Transkript
Editorial
Bekanntermassen eignen sich relative Risiken vortrefflich, um Menschen von irgendetwas zu überzeugen. Es tönt eben wesentlich eindrucksvoller, beispielsweise den Nutzen des Mammografiescreenings mit einem «20 Prozent geringeren Risiko, an Brustkrebs zu sterben» zu verkaufen als mit der eher ernüchternden Information, dass ohne Mammografiescreening innert zehn Jahren 5 von 1000 Frauen an Brustkrebs sterben werden und mit Mammografiescreening 4 von 1000. Doch Präventionskampagnen arbeiten gerne mit der Strategie, eine möglichst grosse Zahl mit einem möglichst grossen Schrecken zu verknüpfen. Doch das ist nicht nur unfair, sondern es entspricht auch nicht dem Wunsch von (potenziel-
Relativ relativ
len) Patienten nach brauchbarer Information, um als tatsächlich mündige Partner gemeinsam mit ihren Ärztinnen und Ärzten über Massnahmen und Therapien zu entscheiden. Wie man es besser machen kann, zeigt eine Studie, die kürzlich im Online-Journal «PLoS Medicine» erschien. Als Beispiel wählten die Autoren eine Risikoabschätzung aus der kardiovaskulären Primärprävention, nämlich die Senkung des kardiovaskulären Risikos durch Statine bei einem Cholesterinspiegel, der mit einem höheren kardiovaskulären Risiko innert zehn Jahren verbunden ist. Die relative Risikominderung für dieses Kollektiv hörte sich auch hier beeindruckend an: «Statine senken das kardiale Risiko innert 10 Jahren um 33 Prozent.» Davon liessen sich erwartungsgemäss die meisten Probanden beeindrucken. Satte 74 Prozent entschieden sich aufgrund dieser Aussage für das Medikament. Stellte man die Risiken hingegen in absoluten Zahlen dar, sank die Bereitschaft für die Pillen auf rund 50 Prozent. So unterschiedlich es sich auch anhört, es handelt sich im Folgenden immer um den selben Sachverhalt:
«Mit dem Medikament verringert man sein absolutes Risiko für Herzkrankheiten innert zehn Jahren um 2 Prozent» oder «Mit dem Medikament verringert man sein Risiko für Herzkrankheiten innert zehn Jahren von 6 auf 4 Prozent» oder «Wenn 50 Personen das Medikament nehmen, wird innert zehn Jahren eine Person weniger eine Herzkrankheit bekommen» oder «Wenn 50 Personen das Medikament nehmen, werden diese innert zehn Jahren 182 500 Pillen schlucken, und eine Person weniger wird eine Herzkrankheit bekommen». Am besten bewerteten die Testpersonen folgende Darstellung: «Wenn 100 Personen das Medikament nicht nehmen, werden innert zehn Jahren 94 von ihnen keine Herzkrankheit bekommen, und 6 werden erkranken. Man kann nicht sagen, ob Sie zu den 94 oder den 6 gehören werden. Von 100 Personen, die das Medikament nehmen, werden innert zehn Jahren 96 von ihnen keine Herzkrankheit bekommen, und 4 werden erkranken. Auch hier kann niemand sagen, wer zu den 96 und wer zu den 4 gehören wird.» Das mag auf den ersten Blick etwas umständlich wirken, ist aber gut geeignet, ein abstraktes Risiko fair und verständlich zu vermitteln. Man sollte eine solche Darstellung für Nutzen wie Risiken zur Pflichtangabe in Fachinformationen, Studien und Beipackzetteln machen.
Renate Bonifer
Carling CLL et al.: The effect of alternative summary statistics for communicating risk reduction on decisions about Taking Statins: a randomized trial. PLoS Medicine 2009; 6 (8): e10000134. www.plosmedicine.org
ARS MEDICI 18 ■ 2009 721