapie nicht vergessen!
Mit Recht weist Kollege Thomas Hausen darauf hin, dass perio-
disches Asthma bei Pollenallergien oft nicht diagnostiziert wird. Der
Patient interpretiert die Beschwerden falsch, oder der Arzt erkennt
die Erkrankung nicht, weil die Symptome nicht immer typisch für ein
Asthma sind und beispielsweise nur ein trockener Husten vorliegt
und die charakteristische Atemnot fehlt.
Nicht nur das Asthma, sondern auch die pollenallergische Ätio-
pathogenese des in den Wintermonaten immer wiederkehrenden
Schnupfens, häufig mit Hustenreiz verbunden, wird häufig verkannt.
Gründe hierfür sind, dass einerseits die banalen viralen «Erkältungs-
schnupfen» in den milden Wintermonaten Saison haben und ander-
seits beim Frühjahrkatarrh häufig die typische Konjuktivitis fehlt –
die Symptome der unteren Atemwege können sich auch ohne vor-
hergehende Rhinokonjunktivitis, das heisst nicht im Sinne eines Eta-
genwechsels, manifestieren. Wer denkt schon daran, dass an milden
Wintertagen von Dezember bis März, wenn auch die Landschaft noch
verschneit ist, trotzdem eine starke Belastung mit Hasel- und Erlen-
pollen bestehen kann? Zudem erlebt man in den letzten Jahren das
Phänomen, dass immer ältere Jahrgänge erstmals eine Pollenaller-
gie erwerben können; hier stehen die Birkenpollen im Vordergrund.
Ebensowenig wie vor der sprichwörtlichen Torheit schützt das Alter
leider vor einer Allergie.
In diesem guten Beitrag mit seinen instruktiven Fallbeispielen ver-
misse ich bei den therapeutischen Empfehlungen allerdings den Hin-
weis auf die Indikationsstellung einer spezifischen Immuntherapie
(SIT). Gerade beim saisonalen Asthma führt die SIT nicht nur zu einer
entscheidenden Verbesserung der Lebensqualität gegenüber der
reinen symptomatischen Therapie allein, sondern auch langfristig
zu einer deutlichen Verminderung der sozialen und persönlichen
Gesundheitskosten. Diesbezüglich sei auf meinen Beitrag in dieser
Zeitschrift (Aktuelle Aspekte der spezifischen Immuntherapie (SIT),
ARS MEDICI 2010; 2: 58—62) hingewiesen.
■
Tabelle: Nachweiskriterien Tabelle: einer asthmatischen Aktivität
Lungenfunktion ■ erniedrigte Vitalkapazität (IVC) ■ erniedrigte FEV1 ■ Hinweise auf eine Obstruktion in der Fluss-Volumen-Kurve Vor allem: ■ Besserung von IVC, FEV1 und des Kurvenverlaufs nach Inhalation ■ eines Bronchodilatators (Bronchospasmolysetest)
Peak-Flow-Messung ■ gegenüber Normalwert oder individuellem Bestwert erniedrigter ■ Wert ■ Anstieg nach Inhalation eines Bronchodilatators
NO-Messung ■ erhöhter Wert gegenüber Normalwert oder bekanntem früher ■ gemessenem Wert
Fallbericht 1
Das junge, von ihrer Mutter begleitete Mädchen berichtete bei seinem ersten Besuch, seit kurzer Zeit unter Luftnot zu leiden. Die Verdachtsdiagnose eines Asthmas ist schnell gestellt. Der Vater ist Asthmatiker, und die ältere Schwester geht regelmässig zur Hyposensibilisierung zu einem Allergologen. Dieser habe die Schwester auch nach Husten oder Piepsen gefragt, was für die Zeit der Allergiesaison bejaht wurde. Der Kommentar des Kollegen: «Das grenzt an Asthma!» Das grenzt nicht an Asthma, das ist Asthma!
der inhalativen Glukokortikoide (ICS) rund zwei bis drei Wochen vor Beginn «seiner» Saison, sodass sich eine Schleimhautentzündung gar nicht erst entwickeln kann. Sollte die Allergenbelastung dann besonders hoch sein, und es kommt doch zu Beschwerden, können diese meistens alleine durch eine Dosiserhöhung abgefangen werden. Am Ende seiner Saison kann der Patient die Behandlung dann wieder bis zur nächsten Saison beenden.
