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FORTBILDUNG
Zervixkarzinom-Screening im Zeitalter der Impfung: ein Update
Die Impfung gegen das humane Papillomavirus (HPV)
hat die Prävention des Zervixkarzinoms grundlegend
verändert. Dieser Beitrag diskutiert die derzeitigen
und künftigen Auswirkungen auf Screeningprogramme.
FRANZISKA HAHNLOSER UND MATHIAS K. FEHR
Epidemiologie des HPV In der Schweiz werden jährlich zirka 320 neue Zervixkarzinome und 5000 zervikale intraepitheliale Neoplasien (CIN) Grad II oder III diagnostiziert. Etwa 88 Frauen pro Jahr sterben am Zervixkarzinom. Verglichen mit anderen Ländern, vor allem Entwicklungsländern, sind diese Zahlen sehr tief, was vor allem der Akzeptanz der Krebsvorsorge in der weiblichen Bevölkerung zuzuschreiben ist. Noch in den Achtzigerjahren war die Inzidenz des Zervixkarzinoms in der Schweiz um 40 Prozent höher (440 Fälle pro Jahr). Die Kosten der Zervixkarzinom-Vorsorge mit dem Ziel, obligate Krebsvorstufen, die zervikalen intraepithelialen Neoplasien, chirurgisch zu entfernen, sind jedoch beträchtlich. Die in Deutschland publizierten Kosten für die Abklärung und Therapie inklusive Arbeitsausfälle einer gering suspekten Zervixzytologie (PAP-Abstrich III) betragen 1063 Euro, für eine hochgradig suspekte Zytologie (PAP IV) 3236 Euro. Insgesamt verursachen auffällige Zervixzytologien in Deutschland jährliche Kosten von 200 Mio. Euro (1). Deshalb überrascht es nicht, dass die von der eidgenössischen Kommission für Impffragen (EKIF) in Auftrag gegebene Studie zur Einführung der HPV-Impfung für alle 11- bis 14-jährigen Mädchen (Nachholimpfung bis zum 20. Lebensjahr) eine hohe Kosten-Nutzen-Effizienz ergab. Das Zervixkarzinom ist weltweit heute noch das zweithäufigste Krebsleiden bei Frauen, wobei 80 Prozent der Fälle mit assoziierten Todesfällen in Entwicklungsländern auftreten. Weltweit werden jährlich 490 000 Zervixkarzinome diagnostiziert, und 270 000 Frauen sterben daran. In industrialisierten Ländern kann man von einer erfolgreichen sekundären Prävention des Zervixkarzinoms sprechen. Dieser Erfolg beruht auf verschiedensten Meilensteinen:
Seit Ende des 19. Jahrhunderts wurden atypische Zellveränderungen des Plattenepithels der Zervix beschrieben. 1932 verwendete Broders erstmals den Begriff Carcinoma in situ, und im Verlauf wurde die Theorie der Krebsvorstufen erkannt (2). Laut dieser Theorie konnte eine rechtzeitige Therapie der Dysplasie die Entstehung von Krebs verhindern. H. Hinselmann entwickelte 1925 das Kolposkop: Durch eine vergrösserte und somit genauere Betrachtung der Zervix konnten gezielt Biopsien zur Diagnose der Krebsvorstufen entnommen werden. 1928 entwickelte G. Papanicolaou ein neues und einfaches Verfahren zur Konservierung und Färbung von Zellabstrichen: den PAP-Abstrich. 1943 publizierte er zusammen mit Traut den Nutzen dieses neuen Verfahrens in der Früherkennung des Zervixkarzinoms. Damit begann die Ära der zytologischen Vorsorgeuntersuchung zur Früherkennung von Krebs.
Merksätze
■ Bis zu 80 Prozent der Bevölkerung wird einmal im Leben mit HPV infiziert, wobei 80 Prozent der Infektionen nach einem Jahr eliminiert sind.
■ Auch ein gut organisiertes Screeningprogramm kann das Zervixkarzinom nicht eliminieren.
■ Die Impfung kann den Verlauf einer bestehenden HPV-Infektion inklusive onkogene Transformation nicht beeinflussen, sie ist also rein prophylaktisch und nicht therapeutisch.
