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Editorial
Der Homöopathie das Wort zu reden, heisst das Unglaubliche glauben machen. Für Rationalisten ist die Homöopathie von Anfang an ein Irrläufer der Medizingeschichte, ein Anschlag auf die aufgeklärte wissenschaftliche Vernunft. Wie soll auch eine Wirkung erklärt werden, wenn im Extremfall durch die Verdünnung kein einziges Molekül der heilenden Substanz mehr in der Arznei vorhanden ist. Mit den geltenden physikalischen Gesetzen ist das schlechterdings unmöglich. Gewiss hat es bis in die jüngste Zeit nicht an Versuchen gefehlt, der homöopathischen Wirkungskraft Erklärungsansätze in nicht stofflichen Räumen zu eröffnen, etwa durch die Postulierung von Energien oder kybernetischen Informationen. Es geht dabei letztlich um nichts
Dessen ungeachtet hat kürzlich ein Ausschuss des britischen Unterhauses zum Angriff auf die Homöopathie geblasen. In einem fast 300 Seiten starken Gutachten kommen die Globulisierungsgegner zu dem Ergebnis: Die Homöopathie ist nichts weiter als ein Plazebo. Sie fordern den Gesetzgeber auf, homöopathische Mittel aus dem Leistungskatalog
Globulisierungsgegner im Angriff
Geringeres als die Frage, wie es möglich sein soll, durch ein mechanisches Verfahren, die Verreibung oder Verschüttelung, aus einer stofflichen Substanz Hahnemanns ominöse geistartige, nicht an die physikalischen Gesetze gebundene Arzneikraft zu aktivieren, diese wiederum an den Stoff zu binden, um sie schliesslich nach Einnahme im Körper zur Entfaltung zu bringen. «Aussergewöhnliche Behauptungen erfordern äussergewöhnliche Beweise», schrieb einst Petr Skrabanek. Auf deren Ankunft wartet die Gemeinde bislang vergeblich. Die Homöopathie ist eine wissenschaftliche Totgeburt, die als «Spielart sympathetischer Magie» prächtig lebt. Hahnemanns Adepten haben die Globulisierung allen Anfeindungen und Einsprüchen zum Trotz unumkehrbar gemacht. Kaum ein therapeutisches Verfahren ausserhalb der Schulmedizin hält sich so hartnäckig und ist so rätselhaft erfolgreich. Die meisten Allgemeinmediziner stehen der Homöopathie aufgeschlossen bis enthusiastisch gegenüber. Warum auch mit allopathischen Kanonen auf Spatzen schiessen, wenn Kügelchen es auch tun.
des staatlichen Gesundheitsdienstes (NHS) zu streichen. Homöopathika sollten nur noch zugelassen werden, wenn die Wirksamkeit in randomisierten klinischen Studien belegt sei. Genau dies sei aber der Natur der Sache nach nicht möglich. Ende. Aus. Der finale Schuss im ewigen Glaubenskrieg um die Homöopathie war das nicht. Die wütende Reaktion der British Homeopathic Association liess nicht lange auf sich warten. Das Gutachten sei engstirnig und oberflächlich, die Homöopathie selbstverständlich wirksam, was allein das Heer zufriedener Patienten beweise. Ohne die Homöopathie würde sich das Gesundheitswesen weiter verteuern ... Alles schon zur Genüge gehört. Eines zumindest lässt sich nicht bestreiten: Legte man die Kriterien der evidenzbasierten Medizin auch konsequent an jede konventionelle schulmedizinische Therapie an, wäre das therapeutische Arsenal des Arztes mit einem Mal recht überschaubar.
Uwe Beise
ARS MEDICI 6 ■ 2010 209