Lässt sich im beschwerdefreien Zeitraum eine Aktivität nachweisen, sollte ganzjährig mit wechselnder Intensität therapiert werden.
Praktisches Vorgehen bei der Therapie des periodischen Asthmas Im Idealfall beginnt der Patient mit einem periodischen Asthma seine Therapie wegen des verzögerten Wirkoptimums
Erste Periode ■ Ermittlung von Beginn und Ende der Beschwerden ■ Auswahl eines für den Patienten geeigneten Inhalationssys-
tems ■ Erläuterung und Demonstration des korrekten Inhalations-
vorgangs ■ Beginn einer antientzündlichen Therapie mit einem ICS in
ausreichend hoher Dosis. Bei den meisten Patienten reicht die ein- oder zweimal tägliche Inhalation aus
368 ARS MEDICI 9 ■ 2010
I M F R Ü H JA H R V E R ST Ä R KT N AC H AST H M A FA H N D E N !
Fallbericht 2
Frau P., Jahrgang 1961, leidet seit ihrer Kindheit unter einer allergischen Rhinokonjunktivitis und Asthma mit überwiegender Sensibilisierung gegen Birkenpollen. Die Therapie besteht in der regelmässig zweimaligen Inhalation von 50 µg Salmeterol plus 250 µg Fluticason sowie nasaler Applikation von Mometason (Nasonex®) mit rechtzeitigem Beginn vor ihrer Saison, das heisst im Februar. Unter dieser Therapie war die Patientin praktisch beschwerdefrei, und die Lungenfunktionsuntersuchung vom 22. Februar war nahezu normal (Abbildung 1). Am 3. April litt die Patientin den ganzen Tag unter einem starken unstillbaren, trockenen Hustenreiz. Weitere Beschwerden konnten nicht eruiert werden. Die Werte für IVC und FEV1 hatten sich in diesem Zeitraum jedoch gegenüber der Voruntersuchung nahezu halbiert. Erst am späteren Abend nach erfolgter Notfalltherapie — Kortisoninjektion und Anhebung der Dauertherapie (2 × 500 µg Fluticason plus 50 µg Salmeterol) — bemerkte die Patientin auch eine aufkeimende Luftnot. Der potenziell schwere Asthmaanfall in der kommenden Nacht konnte durch die rechtzeitigen Notfallmassnahmen verhindert werden.
Die Messwerte für NO verzeichneten bereits vom 7. bis zum 22. Februar einen deutlichen Anstieg und belegten damit die drastische Zunahme der Entzündungsaktivität (Abbildung 2), lange bevor Symptome auftraten und die Lungenfunktionsuntersuchung Hinweise bot. Eine an diese ansteigenden NO-Werte adaptierte Therapie (Step-up) hätte auch diese Notfallmassnahme überflüssig machen können.
22.07.2007 Soll 18:31
IVC FVC FEV1 FEV1 % VC PEF
3,33 3,33 2,87 80 6,73
Referenz 18:31
6,03 181% 4,83 145% 4,02 140%
67 83% 9,50 141%
Spasmolyse
5,45 164% 4,77 143% 4,27 149%
78 97% 10,71 159%
03.04.2007 Soll 14:27
IVC FVC FEV1 FEV1 % VC PEF
3,31 3,31 2,85 80 6,70
Referenz 18:31
2,91 88% 2,84 86% 2,22 78% 76 95% 7,01 105%
Spasmolyse
3,43 104% 2,96 90% 2,38 84%
69 86% 7,27 109%
Messkurve Fluss in l/s
12 10 8 6 4 2 0 -2 -4
Referenz Spasmolyse
Messkurve Fluss in l/s
12 10 8 6 4 2 0 -2 -4
Referenz Spasmolyse
1 2 3 4 5 Volumen in l
1 2 3 4 5 Volumen in l
Abbildung 1: Lungenfunktion vor und während Exazerbation bei einer Asthmatikerin. Die Parameter für Vitalkapazität (IVC) und FEV1 halbieren sich praktisch. Einziges klinisches Zeichen ist ein unstillbarer Hustenreiz!