■ Die Effektivität des Screenings mittels Zervixzytologie wurde nie in randomisierten Studien untersucht, trotzdem zeigte die sekundäre Prävention des Zervixkarzinoms durch den regelmässigen Abstrich eine hohe Erfolgsrate.
■ Die Prävention des Zervixkarzinoms ist mit der HPV-Impfung nicht abgeschlossen: Das schlimmste Szenario wäre, wenn sich die geimpfte Frau im falschen Glauben der absoluten Sicherheit wiegt und gar keine Screeninguntersuchungen mehr vornimmt.
■ Zurzeit ist eine generelle Reduktion der Zervixkarzinom-VorsorgeIntervalle nicht statthaft.
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FORTBILDUNG
Epidemiologische Studien zeigten bereits früh, dass die Risikofaktoren des Zervixkarzinoms mit denen einer Geschlechtskrankheit übereinstimmen. Dies führte zur Suche nach möglichen Erregern. 1974 wurde das humane Papillomavirus (HPV) als obligater, aber nicht als einziger Faktor bei der Entstehung eines Zervixkarzinoms und von dessen Vorstufen identifiziert (3). 1998, mit der Entwicklung eines Impfstoffs gegen HPV, starteten die ersten Studien mit dem Ziel, die Entstehung einer Krebsvorstufe an der Zervix zu verhindern.
Häufigkeit und onkogenes Potenzial der verschiedenen HPV-Typen Von den über 130 bekannten humanen Papillomaviren (HPV) befallen 30 bis 40 verschiedene Typen die anogenitale Haut. Humane Papillomaviren sind unbehüllte, doppelsträngige DNA-Viren (dsDNA), welche zur Familie der Papovaviren gehören. Bei 99,7 Prozent aller Zervixkarzinome, aber auch bei 100 Prozent der zervikalen intraepithelialen Neoplasien Grad III (CIN III) und bei 100 Prozent der Adenocarcinomata in situ der Zervix liessen sich HPV nachweisen. Zusätzlich sind 9 Prozent der Analkarzinome, 60 bis 65 Prozent der Vaginalkarzinome, 50 Prozent der Vulvakarzinome und 12 Prozent der oropharyngealen Karzinome mit HPV assoziiert. 15 HPV-Typen gelten als onkogen und werden als High-RiskTypen bezeichnet. 3 weitere HPV-Typen haben möglicherweise ein hohes Risiko, während 12 HPV-Typen als nicht onkogen gelten. Die Genotypen 16, 18, 31, 33, 35, 39, 45, 51, 52, 56, 58, 59, 68, 73 und 82 gehören zur High-Risk-Gruppe und sind somit potenziell krebserregend. 70 Prozent der Zervixkarzinome werden durch die HPV-Typen 16 und 18, 5 Prozent durch eine Kombination beider Typen verursacht. Bei bis zu 13 Prozent der Patientinnen kann mehr als ein HPV-Typ nachgewiesen werden (4, 6). Während die HPV-Typen 6 und 11 als nicht onkogen gelten, sind zirka 90 Prozent der genitalen Warzen und rezidivierenden respiratorischen Papillomatosen (Larynxpapillome bei Kindern) mit HPV 6 oder 11 assoziiert. Bis zu 80 Prozent der Bevölkerung wird einmal im Leben mit HPV infiziert, wobei 80 Prozent der Infektionen nach einem Jahr eliminiert sind. Das Infektionsrisiko ist kurz nach dem Beginn sexueller Aktivitäten am grössten, und es muss von einer erschreckend hohen Prävalenz dieser Viren (24%) bei jungen Frauen ausgegangen werden. Eine longitudinale Studie bei Studentinnen zeigte, dass 30 Prozent innerhalb eines Jahres Kontakt mit HPV hatten. Eine europäische Studie zeigte folgende altersabhängige HPV-Prävalenz: 21 bis 30 Jahre: 23,6 Prozent, 30 bis 34 Jahre: 14,5 Prozent, 55 bis 60 Jahre: 3,8 Prozent (5). Nach einer HPV-Infektion entwickeln nur 50 bis 60 Prozent der Frauen Serumantikörper gegen den entsprechenden HPV-Typ. Man weiss noch wenig über die Bedeutung dieser Serumantikörper und die natürliche Immunität. Es gibt jedoch Hinweise, dass eine Reinfektion mit demselben HPV-Typ möglich ist. Zwei Drittel der infizierten Frauen werden keinerlei Anzeichen eines HPV-Infekts zeigen, 33 Prozent werden eine suspekte Zervixzytologie aufweisen, und 5 bis 6 Prozent werden eine Krebsvorstufe am Gebärmutterhals entwickeln. Das Risiko der
