Transkript
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Nach Implantation von medikamentenbeschichteten Stents
Reichen 12 Monate ASS und Clopidogrel?
Medikamentenbeschichtete Koronarstents (drug-eluting coronary stents, DES) sollen verhindern, dass der Stent von Bindegewebe überwuchert wird und eine Restenosierung die Folge ist. Allerdings können sich an der freiliegenden Oberfläche des DES gefährliche Spätthrombosen bilden, weshalb die Patienten nach der Stentimplantation Medikamente zur dualen Thrombozytenhemmung, also Clopidogrel und Acetylsalicylsäure (ASS), einnehmen sollen. Ungesichert ist allerdings, über welchen Zeitraum diese Therapie erforderlich ist. Nach zwei, anlässlich der Jahrestagung des American College of Cardiology (ACC), in Atlanta vorgestellten Studien reichen womöglich zwölf Monate aus, so wie es die FDA bereits, ohne über harte Daten zu verfügen, empfiehlt. Ein Team um Seung-Jung Park von der Universität Seoul hat die Ergebnisse soeben auch im «New England Journal of Medicine» publiziert (NEJM 2010; doi:10.1056/ NEJMoa1001266).
An der REAL-LATE- und der ZEST-LATEStudie hatten insgesamt 2701 Patienten teilgenommen. Nach Implantation eines DES nahmen sie über zwölf Monate ASS und Clopidogrel ein. Anschliessend setzte die eine Hälfte die Therapie fort, während die andere nur noch mit ASS behandelt wurde. Primärer Endpunkt war eine Kombination von Herzinfarkt und kardialen Todesfällen. 19 Monate nach der Randomisierung fanden die Forscher zwischen den Behandlungsgrupppen keine signifikanten Unterschiede, auch nicht bei den sehr wenigen, die eine definitive Stentthrombose erlitten hatten. Die Endpunkte wurden unter der dualen Thrombozytenhemmung sogar häufiger erreicht als bei Fortsetzung der Therapie nur mit ASS: Das kumulative Risiko für das Erreichen des primären Endpunkts betrug unter der Kombinationstherapie 1,5 Prozent, unter der ASS-Monotherapie 1,2 Prozent. Allerdings erreichte der Unterschied nicht das statistische Signifikanzniveau. Vermutlich, so die
Autoren, sei dieses überraschende Ergebnis dem Zufall geschuldet. Nach ihrer Auffassung müssten die Ergebnisse ohnehin zunächst in grösseren Studien bestätigt werden. Dieser Auffassung ist auch Prof. Peter Berger von der Geisinger Clinic in Danville, Pennsylvania. In einem begleitenden Editorial (NEJM 2010; doi:10.1056/NEJMe10025 53) nennt er die Studien wegen zu geringer statistischer Power «nicht aussagekräftig» (was von den Autoren bestätigt wird). Der primäre Endpunkt war zu einem Viertel seltener als erwartet aufgetreten. Dies könnte dafür sprechen, dass in den Studien Patienten rekrutiert wurden, die nicht ganz denen entsprechen, die interventionelle Kardiologen üblicherweise behandeln. So hatten die Studienteilnehmer ein vergleichsweise geringes Risiko und waren bereits vorher bis zu 2 Jahre lang mit Clopidogrel behandelt worden. Berger rät den Kardiologen bis auf Weiteres, DES nur bei jenen Patienten zu verwenden, bei denen keine Risikofaktoren einer längerfristig angelegten dualen Thrombozytenhemmung im Wege stehen, und die bereit sind, die Therapie eventuell auch länger als ein Jahr fortzuführen. ■
U.B.
Brustkrebsvorhersage
Anamnese so schlecht wie Gentests
Mithilfe einer gezielten Anamnese kann in vielen Fällen das Mammakarzinomrisiko einer Frau mindestens so gut (oder schlecht) vorhergesagt werden wie durch kostspielige Gentests. Das hat eine Vergleichsstudie ergeben, die kürzlich im «New England Journal of Medicine» (NEJM 2010: 362: 986-993) publiziert wurde. In den letzten Jahren haben Forscher grosse Anstrengungen unternommen, die genetischen Faktoren des Brustkrebses aufzudecken. In genomweiten Assoziationsstudien (GWAS) fanden sie insgesamt zehn Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNP), die mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko einhergehen. Während allerdings die etablierten Brustkrebsgene BRCA1 und BRCA2 das Lebenszeitrisiko für ein Mammakarzinom bei
einer Frau (in den westlichen Industrieländern) deutlich von 12 auf 60 Prozent erhöhen, fällt das Risikopotenzial der zehn SNP erheblich geringer aus. Jedes einzelne erhöht das Risiko relativ um 5 bis 25 Prozent, der Anteil am familiären Risiko beträgt zusammen genommen nicht mehr als 5 Prozent. So mag es wenig überraschen, dass die modernen Gentests dem klassischen anamnestischen Gail-Modell in der Studie nicht überlegen waren. Sein Begründer, Mitchell Gail, ein Statistiker am US-National Cancer Institute (NCI), hatte in den Achtzigerjahren eine Risikokalkulation erstellt, die sich ausschliesslich auf folgende Angaben stützt: das (aktuelle) Lebensalter, das Alter zum Zeitpunkt der Menarche und bei der Geburt des ersten Kindes, das Auftreten
von Brustkrebserkrankungen in der Fami-
lie, frühere Biopsien des Brustgewebes und
bekannte andere Erkrankungen der Brust.
Allerdings lässt sich mit diesen Daten das
Brustkrebsrisiko alles andere als zuverläs-
sig ermitteln. Im einer Receiver-Operating-
Characteristic-(ROC-)Analyse ermittelte
Sholom Wacholder nun einen Wert von
gerade einmal 59,7 Prozent, ein Wert von
bis zu 50 Prozent würde dem Würfeln
gleichkommen. Entsprechende Risikorech-
ner finden sich gratis im Internet.
Wie sich jetzt zeigt, bietet ein Gentest mit
den zehn bekannten Einzelnukleotid-Poly-
morphismen dazu aber keine brauchbare
Alternative. Wacholders Berechnungen zu-
folge schnitten die Gentests mit einem Wert
von 58 Prozent noch schlechter ab als der
Gail-Test. Werden Anamnese und Gentests
gemeinsam zu Rate gezogen, lässt sich die
Vorhersagekraft etwas erhöhen – insgesamt
aber wohl nicht soweit, dass Gentests sich
lohnen könnten.
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red
252 ARS MEDICI 7 ■ 2010