ppb NO 5
4,5 4
3,5 3
2,5 2
1,5 1
0,5 0
Asthamexazerbation
FEV1 (% vom Soll) 70
60
50
40
30 FEV1
20 ppb NO 10
0
11.01.2007 18.01.2007 25.01.2007 07.02.2007 22.02.2007 03.04.2007 12.04.2007 26.04.2007 25.05.2007 05.06.2007 25.06.2007
Abbildung 2: Verlauf von NO-Werten und FEV1 unter Birkenpollenflug. Die NO-Werte steigen schon lange vor dem Abfall des FEV1 an und dienen damit als früher Warnhinweis für eine drohende Exazerbation.
■ Anpassung der Therapie an den aktuellen Schweregrad der Beschwerden und Überprüfung des Inhalationsvorgangs bei weiteren Vorstellungen
■ Beenden der Therapie zum Ende der Periode ■ Verabredung rechtzeitig mindestens drei bis vier Wochen
vor dem vermuteten Beginn der nächsten Periode.
Folgeperiode ■ Verordnung der Therapeutika, sofern nicht mehr vorhanden ■ Rekapitulation des Inhalationsvorgangs ■ Rechtzeitiger Beginn der Therapie mit der im Vorjahr ermit-
telten Minimaldosis.
Anspruch und Wirklichkeit Die Erfahrung lehrt uns bedauerlicherweise andere Verläufe. Die Patienten hoffen jedes Jahr von Neuem, dass keine Beschwerden auftreten, die Krankheit verschwunden ist, oder warten jedes Jahr mit dem Therapiebeginn erneut, bis die Beschwerden auftreten.
Die Folge dieser schlechten Variante ist, dass der Patient in der Regel wegen gravierenderer Beschwerden wesentlich intensiver, vielleicht sogar notfallmässig mit hohen Dosen anbehandelt werden und bis zum Wirkoptimum der Therapeutika seine Beschwerden ertragen muss. Von der intramuskulären Injektion eines Depot-Kortisonpräparats muss dringend abgeraten werden. Die schnelle und unkritische Injektion ist zwar bequem, birgt aber Gefahren. Die aus dem Depot resorbierte Kortisonmenge ist nach der Injektion zu hoch und gegen Erschöpfung des Depots unzureichend niedrig. Eine Wiederholung der Injektion ist dann vorprogrammiert. Damit riskiert man jedoch, eine NNR-Insuffizienz zu induzieren (Hausen 2000). Die im Vorjahr ermittelte Dosis des ICS reicht bei rechtzeitigem Beginn in den meisten Fällen aus, den Patienten beschwerdefrei zu halten. Die einzige Unsicherheit besteht in der jedes Jahr stark variierenden Allergenbelastung. Eine intensivere Allergenbelastung im Vergleich zum Vorjahr muss immer auch eine Anhebung der Dosis zur Folge haben, um die Entwicklung
ARS MEDICI 9 ■ 2010 369
FORTBILDUNG
KOMMENTAR
Dr. med. Hanspeter Anderhub, La Punt Chamues-ch
Depotsteroide sind besser als ihr Ruf
«Von der intramuskulären Injektion eines Depot-Kortisonpräparats muss dringend abgeraten werden …» Dieser alarmierende Satz verlangt nach einer Korrektur und Präzisierung. Als die Depotsteroide in den Sechzigerjahren zuerst in Deutschland in grosser Zahl zum Einsatz kamen, lag die Asthmatherapie noch weitgehend im Argen, topische Steroide waren unbekannt. Die Ärzte bemerkten rasch, wie elegant sich Asthma mit Depotsteroiden (vornehmlich Triamcinolon, in Deutschland unter dem Namen Volon® im Handel) unter Kontrolle bringen liess. Das Fehlen wesentlicher, antiinflammatorischer Medikamente führte aber dazu, dass Depotsteroide bei jeder sich anbahnenden Verschlechterung als Monotherapie kritik- und masslos zum Einsatz kamen. Damit war der Weg für schwerwiegende Kortisonnebenwirkungen vorgebahnt, und die Depotsteroide gerieten in Verruf. Dieser Makel hängt ihnen leider bis heute an. Opinionleader (Pneumologen, Internisten, Endokrinologen) werden nicht müde, jungen Kollegen die Folgen von