Entwicklung einer Krebsvorstufe (CIN III) ist jedoch abhängig vom onkogenen Potenzial des HPV. Dies scheint beim HPV 16 am höchsten zu sein. Bei einer HPV-16-Infektion und normaler Zervixzytologie besteht ein Risiko von 17 Prozent, eine CIN III oder ein Karzinom zu entwickeln. Bei einem HPV-18-Infekt beträgt dieses Risiko 14 Prozent. Liegt eine suspekte Zytologie bei gleichzeitigem HPV-16-Infekt vor, beträgt das Risiko, innerhalb von 2 Jahren eine CIN III oder ein Karzinom zu entwickeln, 30 bis 40 Prozent. Die Progression einer bioptisch gesicherten CIN III zu einem invasiven Karzinom findet nicht immer statt, und spontane Abheilungen sind möglich. In einer 2 Jahre dauernden retrospektiven Studie mit 92 Patientinnen mit persistierenden CIN III erfolgte die Progression zu einem invasiven Karzinom bei 50,3 Prozent (12).
HPV-Impfung ist höchst effektiv, jedoch nicht therapeutisch Zwei Impfungen (Gardasil® und Cervarix®) sind im Moment auf dem europäischen Markt, beide Impfungen müssen dreimal im Intervall von 1, 2 bis 3 sowie 6 Monaten verabreicht werden. Die Impfung mit Gardasil® wird in der Schweiz von den Krankenkassen im Rahmen der kantonalen Impfprogramme bezahlt. Im Impfstoff sind Virus-like Particles, bestehend aus den Kapsidproteinen L1 der HPV-Typen 6, 11, 16 und 18, enthalten, also keine virale DNA, sondern lediglich Hüllenproteine. Bei 17 129 Frauen, die noch nie mit HPV in Kontakt gekommen, also HPV-naiv waren und während des Zeitraums der Impfung HPV-negativ blieben, verhinderten die Impfungen das Auftreten einer HPV-16- oder HPV-18-assoziierten CIN II/III oder eines Adenocarcinoma in situ bei 99 Prozent und das Auftreten einer vulvären oder vaginalen intraepithelialen Neoplasie bei 100 Prozent. Der Schutz gegen mit HPV 6 oder 11 assoziierte genitale Kondylome betrug in der randomisierten FUTURE-IStudie, die 5455 Frauen einschloss, 100 Prozent. Auch geimpfte Frauen können eine kurz dauernde Infektion mit HPV 16/18 durchmachen (5–6%), die persistierende HPV-Infektion wird jedoch fast vollständig verhindert. Hingegen kann die Impfung den Verlauf einer bestehenden HPV-Infektion inklusive onkogener Transformation nicht beeinflussen, sie ist also rein prophylaktisch und nicht therapeutisch. Zum Erreichen der maximalen Effektivität muss somit die Impfung vor Aufnahme der sexuellen Aktivität durchgeführt werden. Bei Frauen mit möglichem vorgängigen HPV-Kontakt durch sexuelle Aktivität betrug der Schutz vor HPV-16/18-assoziierten intraepithelialen Neoplasien nur noch 44 Prozent, und gegen durch irgendeinen HPV-Typ verursachte Läsionen bestand nur noch ein 17-prozentiger Schutz. Geimpfte Frauen zeigen einen 10- bis 100-mal höheren Serumantikörpertiter als Frauen, die eine natürliche HPV-Infektion durchgemacht haben. Jüngere Frauen weisen einen höheren Antikörpertiter auf als ältere Frauen. Die Immunität bleibt mindestens 5 Jahre erhalten. Beide Pharmakonzerne planen bei ihren Studienpatientinnen Nachfolgeuntersuchungen, die bis
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mindestens 14 Jahre nach der 3. Spritze erfolgen sollen, um die Frage der Langzeitimmunität zu klären. Eine partielle Kreuzimmunität gegen HPV 31 und 45 konnte für Gardasil nachgewiesen werden. Somit scheint diese Impfung gegen 78 Prozent der HPV-Infektionen mit onkogenen Typen zu schützen.
