Transkript
OFFIZIELLES ORGAN
Richtige Führung einer Praxisapotheke — 1. Teil
Gesetzliche Grundlagen und regelkonformer, effizienter Betrieb
Da aufgrund der gewonnenen Zürcher Volksabstimmung die direkte ärztliche Medikamentenabgabe ab dem nächsten Jahr auch in den Städten Winterthur und Zürich zugelassen werden soll, führte die APA zusammen mit der Zürcher Ärztegesellschaft ein Ausbildungsseminar zur richtigen Führung einer Praxisapotheke durch. Im ersten Teil des Berichts wird auf die gesetzlichen Grundlagen sowie auf verschiedene Massnahmen für einen regelkonformen und effizienten Betrieb der Praxisapotheke eingegangen.
SIMON OTTH
Nachdem die Stimmberechtigten des Kantons Zürich an der Volksabstimmung vom 30. November 2008 der Initiative «Ja zur Wahlfreiheit beim Medikamentenbezug» zugestimmt haben, will der Regierungsrat die direkte ärztliche Medikamentenabgabe in den Städten Winterthur und Zürich trotz einer hängigen Bundesgerichtsbeschwerde der Apotheker auf den 1. Januar 2010 zulassen. Aus diesem Anlass führte die APA zusammen mit der Zürcher Ärztegesellschaft für alle Ärztinnen und Ärzte, die zukünftig Medikamente abgeben können, in Winterthur und in Zürich je ein Ausbildungsseminar zur richtigen Führung einer Praxisapotheke durch.
Gesetzliche Grundlagen Dr. Sven Bradke, Geschäftsführer der APA, ging in seinem Referat auf die für die direkte Medikamentenabgabe massgeblichen Rechtsnormen ein, die sich im Regelungsgeflecht von Heilmittelgesetz (HMG), Krankenversicherungsgesetz (KVG) und Strafgesetzbuch (StGB) finden. Für den Arzt mit Patientenapotheke ist in erster Linie das HMG bedeutsam, welches für alle Arzneimittel gilt und eine Versorgung mit qualitativ hochwertigen, sicheren und wirksamen Medikamenten gewährleisten soll. Dabei hält Art. 2 fest, dass das HMG nicht nur den Umgang mit Heilmitteln allgemein, sondern auch die Handhabung von Betäubungsmitteln und die Durchführung von Heilverfahren wie beispielsweise die Gentherapie regelt. Wer mit Heilmitteln umgeht,
muss laut Art. 3 HMG alle nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Massnahmen treffen, damit die Gesundheit von Mensch und Tier nicht gefährdet wird. Verschreibungspflichtige Arzneimittel dürfen gemäss Art. 24 HMG einerseits von Apothekerinnen und Apothekern auf ärztliche Verschreibung und andererseits von weiteren Medizinalpersonen gemäss den Bestimmungen über die Selbstdispensation abgegeben werden, wobei unter der Kontrolle dieser Personen auch entsprechend ausgebildete Fachpersonen zur Medikamentenabgabe berechtigt sind. Obwohl der Versandhandel mit Arzneimitteln grundsätzlich untersagt ist, bewirkt Art. 27 eine faktische Zulässigkeit dieses Abgabekanals, sofern für das betreffende Arzneimittel eine ärztliche Verschreibung vorliegt, keine Sicherheitsanforderungen entgegenstehen und die sachgemässe Beratung mit einer ausreichenden ärztlichen Überwachung der Wirkung sichergestellt ist. Nach den in Art. 26 HMG festgelegten Grundsätzen haben Ärztinnen und Ärzte bei der Medikamentenabgabe die anerkannten Regeln der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaften zu beachten, wobei insbesondere der Gesundheitszustand der Patientin oder des Patienten bekannt sein muss. Um jegliche Beeinflussung des Verschreibungs- und Abgabeverhaltens zu verhindern, verbietet Art. 33 HMG, für die Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln geldwerte Vorteile zu fordern
