Transkript
INTERVIEW
20 Jahre «LAZ»
Interview mit dem Zeitschriftenmacher Dr. med. Herbert Widmer, Luzern
Der «Luzerner Arzt», inzwischen das «Informationsblatt der Ärztegesellschaften der Kantone Luzern, Ob- und Nidwalden, Schwyz, Zug, Uri», ist 20 Jahre alt. Das ist ein ganz erstaunliches Jubiläum für eine Zeitschrift, die (nicht ganz, aber fast) von einem einzigen Mann produziert wird. Dr. med. Herbert Widmer liefert einen grossen Teil der redaktionellen Texte, animiert die Kolleginnen und Kollegen zum Schreiben, redigiert die Texte, stellt das Heft zusammen, liefert die Fotos dazu, akquiriert die Anzeigen, ohne die keine medizinische Zeitschrift überleben kann, und überwacht die Produktion. Seit 1990 stellt er vier- beziehungsweise fünfmal jährlich ein Heft zusammen und produziert es in einer für ein eigentliches Einmannprojekt (und das ist es, auch wenn er natürlich Helfer hat) erstaunlichen Qualität. Das Jubiläum seines «Kindes» ist für ARS MEDICI Anlass, sich mit ihm über die heutige Medizin und das Zeitschriftenmachen zu unterhalten.
ARS MEDICI: Was hat Sie vor 20 Jahren eigentlich bewogen, ein eigenes Heft mit standespolitischem Inhalt zu produzieren? Dr. med. Herbert Widmer: Als damaliger Präsident der Ärztegesellschaft des Kantons Luzern spürte ich, dass der Beruf des frei praktizierenden Arztes zunehmend in Bedrängnis geriet. Der «Luzerner Arzt» sollte daher ein Kampfmittel darstellen, um unsere Kolleginnen und Kollegen zu informieren und auch Botschaften nach aussen senden zu können. Gleichzeitig war es mir ein Anliegen, aus den «fliegenden Mitteilungsblättern» ein kompaktes Heft zu machen.
ARS MEDICI: Können Sie sich an die erste Ausgabe erinnern? Widmer: Oh ja, sehr gut. Sie erschien im Mai 1990 und war noch relativ schmucklos. Im
«Brief des Präsidenten» schrieb ich damals: «Wir können die Zukunft unseres Berufes nur beeinflussen, wenn wir bereit sind, aktiv mitzudenken und mitzuhandeln. Mitdenken heisst, (…) Zeit für das Ganze zu opfern und Unannehmlichkeiten im Sinne des Ganzen zu akzeptieren.»
ARS MEDICI: Wie reagierten die Kolleginnen und Kollegen darauf? Widmer: Sehr gut, dem «LAZ» wurde viel Zustimmung und Sympathie entgegengebracht. Ganz wenige kritische Stimmen, welche aber rasch verstummten, nannten es eine Selbstdarstellung der Macher.
ARS MEDICI: Wie viel Arbeit wenden Sie für eine einzelne Ausgabe auf? Wie viele Stunden? Widmer: Die Arbeiten bestehen in: ■ Erstellen eines Grobkonzepts ■ Einholen der Artikel (wobei diese heute
freiwillig und spontan geliefert werden!) ■ Übermitteln der Artikel an die Druckerei,
welche daraus sogenannte Druckfahnen (einspaltige Bahnen) herstellt ■ Erstellen eines Layoutkonzepts, sobald ich den Umfang der Artikel kenne ■ Kleben des Layouts auf entsprechenden Seitenmaquetten ■ Inserateakquisition, Korrespondenz, Auftragsbestätigung, Rechnungsstellung ■ Einholen der Korrekturen für die Artikel bei den Autoren ■ Adressverwaltung ■ Recherchieren und Schreiben der eigenen Artikel, immer gerade in druckreifer Form. Insgesamt sind dies etwa 20 Stunden pro Ausgabe plus die Zeit für meine Artikel — je nach Ausgabe weitere 5 bis 20 Stunden.