Screening Zervixzytologie: Die Effektivität des Screenings mittels Zervixzytologie wurde nie in randomisierten Studien untersucht (7), trotzdem zeigte die sekundäre Prävention des Zervixkarzinoms durch den regelmässigen Abstrich eine hohe Erfolgsrate. In Finnland konnte beispielsweise die Inzidenz des Zervixkarzinoms um 70 Prozent gesenkt werden. Anders formuliert konnte also auch ein gut organisiertes Screeningprogramm das Zervixkarzinom nicht eliminieren. In England hatten 60 Prozent der unter 45-jährigen Frauen, welche an einem Zervixkarzinom verstarben, an einem Screeningprogramm teilgenommen (8). Eine einmalige Zervixzytologie hat für das Erkennen einer CIN II/III oder eines Zervixkarzinoms nur eine Sensitivität von zirka 50 Prozent, da intraglandulär gelegene Läsionen häufig falschnegative PAP-Resultate zeigen. Eine Metaanalyse von 94 Studien zeigte eine Sensitivität von 30 bis 87 Prozent. Wird der Abstrich in regelmässigen Intervallen wiederholt, steigt die Sensitivität auf gegen 90 Prozent. Die Spezifität der Zervix-
zytologie ist hingegen mit 86 bis 100 Prozent hoch (9). Eine gleichzeitig mit der Abstrichentnahme durchgeführte Kolposkopie kann die Sensitivität steigern, die Sensitivität der alleinigen Kolposkopie für eine CIN III beträgt jedoch auch nur 64 Prozent, da die Läsionen sich im Zervikalkanal verstecken können. HPV-Test: Die HPV-Testung weist eine wesentlich höhere Sensitivität als der PAP-Abstrich auf, dies aber auf Kosten der Spezifität. Bei einem alleinigen HPV-Test würden mehr Frauen zu kolposkopischen Untersuchungen zugewiesen, und dies würde höhere Kosten verursachen. (11) In den USA wird der HPV-Test parallel zum Zervixabstrich ab dem 35. Lebensjahr regelmässig empfohlen. Bei jüngeren Frauen ist das Zervixkarzinom nur sehr selten, die Prävalenz der HPV-Infektionen jedoch höher (24% im Alter von 21 bis 30 Jahren). Somit würde eine alleinige HPV-Testung von Frauen unter 30 Jahren eine enorme Anzahl von unnötigen Folgeinterventionen nach sich ziehen. Die Tabelle zeigt eine Übersicht der Empfehlungen verschiedener Organisationen in unterschiedlichen Ländern zu Screening und Prävention des Zervixkarzinoms.
Zervixkarzinom-Screening nach HPV-Impfung Die Prävention des Zervixkarzinoms ist mit der HPV-Impfung nicht abgeschlossen. Das schlimmste Szenario wäre, wenn sich die geimpfte Frau im falschen Glauben der absoluten
Tabelle: Empfehlungen verschiedener Organisationen in unterschiedlichen Ländern zu Screening Tabelle: und Prävention des Zervixkarzinoms
European Guidelines 2007
American Cancer Society 2007
American College of Obstetricians and Gynaecologists 2003
US Preventive Task Force 2003
Screeningbeginn HPV-Testung Intervalle ■ konventioneller PAP
■ mittels HPV-Test Screeningstopp
20. bis 30. Lebensjahr nicht empfohlen
3 bis 5 Jahre
keine Angabe 60. bis 65. Lebensjahr, wenn 3 oder mehr konsekutive Abstriche negativ waren
3 Jahre nach Beginn GV oder ab 21. Lebensjahr
zusammen mit Zytologie ab 30. Lebensjahr
3 Jahre nach Beginn GV oder ab 21. Lebensjahr
zusammen mit Zytologie ab 30. Lebensjahr
3 Jahre nach Beginn GV oder ab 21. Lebensjahr
nicht empfohlen
jährlich; alle 2 bis 3 Jahre für Frauen ab 30. Lebensjahr und falls 3-mal konsekutiv negative Zytologie
jährlich; alle 2 bis 3 Jahre für Frauen ab 30. Lebensjahr und falls 3-mal konsekutiv negative Zytologie
mindestens alle 3 Jahre
alle 3 Jahre, wenn Zytologie und HPV negativ
