Transkript
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Rosenbergstrasse 115
Nicht alle mögens, wenn wir – was wir, zugegeben, seit Jahren tun – «auf den Mann spielen». Konkret: Auf die Mannen im BAG: Chef Pascal Couchepin, Direktor Thomas Zeltner und (selten) Vize Peter Indra. Warum eigentlich nicht? Schliesslich sind es nicht die Institutionen an sich, die Mist produzieren, sondern jene, die in ihnen das Sagen haben. Wir schimpfen ja auch nicht über die Autos, sondern über die Raser. Und wer in einer verantwortungsvollen Position dermassen viel Unsinn von sich gibt, so viele ideologisch motivierte Entscheide trifft, soviel von Unkenntnis über die praktische Arbeit der Ärztinnen und Ärzte geprägte Verordnungen erlässt und so viel Geld unnötigerweise ausgibt wie die genannten Herren, muss sich anhaltende Kritik gefallen lassen. Auch übers Ausscheiden aus dem Amt hinaus. Das ist ja gerade der Clou solcher Pöstchen. Wie immer man sie auch nutzt, als Krönung der Politkarriere, als geschützte Werkstätte ohne Leistungskontrolle oder als Sprungbrett für den Umstieg in eine (noch) besser bezahlte Position zum Beispiel bei einer grossen Krankenkasse – die Folgen tragen immer die anderen.
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Samstagabend Fernsehzeit. Die Alternative: Bohlen mit DSDS (Deutschland sucht den Superstar) oder Swiss Award. Die Wahl fällt leicht: Wenn schon bescheuert, dann richtig. Bohlen und seine zwischen Genie und peinlicher Selbstüberschätzung (ein, wie man anzunehmen geneigt ist, einem Teil der deutschen Jugend ganz eigener Charakterzug) changierende Gästeschar sind allemal unterhaltender als die immer gleiche Cervalat- und Ringier-Medien-Prominenz auf dem Catwalk des Schweizer Fernsehens. Gut, beim Zappen kriegt man vielleicht nicht alles mit. Immerhin trat auch ein wirklicher Star auf: Tina Turner, die trotz ihrer
70 Jahre wie 45 aussieht. Wow, für ein paar Minuten schlug sftv sogar RTL. Doch dann kamen – unvermeidlich – «Das Fiir vo der Seeensucht» und … – ebenso unvermeidlich – die BDP-Politikerinnen und … zapp!
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Otto Ineichen, einer der Kandidaten für den Schweizer des Jahres und – selten war eine Wahl leichter vorhersehbar – Gewinner des Swiss Award in der Kategorie Politik, wurde vorgestellt als «unermüdlicher Kämpfer für die Jugendlichen» und nicht etwa als Produzent ganz schlimm unausgegorener staatsinterventionistischer Ideen zur Rettung des Schweizer Gesundheitswesens.
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Apropos unausgegorene Ideen: Die Ostschweizer Gesundheitsdirektoren trafen sich auf Einladung der Schaffhauser Sanitätsdirektorin kaum drei Jahre nach der grandiosen Ablehnung einer SP-Initiative zur Einführung einer Einheitskrankenkasse bereits wieder zum Gedankenaustausch – über eine Einheitskrankenkasse. Dabei sind die Argumente für eine Staatsversicherung seither nicht besser geworden. Aber eben, ob Hundebisse oder Krankenkassenprämien – manche, und leider beileibe nicht nur linke, Politiker verwechseln Aktionismus gerne mit verantwortungsvollem Handeln.
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Selbst Star-Herzchirurg Thierry Carrel liess sich für den Swiss-Award-Event einspannen – nicht ohne, und vermutlich nicht zufällig, dabei für die Ringier-Sendung «GesundheitSprechstunde» verbales Product-Placement zu betreiben. Wes Brot ich ess … beziehungsweise wes medialer Vermarktung ich zuteil werde …?
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Doch, es gab auch noch Sympathisches – neben Ferdi (national) Kübler. Einer hatte nämlich Besseres zu tun als sich neben den Marquards, Widmer-Schlumpf, Sepp Blatter & Co vorwiegend selber zu feiern, und hatte ein angenehm schlechtes Gewissen ob seiner Wahl zum Schweizer des Jahres: Kollege René Prêtre, pädiatrischer Herzchirurg. Er war nicht extra aus Mosambik angereist, wo er gerade arbeitet, operiert und einheimische Kollegen instruiert.
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Tschechien hat im Gesundheitswesen offenbar ähnliche Probleme wie wir: zu wenig einheimisches Spitalpersonal. Ein kreativer (andere meinen: ein verzweifelter) Spitaldirektor in Prag versuchte es deshalb mit besonders originellen «Incentives»: kostenlosen Schönheitsoperationen für Krankenschwestern und Pflegerinnen. Konkret: Wer bereit war, für drei Jahre zu unterschreiben, durfte sich als Belohnung gratis die Lippen aufspritzen, die Brüste vergrössern oder den Bauch straffen lassen ...
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Sicherheitshinweise auf einem Flug der Air Berlin (se non e vero e ben trovato): «Sollte der Druck in der Kabine sinken, fallen automatisch Sauerstoffmasken aus der Kabinendecke. Hören Sie auf zu schreien, ziehen Sie die Maske zu sich heran und platzieren Sie sie fest auf Mund und Nase. Wenn Sie mit einem kleinen Kind reisen, ziehen Sie erst Ihre eigene Maske auf, und helfen anschliessend dem Kind. Wenn Sie mit zwei kleinen Kindern reisen, ist jetzt der Zeitpunkt zu entscheiden, welches Sie lieber haben.»
Richard Altorfer
ARS MEDICI 2 ■ 2010 45