ARS MEDICI: Ist die Publizistik für Sie vor allem ein spannendes Hobby oder inzwischen zu einem zweiten Beruf geworden? Widmer: Eigentlich ein sehr spannendes Hobby! Ich trage fast immer ein Notizbuch bei mir, in welches ich Einfälle für den «LAZ» notiere. Der «LAZ» hat aber dazu beigetragen, dass ich 1995 in die Politik «gerutscht» bin und so seither ein weiteres «berufliches Standbein» habe.
ARS MEDICI: Verdient man Geld mit dem «Luzerner Arzt», oder ist das einfach Ihr Beitrag zum standespolitischen Kampf für die Anliegen der Hausarztmedizin? Widmer: Der «LAZ» wurde im Sinne meines Beitrags zum standespolitischen Kampf gegründet. Nach einigen Jahren hat ein Revisor an der Generalversammlung der Ärztegesellschaft den Antrag gestellt, mir wie den anderen Mitgliedern des Vorstands ein Honorar auszuzahlen. Der Antrag wurde ohne Gegenstimme angenommen. Seit seiner Gründung hat der
«LAZ» 3 Millionen Franken gekostet und 3 Millionen Franken eingebracht. Auch die anderen Ärztegesellschaften bezahlen nichts. ARS MEDICI: War es schwierig, die Kolleginnen und Kollegen der Innerschweizer Kantone ins Boot zu holen?
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20 JAHRE «LAZ»
Dr. med. Herbert Widmer: 1946 geboren, nach Zwischenstationen in Luzern gelandet. 1966 Matura, anschliessend Studium der Medizin in Zürich, unterbrochen von diversen Militärdiensten. 1974 Staatsexamen und Doktorat. Ausbildung in Chirurgie und Innerer Medizin in Zug, Schwyz, Luzern und Zürich, 1980 FMH für Innere Medizin. Seit 1980 Praxis in Luzern. Seit 1985 im Vorstand der Ärztegesellschaft des Kantons Luzern, 1989—1991 Präsident, seither Redaktor «LAZ». Rund 5 Jahre Militärdienst, zuletzt als Generalstabsoffizier und Kdt eines Rdf Rgt. Seit 1995 Kantonsrat, 1996—2004 Präsident FDP der Stadt Luzern, 2004—2008 Präsident FDP des Kantons Luzern. Gesundheitskommission FDP Schweiz. Seit 39 Jahren glücklich verheiratet, drei erwachsene Kinder, zwei liebenswürdige Enkelkinder.
Widmer: Ja, sie benutzen die Gelegenheit, selbst «schriftstellerisch» aktiv zu sein, sehr wenig, obwohl das Angebot besteht. Die Reaktionen aus der entsprechenden Ärzteschaft sind aber auch sehr gut.
ARS MEDICI: Woher nehmen Sie den Elan, eine solche Zeitschrift fünfmal jährlich – vier Normalausgaben, eine Spezialausgabe meist standespolitischen Inhalts – herauszugeben? Widmer: Vor allem aus der Freude an dieser Arbeit und aus den sehr positiven Reaktionen. Daneben habe ich in den militärischen Generalstabskursen gelernt, sehr rasch zu arbeiten. Der Zorn, den ich beim Mitmachen in der Gesundheitspolitik verspüre, wirkt wie ein Zusatzaggregat.
ARS MEDICI: Wie geht es weiter mit dem «Luzerner Arzt»? Widmer: Vorläufig fühle ich mich im Vorstand der Ärztegesellschaft des Kantons Luzern noch gut aufgehoben und akzeptiert. Daher bin ich gerne bereit, weiter für den «LAZ» zu arbeiten. Selbstverständlich hoffe ich, später einen engagierten Nachfolger zu finden! ■
Das Interview führte Richard Altorfer.
10
bunt gemischte
Fragen
6. Ihre Stärken, Ihre Schwächen? Stärken: sehr viel Optimismus, Fröhlichkeit, Engagement und Empathie. Schwächen: Workaholic; gelegentlich Mühe, Nein zu sagen; manchmal zu viel (naives) Vertrauen (was die Lebensfreude aber steigert).
