Transkript
STUDIE REFERIERT
ACE-Hemmer können auch bei stabiler KHK helfen
Für Angiotensin-II-Antagonisten ist die Wirksamkeit dagegen nicht belegt
Patienten mit einer stabilen koro-
naren Herzkrankheit (KHK) und
normaler Ventrikelfunktion können
von ACE-Hemmern profitieren — als
Ergänzung zur Standardtherapie.
Ob dies auch für Angiotensin-II-
Rezeptorantagonisten gilt, lässt
sich mangels zuverlässiger Stu-
diendaten nicht sagen.
ANNALS OF INTERNAL MEDICINE
ACE-Hemmer und alternativ auch Angiotensin-II-Antagonisten haben ihre Wirksamkeit bei Patienten sowohl mit Herzinsuffizienz als auch mit Herzinfarkt und ventrikulärer Dysfunktion unter Beweis gestellt. Ob dies auch für KHK-Patienten mit erhaltener Ventrikelfunktion gilt, war bis her weniger klar. In den vor mehreren Jahren durchgeführten Reviews sind neuere Studien mit ACE-Hemmern nicht berücksichtigt und die Kombinationstherapie aus ACEHemmer plus Angiotensin-II-Antagonist wurde systematisch überhaupt nicht untersucht. Jetzt hat eine US-amerikanische Arbeitsgruppe die zurzeit vorhandenen Daten in einem neuen Review analysiert. Die Autoren interessierten sich vor allem für folgende Fragen: 1. Welchen Nutzen bringt es Patienten
mit stabiler KHK, wenn sie zusätz-
lich zur Standardtherapie (v.a. Betablocker, Statine, Aspirin®) mit ACEHemmern und Angiotensin-II-Antagonisten behandelt werden? 2. Wie ist eine Kombination aus ACEHemmer und Angiotensin-II-Antagonist gegenüber der jeweiligen Monotherapie zu bewerten?
Zwei Reviewer bewerteten unabhängig voneinander die einschlägigen Studien nach gewissen Standardkriterien. Dazu gehörten unter anderem eine Mindestzahl von Patienten, ein wenigstens nach einem halben Jahr erfolgtes Follow-up und mindestens ein vordefinierter Outcome-Parameter (z.B. Gesamtmortalität, kardiovaskuläre Mortalität, Myokardinfarkt, Schlaganfall). Zur Klärung der Frage nach Risiken und Nebenwirkungen wurden auch Beobachtungsstudien zugelassen, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllten, wie etwa den Einschluss von mehr als 1000 Patienten und den exakten Ausweis von vordefinierten Nebenwirkungen (z.B. Therapieabbruch wegen Nebenwirkungen, Hypotonie, Synkope, Husten). Insgesamt kamen 41 Studien in die Auswertung, darunter 9 randomisierte und kontrollierte Studien, 2 nicht randomisierte Vergleichsstudien sowie 6 systematische Reviews.
Auch Diabetiker profitieren Die Analyse erbrachte im Wesentlichen folgende Erkenntnisse: ACE-Hemmer reduzieren das relative Risiko für die Gesamtmortalität, für nicht tödlichen Infarkt und für Schlaganfall. Das gilt auch für stabile KHK-Patienten, die an einer peripheren Gefässkrankheit, einer zere-
brovaskulären Krankheit oder an Diabetes mellitus mit Endorganschäden litten. Hingegen gelang es nicht, den Nutzen von Angiotensin-II-Antagonisten in dieser Indikation zu sichern, schlicht deshalb, weil es an geeigneten Studien mangelt, die den heute geforderten Qualitätsstandards genügen. Nur eine einzige randomisierte und kontrollierte Studie hoher Qualität konnten die Autoren ausfindig machen, wobei ausschliesslich Patienten rekrutiert wurden, die zuvor ACE-Hemmer nicht vertragen hatten. Keine Vorteile scheint die Kombinationstherapie aus ACE-Hemmer und Angiotensin-II-Antagonist zu bringen. Eine einzige Studie mit mittlerem Evidenzgrad zeigte, dass hinsichtlich der Endpunkte Gesamtmortalität, kardiovaskuläre Mortalität, Myokardinfarkt und Schlaganfall die Kombination nicht besser abschnitt als ein ACE-Hemmer allein, stattdessen wurden vermehrt Nebenwirkungen wie etwa Hypotonie und Synkopen registriert. Die meisten Patienten hatten in den Studien Plättchenaggregationshemmer und Lipidsenker erhalten, etwa jeder Zweite nahm ausserdem Betablocker ein. Die Basistherapie mit diesen Medikamenten beeinflusste den Wirkungsgrad der ACEHemmer nicht nennenswert, jedoch bestand eine Ausnahme: ACE-Hemmer scheinen etwas wirksamer bei Patienten zu sein, bei denen keine Plättchenhemmer eingesetzt werden. Ob das mit einer Interaktion zwischen Acetylsalicylsäure
Merksätze
■ ACE-Hemmer können KHK-Patienten mit normaler Ventrikelfunktion helfen, wenn sie zusätzlich zur Standardtherapie verabreicht werden.
■ Dasselbe lässt sich mangels geeigneter Studien von Angiotensin-II-Antagonisten derzeit nicht sagen.
■ Eine Kombination aus der beiden Substanzen bringt keine Wirksamkeitsvorteile, aber vermehrt Nebenwirkungen.
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STUDIE REFERIERT
und ACE-Hemmer zu tun hat, ist unklar. Mit Blick auf die unterschiedlichen ACEHemmer zeigte sich, dass die als gewebespezifisch geltenden Vertreter, wie etwa Perindopril, Ramipril oder Trandolapril, keine bessere Kardioprotektion lieferten als die serumspezifischen ACE-Hemmer, wie beispielsweise Enalapril.
Nebenwirkungen oft unvollständig erhoben Die Studienautoren betonen auch die Grenzen ihrer Studie: «Wir konnten nur
die publizierten Daten auswerten und solche, die uns von den Studienautoren zur Verfügung gestellt wurden. Es war nicht möglich, allfällige Publikationsbias hinsichtlich der Outcome-Parameter einzuschätzen.» An den meisten Studien nahmen in erster Linie 60- bis 70-jährige Männer teil, was die Resultate nicht ohne Weiteres generalisierbar mache, meinen die Autoren. Zudem bemängeln sie, dass Nebenwirkungen oft inkonsistent und unvollständig angegeben wurden.
William L. Baker et al.: Systematic review: comparative effectiveness of angiotensin-converting enzyme inhibitors or angiotensin II-receptor blockers for ischemic heart disease. Annals of Internal Medicine 2009; 151, 1861—1871.
Interessenkonflikte: keine deklariert
Uwe Beise
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