Transkript
Editorial
Die britische Foods Standards Agency wollte Klarheit und gab Forschern der London School of Tropical Medicine and Hygiene den Auftrag, den Nährstoffgehalt von Lebensmitteln aus biologischem und konventionellem Anbau zu vergleichen. Die Experten machten sich ans Werk und sahen mehr als 90 000 Studien aus den Jahren 1958 bis 2008 durch (1). Sie fanden bloss 162 relevante Artikel, von denen gerade einmal 55 die vordefinierten Qualitätsanforderungen erfüllten. Zwischen Bio-Food und konventionell produzierter Nahrung ergab sich keinerlei Evidenz für Unterschiede im Gehalt an Vitamin C, Kalzium, Phosphor, Kalium, Natrium, Kupfer, Eisen, Nitraten, Mangan, spezifischen Proteinen, titrierbarer
zierte Gemüse und Früchte sowie Tierprodukte hinsichtlich ihres Nährstoffgehalts weitestgehend vergleichbar sind. Allfällige Herbizid-, Pestizidoder Fungizidrückstände waren nicht Gegenstand dieser Analyse, ebenso wenig wie in der zweiten Analyse, die sich mit den mutmasslichen positiven Wirkungen von Bio-Food auf die Gesundheit
Emotionen essen
Säure, Schwefel oder Betakaroten (diese Liste ist noch viel länger). Signifikante Unterschiede wurden wenige gefunden: mehr Stickstoff in konventionell hergestellten Nahrungsmitteln, mehr Magnesium, Zink, Phenole und Flavonoide sowie Zucker in biologischen. Wurden nur die Studien mit zufriedenstellender Qualität berücksichtigt, blieben bloss mehr Nitrate in konventioneller und mehr Phosphor sowie titrierbare Azidität in biologischer Nahrung. Die Datenlage für Nahrungsmittel tierischer Herkunft war noch schmaler. Auch hier keine Unterschiede bei hoch gelobten oder übel beleumdeten Nahrungsbestandteilen: gesättigte, einfach ungesättigte (cis), n-6-mehrfach ungesättigte, n-3-mehrfach ungesättigte Fettsäuren, Stickstoff, Asche. In der Analyse der methodisch ordentlichen Studien blieb als Differenz bloss ein höherer Stickstoffanteil in Fleisch aus biologischer Aufzucht. Die Autoren kommen zum Schluss, dass biologisch und konventionell produ-
befasste (2). Zu diesem Thema liessen sich – wieder aus einem Zeitraum von 50 Jahren – magere 11 relevante Artikel (mit englischem Abstract) eruieren, von denen nur 3 eine ausreichende Qualität aufwiesen. Eine formelle numerische Analyse verbot sich so von vornherein. Der «narrative review» kommt zum eindeutigen Schluss, dass zurzeit keine Evidenz für einen gesundheitlichen Nutzen durch den Verzehr von biologischen anstatt konventionellen Nahrungsmitteln besteht. Das ist der Stand der – evidenzbasierten – Dinge. Bio-Food essen kann man dennoch, um der positiven Emotionen (Umwelt, Zukunft des Planeten, Tierquälerei etc.) willen, ohne «Rezept» der Werbeindustrie – und sofern man sichs finanziell leisten kann.
Halid Bas
1. www.food.gov.uk/multimedia/pdfs/organicreviewappendices.pdf 2. www.food.gov.uk/multimedia/pdfs/organicreviewreport.pdf
ARS MEDICI 17 ■ 2009 681