1. Wie oder wo würden Sie sich politisch, weltanschaulich einordnen? Im Bereiche des Liberalismus. Es braucht eine gut laufende Wirtschaft, einerseits um unseren Wohlstand zu sichern, andererseits aber vor allem auch, um unsere sozialen und ökologischen Aufgaben erfüllen zu können. Politik erfordert aber auch viel Empathie! Wir hatten 2007 in den Wahlen Erfolg mit dem eben auch liberalen Slogan «Mit Herz und Verstand»!
2. Welches sind Ihre wichtigsten standespolitischen Anliegen? Die Erhaltung einer freien und qualitativ guten Medizin zugunsten der Patientinnen und Patienten. Der Kampf gegen die Vernichtung der Hausarztmedizin vor allem wegen erschreckenden Unwissens in Politik, Verwaltung und Medien und durch Vorurteile. Das Aufzeigen, dass wir im Galopp in eine unpersönliche Staatsmedizin reiten!
3. Was lesen Sie zurzeit, was am liebsten? Am liebsten lese ich Werke mit geschichtlichem Hintergrund vom 17. Jahrhundert bis heute. Auf meinem Nachttisch liegen aber auch Software-Bücher und ein Italienischkurs für Fortgeschrittene.
4. Bleibt bei allem Engagement Zeit für Hobbys? Wenn ja, für welche? Politik kann man wohl als Hobby bezeichnen, ebenso die geplante Gartenarbeit mit den Enkelkindern. Freude machen mir das Skizzieren auf der Staffelei und das Erstellen frecher Spottgedichte.
5. Gibt es einen Beruf, den Sie ebenso gerne ergriffen hätten wie denjenigen des Arztes? Flieger, nachdem ich mit weniger als 18 Jahren erstmals alleine in einer Piper am Himmel gehangen bin. Universitätsprofessor im nichtmedizinischen Bereich, um mit jungen Leuten arbeiten zu können. Eventuell sogar ein militärischer Beruf mit Ausbildungs- und Planungsaufgaben.
7. Wie sehen Sie die Arbeit der Schweizer Praktiker in 30 Jahren? Nachdem Politik und Gesellschaft inzwischen eingesehen haben werden, dass die verschwundenen Grundversorger viel mehr zur Gesunderhaltung der Menschen und damit zu Kosteneinsparungen beigetragen hatten als alle Präventionsgesetze, werden ebendiese Grundversorger eine Renaissance erleben und sich diesen Beruf auch finanziell wieder leisten können. Die rasante Entwicklung der Medizin mit teuren Behandlungen und Apparaten wird zu einer engeren, verständnisvolleren Zusammenarbeit zwischen den einzelnen «Leistungserbringern» beziehungsweise -gruppen führen. Der Glaube der Politiker, dass nur e-Health und Managed Care zum Ziel führen, wird einer gewissen Ernüchterung gewichen sein!
8. Welche kulturelle(n) Errungenschaft(en) möchten Sie (auch auf der berühmten einsamen Insel) nicht missen? Die wunderbare — vor allem klassische — Musik, interessante Literatur (auch in Sachgebieten), spannende Filme, Zeit zum Skizzieren und für Verse. Die hätte man ja auf der Insel.
9. Spielen Sie gerne? Wenn ja, was, und wenn nein, warum nicht? Ja, in den Ferien Yatzy, Triominos und Jassen; am PC Schach; mit den Enkelinnen Kinderspiele jeder Art.
10. Fast zuletzt: Was möchten Sie gerne, was keinesfalls gefragt werden? Fragen Sie mich, ob ich an der aus meinen Antworten ersichtlichen Lebensweise Freude habe. Antwort: Ja, sehr! Fragen Sie mich keinesfalls, was ich von der Tatsache halte, dass so viele Ärztinnen und Ärzte zwar gute Berufsleute sind, sich aber nicht für die Zukunft ihres Berufsstandes einsetzen, sondern die Politik passiv erleben und gottergeben auf die Zukunft warten! Die Antwort könnte zu heftig ausfallen!
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