Transkript
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Rosenbergstrasse 115
Herr Polanski hat vor vielen Jahren ein 13-jähriges Kind … die einen sagen vergewaltigt, die anderen verführt, und wiederum andere fragen, was denn eine womöglich älter aussehende 13-Jährige überhaupt freiwillig in einem Haus mit einem bekannten Star suche. Österreich, Deutschland und Israel haben in ähnlicher Situation wie die Schweiz eine … hm, sagen wir diplomatische Lösung gefunden, um den amerikanischen Haftbefehl nicht vollziehen zu müssen. Die Schweizer Behörden haben getan, was Beamte halt zu tun haben. Die Schweizer Kunstschaffenden haben – verständlich – ein schlechtes Gewissen, schliesslich haben sie Polanski eingeladen und damit, unfreiwillig natürlich, der Justiz ausgeliefert. Schwierig, schwierig. Oder doch nicht? Die Fakten sind offensichtlich so klar, klarer gehts nicht. Es geht ebenso offensichtlich nur darum, wie man mit Fakten umgeht. Und es stellen sich eigentlich nur zwei Fragen: Ist es richtig, dass eine Vergewaltigung (nach amerikanischem Recht ist es das ohne jeden Zweifel) nach 30 Jahren noch strafrechtliche Konsequenzen hat? Da haben wir Schweizer vor Kurzem eben unsere Ansicht geändert; wir haben nämlich vor Kurzem über die Unverjährbarkeit von derartigen Straftaten abgestimmt und sie angenommen. Zweite Frage: Muss man (genauer: die Schweiz) mit einem arrivierten, weltberühmten Künstler anders verfahren als mit einem x-beliebigen Herr Meier? Die Schweizer Kulturschaffenden (genauer: inzwischen nur noch ein Teil von ihnen) meinen offenbar ja. «Das Volk» meint mehrheitlich nein. Übrigens offenbar auch dasjenige von Frankreich.
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Hannibal Gaddafi schlug seine Haushälterin. Die Genfer Polizei rückte nächtens mit einem 16 Mann starken Überfallkommando aus und verhaftete Hannibal und seine schwangere Ehefrau. Polanski vergewaltigte eine 13-Jährige. Die Zürcher Kantonspolizei hat ihn ganz einfach verhaftet. Interessante Frage: Was hätten die Zürcher im Fall Gaddafi getan und wie hätte man in Genf auf die Einreise von Polanski reagiert?
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Und wir warten weiterhin auf die Schweinegrippe-Epidemie. Vielleicht war sie ja schon da – es husten gar viele völlig vergrippt, aber nicht so richtig krank – und keiner hat es bemerkt.
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In den Achtzigerjahren hiess es: «Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin.» Heute heisst es nur noch. «Stell dir vor, es geht und keiner kriegts hin.»
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Ist das Internet der Informationskanal der Zukunft? Schon möglich. Bloss, Geld verdienen lässt sich damit nur schwer. Zum Leidwesen aller Verlage, vor allem der Tagespresse. Nur gerade 5 Prozent der Internetnutzer wären nämlich grundsätzlich bereit, für Online-Nachrichten zu bezahlen. Dies ist das Resultat einer Studie in England. 1188 Personen wurden zum Thema «Paid Content» befragt. Während
8 Prozent der Befragten weiterhin die Gratis-Titelzeilen lesen würden, zeigten sich 12 Prozent unsicher, ob sie überhaupt auf der entsprechenden Internetseite verweilen würden. 64 Prozent der Befragten würden zu einer alternativen Gratisquelle für Informationen ausweichen, müssten sie bezahlen. Es bleibt vorderhand dabei: Solange Gratisinformationen angeboten werden, haben zu bezahlende Inhalte im Internet kaum eine Chance.
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Und wie steht es mit fachlicher Fortbildung? Ein wenig anders schon. Zum einen werden die wichtigen Originalienzeitschriften wie «JAMA»,«Lancet», «BMJ» oder «New England Journal of Medicine» nie kostenlos im Netz aufgeschaltet. Zum andern aber sind Fortbildungszeitschriften wie «ARS MEDICI», «Primary Care», «Medical Tribune» oder «Hausarzt-Praxis» seit jeher faktisch gratis. Finanziert über den immer kleiner werdenden Ertrag aus den Anzeigen der Pharmaindustrie.
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Und was ist der Unterschied zwischen den bezahlten Presseerzeugnissen und den Gratiszeitungen und -Zeitschriften? Kein grosser. Eine Tageszeitung ohne Anzeigen könnte und würde niemand mehr bezahlen. Die Information ist bei den einen zu 95 Prozent, bei den anderen nur zu 50 Prozent gratis.
Richard Altorfer
ARS MEDICI 20 ■ 2009 813