Transkript
Rosenbergstrasse 115
Uns Medizinern genügte eigentlich schon das BAG. Jetzt macht auch noch das BVET (Bundesamt für Veterinärwesen) auf sich aufmerksam. In Vorbereitung auf die Schweinegrippe hat es ein WellensittichForum eingerichtet (www.forum.bvet. admin.ch/forum/)! Das liest sich dann so: «Seit einigen Tagen beschäftigt mich die Frage, ob die sogenannte Schweinegrippe (welche aus Schweine-, Menschen- und Vogelviren besteht) auch für Wellensittiche gefährlich ist. Ist sie gefährlicher als eine ‹normale› Grippe? Kann man seine Wellis noch versorgen, wenn man selbst an Schweinegrippe erkrankt ist? Vielen Dank im Voraus, L.» Die Antwort vom BVET folgt postwendend: «Grundsätzlich ist immer Vorsicht angebracht, wenn man selber krank ist und Tiere versorgen muss.» So, so. Und weiter: «Wenn es geht, sollte besser eine andere Person die Tiere versorgen. Ansonsten Vorsichtsmassnahmen treffen, wie man es auch gegenüber anderen (sic!) Menschen täte: Abstand halten, Hände waschen, ins Taschentuch niesen etc.» Der Dank der besorgten Frau L.: «Ich sehe nun der Schweinegrippe etwas gelassener entgegen und muss mir keine grossen Sorgen um meine Wellensittiche machen.» Gut zu wissen, dass unsere Steuergelder von den Bundesbeamten in Bern für sinnvolle Aktivitäten zu unserem aller Schutz und Wohlbefinden eingesetzt werden.
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Die Kirche ist auch nicht mehr, was sie einmal war. Früher vertrauten die Kirchgänger und die Herren Pfarrer auf Gott. Das ist im Zeichen der Schweinegrippe anders geworden. Man vertraut lieber auf die Mediziner und Hygieniker. Weihwasser wird nur noch desinfiziert unter die Leute gebracht – in der Hoffnung, dass das so malträtierte Wässerchen trotzdem
noch wirke – und im Kanton Aargau werden die Seelsorger vorsichtshalber mit Einweghandschuhen, Desinfektionsmitteln und Hygienemasken ausgerüstet. Letztere tragen sie möglicherweise auch, um zu verstecken, wie sehr sie sich ihrer Zweifel schämen.
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BAG und Medien habens geschafft: die Menschen haben inzwischen mehr Angst vor der Schweinegrippe als vor Krebs. Frau U., die an einem Lymphom leidet, sollte eigentlich dringend zur Chemotherapie. Sie weigert sich (zunächst): Chemotherapie schwäche ihr Immunsystem und Menschen mit geschwächtem Immunsystem würden eher an der Schweinegrippe erkranken. Sie möchte daher lieber zuwarten mit der Chemo, zum Beispiel bis im Frühjahr. Der Onkologe kann die verunsicherte Patienten am Ende überzeugen (natürlich mit einfühlsameren Worten), dass es weniger schlimm ist, an einer Schweinegrippe zu erkranken als an gar nichts mehr.
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Die Miss-Schweiz-Kandidatinnen sind so doof, dass sie auf Fotos weder das Matterhorn, noch den Rheinfall, weder Bundesrat Merz noch das Bundeshaus erkennen. Dafür auf Anhieb Herrn XY, den unsereiner noch nie gesehen hat – es muss wohl der neue Mister Schweiz sein. Hochnotpeinlich sei das, meint der BLICK unter dem Titel «Alle doof oder was?» Und mokiert sich auf seiner Homepage mächtig über die schönen Dummen. «Debededehakape» hiess das früher. Aber dass ausgerechnet der Ringier-Verlag, der seine Leserinnen und Leser vorzugsweise mit Themen wie «Miss Schweiz über ihre Libido und Liebesdinge» fortbildet, in der
Schweizer Illustrierten Weicheiiges über veritable und Möchtegern-Cervelatprominenz von Schaffhausen bis Lugano auftischt und uns täglich mit Glanz und Gloria belästigt, dass also ausgerechnet Ringiers BLICK sich lustig macht über jene, die sich halt nichts anderes reinzuziehen wissen als Ringiers Schrott, das ist – na gut, widerlich, mag sein, aber eben auch – genial. Den Dummen noch Dümmere vorführen, selbst den Dümmsten noch das Gefühl geben, über Dümmere lachen zu können, und mit allen ein Geschäft machen – wie gesagt: genial.
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Oder wie eine Redensart sagt: Ein Dummkopf findet immer einen, der noch dümmer ist, der ihn bewundert.
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Die Diskussion über Managerlöhne ist noch längst nicht vorbei. Die UBS muss beides wieder erhöhen, weil ihr sonst noch mehr gute Leute beziehungsweise deren Kunden weglaufen. Hoffen wir, das wenigstens die US-amerikanischen Sphären noch weit weg sind: Herr Stephen Schwarzmann, der Chef des Finanzinvestors Blackstone, erhielt im Jahr 2008 schlappe 702,4 Millionen US-Dollar. Auf dem zweiten Platz hinter dem Schwarzmann (nomen est omen) rangiert Herr Ellison, der Chef des Software-Hauses Oracle, mit einem Gehalt von 556,9 Millionen US-Dollar. Dann allerdings geht’s scharf hinunter. Unter die Top Ten in den USA kommt man schon, wenn man bloss 70 Millionen Dollar verdient.
Richard Altorfer
686 ARS MEDICI 17 ■ 2009