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Rosenbergstrasse 115
Eigentlich sollte hier nichts mehr über Rauchen und Rauchverbote stehen. Aber die Befürworter eines generellen Rauchverbots in allen öffentlichen (warum eigentlich nicht auch in allen privaten) Räumen lassen sich nicht bremsen. Föderalistisch unterschiedliche Regelungen in verschiedenen Kantonen? Nichts da. Gesundes Verhalten ist ein Muss und darf nicht auf Freiwilligkeit beruhen. Freiwilligkeit ist für alle, die es gut mit den anderen meinen, ohnehin die schlimmste Form der Verweigerung. Wo kämen wir hin, wenn jeder täte grad wie ihm beliebt – und sei es innerhalb der gesetzlichen Grenzen? Es bleibt die Frage – die eben nicht alle gleich beantworten: Ist Gesundheit das wichtigste Gut im Leben, dessen Erhalt alles andere unterzuordnen ist – notfalls auch zwangsweise?
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Peter Bichsel, eben erst 75 geworden, wollte seinen Geburtstag im «Kreuz» in Solothurn feiern. Leider rauchfrei. Bichsel: «Ich kann doch nicht in einer Beiz sitzen und nicht rauchen.» Er wolle doch nicht nur gesund sein, sondern auch leben. Da hat Bichsel die Rechnung allerdings ohne den cleanen Zeitgeist der jüngeren Generation gemacht.
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Bichsel ist eben in einer Zeit aufgewachsen, als man auch noch mit Wollmütze statt Helm die Skipisten runterbretterte und mit wehenden Haaren Töff fuhr. Tempi passati.
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Mal abgesehen davon, dass sich erwachsene Banker kaum mehr erziehen lassen, sollte man es bei den uneinsichtigen Topshots vielleicht dennoch mit der Positiv-
methode versuchen: mit guten Vorbildern. Es gibt sie nämlich tatsächlich, die Banker, die ihre Verantwortung ernst nehmen. Der Chef der Investment-Bank MorganStanley beispielsweise verzichtet bereits das zweite Jahr auf einen Bonus. Und lebt, so nehmen wir mal an, dennoch in einem schönen Haus. Nicht sprechen wollen wir von denjenigen, zum Beispiel dem Chef von Goldman-Sachs, die bloss bescheidener geworden sind und sich dieses Jahr trotz Gewinnen statt 68 Millionen selber nur noch 9 Millionen auszahlen. (Und dabei Wert darauf legen, dass es sich hier um einen einmaligen Verzicht handelt, der nicht zur Gewohnheit werden soll …)
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Die Abstimmung über die Erhöhung der Mehrwertsteuer zugunsten der IV-Sanierung ist schon etwas länger her. Manche mögen daher bereits vergessen haben, dass bei der umstrittenen Anhebung hoch und heilig versprochen wurde, diese Erhöhung sei definitiv zeitlich beschränkt. Und zumindest die Befürworter mögen auch vergessen haben, dass die Gegner den Beteuerungen von Herrn Couchepin schon damals nicht glaubten. Und siehe da: Unser Eigentlich-lieber-Kultur-Minister Moritz Leuenberger schlägt bereits vor, die Mehrwertsteuererhöhung länger laufen zu lassen und die Erträge dem öffentlichen Verkehr zugute kommen zu lassen.
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Die nationalen Politiker machen sich durchaus Sorgen um die Zukunft der Hausarztmedizin. Sie interpellieren, motionieren, postulieren und fragen allenthalben. Etwa nach den Massnahmen des Bundesrats zur Stärkung der Hausarztmedizin. Der Bundesrat meint treuherzig (Antwort auf eine Interpellation von Frau Graf-Litscher): «Es trifft zu, dass sich bei
der ärztlichen Grundversorgung ein Mangel abzeichnet und es schon heute für Eigentümer von Einzelpraxen schwierig ist, Nachfolger zu finden. Offensichtlich will die jüngere Generation von Ärztinnen und Ärzten nicht mehr in den bisherigen Strukturen, mit langen Präsenzzeiten und mit den historisch gewachsenen Erwartungshaltungen an die Berufsrealität tätig sein.» Und fügt an, man hätte doch schon viel getan, etwa indem man die Grundversorger aus der Zulassungsbeschränkung entlassen habe. Ausserdem stünden den Doctores mit Einführung von Managed Care bald attraktivere Rahmenbedingungen zur Verfügung. Und weiter, er habe sich ja bereit erklärt, «die Thematik vertieft zu prüfen und Massnahmenvorschläge zu unterbreiten». Ja dann …, dann müssen wir wohl keine Bedenken mehr haben. Speziell, weil auch noch zwei Arbeitsgruppen gegründet wurden, die zum einen die Weiterbildung und zum anderen den Notfalldienst verbessern wollen. Das kompensiert in den Augen des Bundesrats offenbar längstens die anderen Massnahmen, für deren Einführung man nicht so viel Zeit gebraucht hat, etwa die Aufhebung des Praxislabors oder den Angriff auf die Selbstdispensation.
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Da kann man nur wiederholen: Nichts ist schöner als Politiker auf Wahlplakaten: tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen.
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Erinnern Sie sich noch an den sauren Regen und ans Waldsterben und an die Prognose, dass unsere Nachfahren dereinst ohne Wald aufwachsen werden? In diesen Wochen lauteten die Schlagzeilen: Dem Schweizer Wald geht es gut.
Richard Altorfer
ARS MEDICI 7 ■ 2010 253