652 ARS MEDICI 16 ■ 2009
OFFIZIELLES ORGAN
oder anzunehmen. Zulässig sind jedoch handelsübliche und betriebswirtschaftlich gerechtfertigte Rabatte, die sich direkt auf den Preis auswirken. Dabei müssen gemäss Art. 56 KVG alle direkten oder indirekten Vergünstigungen, die einem Leistungserbringer gewährt werden, zwingend weitergegeben werden. Das HMG wie auch das KVG sehen bei Missachtung oder Verletzung der einschlägigen Gesetzesbestimmungen strenge strafrechtliche Sanktionen vor, die von hohen Bussen bis hin zu Gefängnisstrafen reichen. So wird gemäss Art. 86 HMG bestraft, wer die Gesundheit von Menschen gefährdet, indem er die Sorgfaltspflichten im Umgang mit Heilmitteln verletzt, Heilmittel abgibt, ohne dazu berechtigt zu sein, oder die Instandhaltungspflicht für Medizinprodukte verletzt. Zu beachten ist insbesondere, dass die Strafbarkeit nicht nur bei vorsätzlichem Handeln, sondern auch bei Fahrlässigkeit besteht. Ausserdem wird gemäss Art. 93 KVG mit Gefängnis oder mit Busse bestraft, wer Vergünstigungen nach Art. 56 KVG nicht weitergibt. Neben den gesetzlichen Normen sind aber auch verschiedene Bestimmungen auf Verordnungsstufe zu beachten, die den Umgang mit Arzneimitteln näher regeln. Insbesondere ist in Art. 10 der Arzneimittel-Werbeverordnung festgehalten, dass Musterpackungen nur in kleiner Anzahl abgegeben werden dürfen. Ausserdem müssen Musterpackungen deutlich sichtbar und dauerhaft als solche gekennzeichnet sein, die erforderlichen Angaben für die äussere Packung sowie eine genehmigte Packungsbeilage enthalten und dürfen nur zusammen mit der vom Institut zuletzt genehmigten Arzneimittelinformation abgegeben werden. Musterpackungen dürfen nicht grösser als die kleinste im Handel befindliche Originalpackung sein und dürfen auf keinen Fall verkauft werden.
Die Zürcher Gesetzgebung: Theorie und Praxis In ihren Erläuterungen zur Zürcher Gesetzgebung erwähnte lic. iur. Claudia Brenn, Generalsekretärin der Ärztegesellschaft des Kantons Zürich, dass nach dem neuen § 17 des Zürcher Gesundheitsgesetzes, der allerdings noch nicht in Kraft ist, Bewilligungen zur Führung einer Privatapotheke nach Massgabe der Ärzteverordnung erteilt werden. Die Inhaberinnen und Inhaber von ärztlichen Privatapotheken dürfen Arzneimittel nur an Patientinnen und Patienten abgeben, die bei ihnen in Behandlung stehen, und die Abgabe hat unter ärztlicher Aufsicht und Verantwortung zu erfolgen. Die Bewilligung für die direkte Medikamentenabgabe wird für jede Ärztin und jeden Arzt einzeln erteilt und gilt jeweils für zehn Jahre, wobei die Gebühr für die Erstbewilligung und für jede Erneuerungsperiode 1000 Franken beträgt. Für die direkte Medikamentenabgabe gelten die allgemeinen Bestimmungen für Detailhandelsgeschäfte mit Arzneimitteln, die sich in den §§ 15 bis 22 der Heilmittelverordnung (HMVO) finden. Darüber hinaus müssen Ärztinnen und Ärzte mit Patientenapotheke ein Qualitätssicherungssystem implementieren und sicherstellen, dass Fremdpersonen keinen Zugang zu den Arzneimitteln haben. Rechnungen müssen während zweier Jahre und die vorgeschriebenen Aufzeichnungen sogar während zehn Jahren aufbewahrt werden, wobei die elektronische Form der Aufzeichnung zulässig ist, sofern alle Eintragungen datiert, unabänderbar gespeichert und jederzeit abrufbar sind. Gemäss § 25 HMVO muss für die Abgabe von Arzneimitteln eine Detailhandelsbewilligung vorliegen, die allerdings nur für die in der betreffenden Praxis behandelten Patienten gilt. Arzneimittel dürfen nur in der gemäss SwissMedic vorgeschriebenen Form