alle 3 Jahre, wenn Zytologie und HPV negativ
keine Angabe
> 70. Lebensjahr, wenn 3 oder mehr konsekutive Abstriche negativ waren und keine abnormalen PAP in den letzten 10 Jahren vorkamen
«nicht genügend Evidenz, um eine Alterslimite festzulegen»
> 65. Lebensjahr mit negativem Test und Frauen, die keine Risiken für ein Zervixkarzinom aufweisen
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Sicherheit wiegt und gar keine Screeninguntersuchungen mehr vornimmt. Es besteht weiterhin ein 20- bis 30-prozentiges Risiko, durch einen der 13 anderen High-Risk-HPV-Typen infiziert zu werden und an einem Zervixkarzinom zu erkranken. Zudem weiss man noch nicht genau, wie lange die Impfimmunität anhält und inwiefern und wann eine Auffrischimpfung notwendig sein wird. Es ist auch möglich, dass in einer Bevölkerung mit hoher Impfrate die Prävalenz anderer onkogener Viren steigt und somit die Inzidenz des Zervixkarzinoms wieder zunimmt. Bis jetzt gibt es allerdings keine Daten, welche auf eine solche Verschiebung der HPV-Prävalenz schliessen lassen. Ein Argument gegen ein solches Szenario ist, dass Mischinfektionen mit verschiedenen HPV-Typen häufig sind, sodass sich die verschiedenen HPV-Typen nicht gegenseitig den Wirt streitig machen. Somit wird nicht erwartet, dass die Prävalenz anderer onkogener HPV-Typen absolut ansteigt. Überlegungen für ein zukünftiges Zervixkarzinom-ScreeningProgramm müssen vermehrt das individuelle Risiko für die Entwicklung eines Zervixkarzinoms berücksichtigen. Dies wird beeinflusst durch das Alter (Risiko des vorgängigen HPVKontakts), die aktuelle Zervixzytologie, den aktuellen HPVStatus und die Impfanamnese. So hat eine 33-jährige Frau mit normaler Zervixzytologie und negativem HPV-Test ein Risiko von unter 1 Prozent, in den nächsten 5 Jahren eine CIN III oder ein Karzinom zu entwickeln. Für eine geimpfte Frau wird dieses Risiko wahrscheinlich noch niedriger ausfallen. Hingegen besteht für eine 33-jährige Frau mit hochgradig suspekter Zytologie und einem HPV-16-Infekt ein 80-prozentiges Risiko, auch wenn derzeit keine CIN in den kolposkopischen Biopsien nachweisbar ist. Wie oben erläutert, spielt das Alter bei der HPV-Impfung im Bezug auf bereits erfolgten HPV-Kontakt für den Impfschutz eine wesentliche Rolle. Junge Frauen, welche mit 18 geimpft wurden, haben möglicherweise einen deutlich geringeren Schutz als mit 12 Jahren geimpfte Mädchen. Es ist aufgrund der Effektivität der HPV-Impfung durchaus denkbar, dass die Empfehlungen bezüglich ZervixkarzinomScreening geändert werden. Um diese Empfehlungen jedoch generell anpassen zu können, braucht es eine hohe Durchimpfungsrate, was zurzeit mit zirka 30 Prozent in der Schweiz
nicht der Fall ist. Zudem muss zuerst ein Rückgang der Inzi-
denz von Krebsvorstufen nachgewiesen werden, bevor ein be-
währtes System verändert wird. Somit ist derzeit eine generelle
Reduktion der Zervixkarzinom-Vorsorge-Intervalle nicht statt-
haft. Im individuellen Fall werden risikoadaptierte Empfehlun-
gen unter Berücksichtigung der oben genannten Faktoren ge-
nerelle Empfehlungen ablösen. Individualisierte Risk-Tools
sind in Entwicklung und werden uns demnächst zur Verfü-
gung stehen (13).
■
PD Dr. med. Mathias K. Fehr Chefarzt Frauenklinik
Kantonsspital Frauenfeld 8501 Frauenfeld
E-Mail: Mathias.Fehr@stgag.ch
Interessenkonflikte: keine
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