Transkript
MEDIEN ■ MODEN ■ MEDIZIN
Prospektive Kohortenstudie bei Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen unter Thiopurinen zeigt:
Mehr therapiebedingte Lymphome bei IBD
Im Verlauf ihrer Erkrankung werden 30 bis 50 Prozent der Patienten mit Morbus Crohn auch mit Thiopurinen (v.a. Azathioprin [Imurek® oder Generika]) behandelt. Dadurch hat sich die Prognose der Betroffenen, insbesondere auch das Risiko intestinaler und extraintestinaler Komplikationen, deutlich verbessern lassen. Thiopurine haben beispielsweise auch den Verzicht auf eine Steroidlangzeitbehandlung mit ihrer Cushing-, Katarakt- und Osteoporosegefahr erlaubt. Vielfältige Beobachtungen und Berichte haben aber auch gezeigt, dass die Immunsuppression mit Azathioprin einhergeht mit einem signifikanten Anstieg des Risikos für lymphoproliferative Erkrankungen bei CrohnPatienten. Das genaue Ausmass dieser Behandlungsfolge wurde jetzt erstmals in grossem Rahmen von französischen Gastroenterologen der CESAME-Gruppe erfasst. Fast 20 000 konsekutive und unselektionierte Patienten mit entzündlicher Darm-
erkrankung (Inflammatory bowel disease, IBD) wurden registriert und über 3 Jahre beobachtet. Es ergab sich ein 5-Fach höheres Lymphomrisiko (Hazard Ratio 5,28, 95%-Konfidenzintervall 2,01–13,9) für Patienten, die mit Thiopurinen behandelt worden waren im Vergleich zu solchen, die nie mit dieser Wirkstoffgruppe in Kontakt gekommen waren. Dies bestätigt in etwa eine frühere Metaanalyse. In beiden Untersuchungen waren Non-Hodgkin-Lymphome am häufigsten, die sich wie diejenigen verhielten, die bei Transplantationspatienten auftreten und oft mit einer Ebstein-BarrVirusinfektion assoziiert sind. Trotz der Erhöhung des Lymphomrisikos dürfte Azathioprin wahrscheinlich ein Eckpfeiler der Behandlung bleiben. Im Übrigen war eine Kombinationsbehandlung von Azathioprin mit den neueren Antagonisten des Tumornekrosefaktors-alpha (TNF-alpha) von einem zusätzlichen Lymphomrisiko begleitet. Auf Basis der heutigen Daten bleibt hingegen
das Lymphomrisiko bei alleiniger Therapie
mit einem TNF-alpha-Hemmer unbekannt.
Daher lässt sich vorderhand auch nicht
festlegen, ob eine Erhaltungstherapie mit
TNF-alpha-Blocker derjenigen mit Azathio-
prin hinsichtlich lymphoproliferativer Fol-
gekrankheiten überlegen ist.
■
H.B.
Quelle: Lancet 2009; published online Oct 19. DOI:10.016/S01406736(09)61301-7.
Weiterer Hinweis auf eine Langzeitprotektion:
HPV-Impfstoff schützt mindestens 6 Jahre
Die Turbulenzen um die «pandemischen» Grippeimpfstoffe sollten den Blick darauf nicht verstellen, dass Impfungen eine Erfolgsgeschichte sind, die gerade auch den wenig entwickelten Regionen der Welt im Kampf gegen Infektionen greifbare Erfolge beschert haben. Grosse Hoffnungen richten sich daher auch auf die neuen Impfstoffe gegen das Humane Papillomvirus (HPV), da rund 80 Prozent der durch sie verhinderbaren Zervixkarzinome in Entwicklungsländern auftreten. Die kurzfristigen Auswirkungen auf Präkanzerosen sind eindrücklich, grosse Unsicherheit besteht aber noch hinsichtlich der Länge des Impfschutzes und – damit direkt verbunden – der Kosten der Vakzination, falls Boosterimpfungen relativ rasch nötig sein sollten. Sie
müssten die Kosten der präventiven Impfprogramme bei Mädchen auf ein Niveau treiben, das für die armen Länder unerschwinglich ist. Kürzlich hat «The Lancet» über eine recht langdauernde Beobachtung im Rahmen von Phase-II-Studien mit dem (bisher in der Schweiz nicht zugelassenen) bivalenten HPV-16-/18-Imfpstoff berichtet. Das wichtigste Ergebnis der Studie betrifft die Langzeitwirkung auf der Immunität. So zeigte sich, dass nach der Spitze bei den Antikörperkonzentrationen 7 Monate nach der Impfung zwar ein Abfall einsetzte, dann aber während der Beobachtungsjahre 3 bis 6 keine weitere Antikörperreduktion mehr eintrat. Dies legt den Schluss nahe, dass die mittleren Antikörperspiegel für einen langen Zeitraum deutlich über denje-
nigen nach einer durchgemachten natür-
lichen HPV-Infektion liegen dürften. Ein
statistisches Modell beziffert die Dauer die-
ses Schutzes auf mehr als 20 Jahre. Vorder-
hand allerdings lässt sich für die Planung
von Impfprogrammen in den besonders be-
dürftigen, armen Ländern von einer Dauer
des Impfschutzfensters von mindestens
6 Jahren ausgehen. Dies ist wichtig um den
günstigsten Zeitpunkt der Impfung – recht-
zeitig vor dem Beginn sexueller Aktivität
aber auch spät genug um möglichst viele
darauf folgende Jahre abzudecken – zu
berechnen.
■
H.B.
Quelle: Lancet 2009; published online Dec 3. DOI:10.1016/S01406736(09)61567-1.
4 ARS MEDICI 1 ■ 2010