mit den entsprechenden Aufschriften abgegeben werden, wobei der Name der Patientin oder des Patienten, die Art und Menge der abgegebenen Mittel, die Gebrauchsanweisung und das Datum der Abgabe aufgezeichnet werden müssen. Gemäss den §§ 7 bis 9 HMVO ist für die Abgabe von Betäubungsmitteln eine spezielle Bewilligung erforderlich. Betäubungsmittel müssen nach den Vorschriften der Bundesgesetzgebung in einem diebstahlsicheren Schrank, der fest mit dem Gebäude verbunden ist oder mindestens 300 kg schwer ist, aufbewahrt werden. Einmal jährlich muss der Bestand an Betäubungsmitteln unaufgefordert der kantonalen Heilmittelkontrolle gemeldet werden, wobei auch Retouren und abgelaufene Medikamente anzugeben sind. Gestützt auf § 42 HMVO kann die kantonale Heilmittelkontrolle jederzeit und unangemeldet Kontrollen der Lagerund Praxisräumlichkeiten durchführen. Im Rahmen einer solchen Praxiskontrolle überprüft ein kantonaler Inspektor nach einem ungefähr zehnminütigen Einführungsgespräch, in welchem der Arzt über den Ablauf und den Umfang der Inspektion orientiert wird, unter Rücksichtnahme auf den Praxisbetrieb sämtliche Räume und die Aufbewahrung der Medikamente sowie den Notfallkoffer. Am Ende der ungefähr eineinhalb Stunden dauernden Praxisinspektion findet ein Abschlussgespräch statt, in welchem dem Arzt allfällige Beanstandungen mitgeteilt werden. Die Kosten für eine Praxisinspektion mit entsprechendem Bericht belaufen sich auf 220 Franken pro Stunde, während für die Entsorgung der beschlagnahmten Medikamente je nach Anzahl 120 bis 900 Franken zu zahlen sind. Im Rahmen der Praxisinspektion wird überprüft, ob in der Praxisapotheke ein Dokument zur Qualitätskontrolle vorliegt, welches ein Organigramm der Mit-
ARS MEDICI 16 ■ 2009 653
OFFIZIELLES ORGAN
arbeiter mit Angabe der Stellvertretungen sowie deren Pflichtenhefte enthalten muss. Ausserdem müssen die Eingangskontrolle der Medikamente, die Durchführung von Temperaturkontrollen, Reinigungen und Wartungen sowie die Arbeitsanweisung für die Betäubungsmittelkontrolle dokumentiert sein. Neben der Qualitätssicherung werden die Räumlichkeiten und die Ausrüstung begutachtet, wobei gleichzeitig die Lagerungsbedingungen kontrolliert werden. Die Temperaturen müssen in den
Lagerräumlichkeiten zwischen 15 °C und 25 °C und im gesamten Kühlschrankbereich – insbesondere auch in der Kühlschranktüre – zwischen 2 °C und 8 °C liegen, wobei die Messung der Temperatur mit einem kalibrierten Thermometer durchgeführt werden muss. In der Praxisapotheke wie auch im Notfallkoffer dürfen keine Medikamente und Medizinalprodukte mit abgelaufenem Verfalldatum vorhanden sein. Für sämtliche Produkte muss eine Dokumentation der Ein- und Ausgänge und der
Lagerung vorliegen, und Rückgabe- be-
ziehungsweise Rücknahmemedikamente
müssen deutlich örtlich getrennt von
den neuen Medikamenten aufbewahrt
werden. Bei Grosspackungen, die ange-
brochen wurden, muss das Öffnungs-
datum auf der Packung selbst vermerkt
sein.
■
Dr. med. Simon Otth, Horgen Vizepräsident der APA
654 ARS MEDICI 16 ■ 2009