Depotsteroiden in düsteren Farben auszumalen oder diese gar zu verbieten und somit Ärzte ohne stichhaltige Argumente von einer praxisgerechten, einfachen, sicheren und effektvollen Form der Kortisontherapie abzuhalten. Selbst haben diese Exponenten in der Regel aber keinerlei Erfahrungen mit diesen Präparaten, da diese ja schon in ihren Lehr- und Wanderjahren dermassen verschrien waren, dass sie gar nicht den Mut aufbrachten, sie je zu verwenden. Die aus dem Depot resorbierte Kortisonmenge ist nach der Injektion nicht «zu hoch», sondern bestenfalls adäquat. In der Regel spritzt man 40 oder 80 mg Triamcinolonacetonid, was ungefähr 50 oder 100 mg Prednison entsprechen dürfte, eine absolut normale systemische Steroidmenge, wie sie bei oralen Steroidstössen täglich über zwei Wochen die Regel ist. Die pauschale Sorge bezüglich einer Nebenniereninsuffizienz ist ebenso unbegründet. Wir wissen von Jahre zurückliegenden Studien aus Deutschland, dass die Nebenniere nach der Applikation von 40 mg Triamcinolonacetonid ungefähr eine Woche «flachliegt». In der zweiten Woche beginnt sie sich aber schon wieder — gemäss endogenem Rhythmus — zu regen, und am Ende der dritten Woche ist die Nebennierenfunktion wieder voll hergestellt. In einer Studie mit chronischen Rhinopathiepatienten, denen während eines Jahres alle vier Wochen 40 mg Volon® gespritzt wurde, konnte nach Ablauf des Jahres, vier Wochen nach der letzten Injektion, gezeigt werden, dass die endogene Nebennierenaktivität wieder vorhanden war.
Wo liegt das Problem? Wenn die Therapie des Asthmas einzig auf einer Injektion eines Depotsteroids basiert, hat sich nach vier Wochen tatsächlich nichts getan, und das Kortison ist dann in der Tat «unzureichend niedrig». Dadurch wird die Entzündung der Schleimhaut nicht mehr durch das Kortison kontrolliert, und die Beschwerden, sei es Asthma oder Rhinopathie, nehmen wieder zu. Viele Ärzte verstiegen sich dann erneut zu einer Applikation eines Depotsteroids und initiierten so einen Teufelskreis, der in einer iatrogen verursachten Nebenniereninsuffizienz, Kortisonnebenwirkungen und unkontrollierbarem Asthma endete. Die Schuld daran trägt aber nicht das Depotsteroid, sondern das fehlende Wissen des Arztes, wie eine korrekte Asthmatherapie zu gestalten ist. Mit der Applikation eines Depotsteroids muss gleichzeitig eine regelrechte, antiinflammatorische Behandlung des Asthmas mit hoch dosierten topischen Steroiden und lang wirkenden Betamimetika eingeleitet werden. Das Depotsteroid baut innert Stunden die Entzündung ab und ebnet so den Weg für die topischen Steroide, die sehr rasch ihre Wirkung entfalten können und schon nach einer Woche den Schutz der respiratorischen Schleimhaut übernehmen. Ohne systemische Steroide landen die topischen Steroide auf einem massiven Schleimteppich, penetrieren zu wenig, verursachen bestenfalls Hustenreiz, vermögen aber innert nützlicher Frist nur eine geringe oder gar keine Wirkung zu entfalten. Nach zwei bis drei Wochen ist das Depotsteroid ausgewaschen, oder, wie es der Autor festhielt, die Kortisonmenge ist «unzureichend niedrig». Dies bleibt jetzt aber ohne Konsequenzen, da zu diesem Zeitpunkt die topischen Steroide die Führungsrolle übernommen haben und zum Garant werden, dass die Schleimhaut weiterhin entzündungsfrei oder zumindest entzündungsarm bleibt. Die Exazerbation ist verflogen, der Asthmatiker beschwerdefrei geworden.
