Transkript
STUDIE REFERIERT
Mit Vitamincocktail gegen AMD?
Eine plazebokontrollierte Studie spricht für einen möglichen Nutzen
Die Supplementierung mit den
Vitaminen B6, B12 und Folsäure
kann möglicherweise vor altersbe-
dingter Makuladegeneration (AMD)
schützen. Das zeigt eine plazebo-
kontrollierte Langzeitstudie bei
Frauen, die unter einer kardiovas-
kulären Krankheit leiden.
ARCHIVES OF INTERNAL MEDICINE
Die AMD ist in Industrienationen die häufigste Erblindungsursache bei über 50-Jährigen. Bis heute gibt es trotz gewisser therapeutischer Fortschritte keine Aussicht auf Heilung. Auch fehlt es, abgesehen von der Aufgabe des Rauchens, an der Möglichkeit, das Risiko, an AMD zu erkranken, zu verringern. Ein möglicher präventiver Ansatzpunkt könnte jedoch die Beeinflussung des Homocysteinspiegels im Blutplasma sein: Studien legen die Vermutung nahe, dass es einen Zusammenhang zwischen Homocystein und dem Auftreten einer AMD gibt. Ist Homocystein also ein (beeinflussbarer) Risikofaktor für AMD? Bekannt ist, dass bei Plasmakonzentrationen über 2,0 mg/l die Entwicklung einer vaskulären Dysfunktion begünstigt wird. Homocysteinämie gilt als ein unabhängiger Risikofaktor für Arteriosklerose und kardiovaskuläre Krankheiten. Interventionsstudien haben zudem gezeigt, dass durch Einnahme von Folsäure, Vitamin B6 (Pyridoxin) und Vitamin B12 (Cyanoco-
balamin) die Endotheldysfunktion wieder rückgängig gemacht werden kann. Der Versuch jedoch, bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Krankheiten die Zahl der kardiovaskulären Ereignisse durch Absenken des Homocysteinspiegels zu reduzieren, hat bisher nicht zum Erfolg geführt.
AMD-Risiko um 40 Prozent gesenkt Jetzt zeigt sich erstmals in einer gross angelegten randomisierten Studie, dass die Supplementierung von Folsäure und den beiden Vitaminen B6 und B12 womöglich das AMD-Risiko zu verringern vermag. An der Untersuchung, die in den «Archives of Internal Medicine» publiziert wurde, nahmen mehr als 5000 Frauen teil, die unter einer kardiovaskulären Krankheit litten oder bei denen mindestens drei kardiovaskuläre Risikofaktoren festzustellen waren. Das durchschnittliche Lebensalter der Frauen betrug 62 Jahre bei Aufnahme in die Studie. Eine Hälfte der Studienteilnehmerinnen wurde mit 2,5 mg/Tag Folsäure, 50 mg/Tag Vitamin B6 und 1 mg/Tag Vitamin B12 supplementiert, die andere Hälfte erhielt Plazebo. Nach durchschnittlich 7,3 Behandlungsjahren zeigte sich, dass das AMD-Risiko unter Einnahme der Vitamine um 35 bis 40 Prozent verringert werden konnte. In Absolutzahlen stellt sich die Ausbeute wie folgt dar: In der Verumgrupe erkrankten 55 Frauen an AMD, in der Plazebogruppe waren es 82. Berücksichtigt man nur die AMD-Patienten mit signifikant eingeschränktem Visus, so fanden sich 26 in der Behandlungsgruppe, 44 in der Plazebogruppe. Der Behandlungseffekt setzte etwa 2 Jahre nach Einnahme ein und blieb dann über den gesamten Zeit-
raum bestehen. Dennoch, so die Auto-
ren, sei nicht mit letzter Sicherheit aus-
geschlossen, dass es sich um einen
Zufallsbefund handle. Und ob sich die
mutmassliche präventive Wirkung tat-
sächlich mit einem abgesenkten Homo-
cysteinspiegel erklären lässt, beantwor-
tet die Studie nicht. Die entsprechen-
den Plasmaspiegel wurden nur einge-
schränkt dokumentiert. Bei Patienten
in der Supplementierungsgruppe lagen
die Homocysteinspiegel allerdings um
18,5 Prozent niedriger als bei jenen, die
Plazebo eingenommen hatten.
Nicht ausgeschlossen werden kann nach
Meinung der Autoren, dass die Effekte
beispielsweise auf eine direkte anti-
oxidative Wirkung der Folsäure oder auf
eine Erhöhung der NO-Konzentration in
den Choroidalgefässen zurückzuführen
sind. Die Autoren fordern weitere Stu-
dien zur Aufklärung dieser Frage. Zudem
sei es dringend notwendig, die erzielten
Ergebnisse an anderen Patientenkollek-
tiven zu überprüfen. Sollten sich die
jüngsten Daten bestätigen, könnte sich
die Vitaminsupplementierung ihrer Mei-
nung nach zu einem wichtigen präventi-
ven Ansatz mausern, vor allem auch,
weil es an Alternativen dazu bis anhin
fehlt.
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Uwe Beise
William G. Christen, et al.: Folid acid, pyridoxine, and cyanocobalamin combination treatment and age-related macular degeneration in women. The women’s antioxidant and folic acid cardiovascular study. Arch Intern Med 2009; 169 (4): 335–341.
Interessenlage: Die Studie wurde unterstützt vom National Heart, Lung, and Blood Institute und vom National Eye Institute.
Merksätze
■ Die Supplementierung von Folsäure, Vitamin B6 und Vitamin B12 senkt die Zahl der AMD-Fälle bei Frauen mit kardiovaskulären Krankheiten.
■ Die Ergebnisse müssen nun zunächst in weiteren Studien und an anderen Patientenkollektiven bestätigt werden.
758 ARS MEDICI 18 ■ 2009