Vorteile von Deposteroiden
Depotsteroide, vor allem das Triamcinolon, haben einige Vorteile. Der
Wirkungseintritt erfolgt nach Stunden. Das ist motivationsfördernd für
Arzt und Patient! Die initial relativ hohe Steroidmenge bewirkt ein
rasches, fast schlagartiges Überwinden der Entzündungsbarriere. Als
Arzt haben Sie die Sicherheit, dass der Patient die Kortisonmenge er-
hält, die Sie vorgesehen haben. Bei einer Therapie mit Prednison-
tabletten spielen diverse, die Therapie negativ beeinflussende Unsi-
cherheitsfaktoren mit hinein. Ein Tapering der Steroiddosis geschieht
durch das Auswaschen des Depots automatisch. Die verwendete Kor-
tisonmenge ist, vor allem verglichen mit einem oralen Steroidstoss,
deutlich kleiner. Weniger Kortison heisst weniger Kortisonneben-
wirkungen!
Werden Depotsteroide auf diese Weise kritisch und kontrolliert einge-
setzt, sind sie das Mittel der Wahl — vor allem in der Praxis — für eine
zielgerichtete, rasche und effektvolle Asthmatherapie. Mit 40 oder bei
Exazerbationen besser 80 mg Triamcinolonacetonid, einer äusserst
kleinen Steroidmenge, kontrolliert man das Asthma bereits nach
einem Tag. Will man allein mit einer Dosissteigerung der inhalativen
Steroide der Exazerbation Herr werden, wie das im Artikel empfohlen
wird, kommt man meistens zu spät, die Entzündung nimmt rasant zu,
und der Patient wird zum Notfall.
■
370 ARS MEDICI 9 ■ 2010
I M F R Ü H JA H R V E R ST Ä R KT N AC H AST H M A FA H N D E N !
von Beschwerden zu verhindern. Hier gilt es, die Frühwarnzeichen zu beachten und rechtzeitig zu reagieren, was ganz besonders für Birkenpollenallergiker gilt.
Perenniales Asthma mit periodischer Verschlechterung Führt ein Patient mit einem ganzjährigen Asthma seine individuell auf ihn abgestimmte Dauertherapie bei korrekter Inhalationstechnik regelmässig durch, sollten Beschwerden eine Ausnahme sein. Treten trotzdem Beschwerden auf, sollte immer nach potenziellen Auslösern gefahndet werden. Einige der Patienten mit einem perennialen Asthma machen regelmässig zu ganz bestimmten Zeiten im Jahr «ihre» voraussehbare (!) Verschlechterung durch. Die Intensität der Schleimhautentzündung führt dann trotz bis dato guter Grundeinstellung zu Beschwerden. Die Behandlung muss für diesen Zeitraum vorübergehend angehoben werden (Step-up). Sinkt die Intensität der Belastung wieder auf das «Normalmass» ab, kann auch die Intensität der Behandlung wieder reduziert werden (Step-down). Jährlich auftretende Besonderheiten müssen also zusätzlich beachtet werden. Im Idealfall weiss der Patient genau, zu welchem Zeitpunkt er seine Therapie nach oben anpassen muss, um dann auch zu seiner Problemzeit ausreichend geschützt zu sein.
Fazit
Jahreszeitliche Entwicklungen von asthmatischen Beschwer-
den fordern Arzt und Patient. Bei rechtzeitigem Beginn der
Therapie bei periodischem Asthma oder Steigerung der Thera-
pie bei Eskalation der Schleimhautentzündung bei ganzjäh-
rigem Asthma mit periodischer Eskalation kann der Patient die
Entwicklung von Beschwerden verhindern. Eine auf diese
Weise durchgeführte Therapie ist zwar mit etwas mehr Auf-
wand, auf jeden Fall aber mit weniger Beschwerden, Sub-
stanzbelastung und damit auch Kosten verbunden.
■
Dr. med. Thomas Hausen Facharzt für Allgemeinmedizin
D-45239 Essen
Interessenkonflikte: Der Autor ist Mitglied des Advisory Board der Firma MEDA Pharma.
Literatur unter www.allgemeinarzt-online.de/downloads
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 3/2010. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor.
ARS MEDICI 9 ■ 2010 371