Transkript
STUDIE REFERIERT
Schmerzen bei diabetischer Neuropathie
Duloxetin, Pregabalin und Gabapentin im Vergleich
Mehrere Substanzen sind für
die Linderung neuropathischer
Schmerzen bei diabetischer
Neuropathie zugelassen.
Studien zum direkten Wirksam-
keitsvergleich gibt es nicht.
Eine kürzlich publizierte, verglei-
chende Analyse ergab, dass die
Unterschiede allenfalls geringfügig
sind.
BMC NEUROLOGY
Bei jedem zweiten Diabetiker entwickeln sich früher oder später periphere Nervenschädigungen, die häufig zu peripheren neuropathischen Schmerzen führen. So fanden sich in einer britischen Untersuchung unter Diabetikern dreimal so viele Patienten mit peripheren neuropathischen Schmerzen (16,2%) wie bei vergleichbaren Personen ohne Diabetes (4,9%). Um die meist als brennend und einschiessend beschriebenen neuropathischen Schmerzen in Fuss und Unterschenkel zu lindern, werden seit Langem trizyklische Antidepressiva (vor allem Amitriptylin und Nortriptylin) eingesetzt, obgleich sie hierfür nie speziell zugelassen wurden. In der Schweiz sind für die Indikation «neuropathische Schmerzen bei diabetischer Neuropathie» das Antidepressivum Duloxetin (Cymbalta®) sowie die Antiepileptika Pregabalin (Lyrica®) und Ga-
bapentin (Neurontin®, Gabantin®, Gabapentin-Mepha®, Gabapentin Sandoz®) zugelassen. Studien zum direkten Vergleich (headto-head) der genannten Substanzen in dieser Indikation gibt es nicht. Eine Alternative ist der Vergleich von Wirksamkeit und Nebenwirkungen der einzelnen Substanzen in jeweils plazebokontrollierten Einzelstudien. Voraussetzung hierfür sind jedoch vergleichbare Patientenkollektive, Studiendauer, Endpunkte und Messmethoden.
Nur wenige Studien eigneten sich zum Vergleich Von 91 Studien, die die Autoren zur Anwendung von Amitriptylin, Duloxetin, Pregabalin und Gabapentin bei diabetischer Neuropathie in der publizierten Literatur, Firmenunterlagen und Zulassungsdossiers finden konnten, blieben am Ende nur 11 übrig, die sie in ihre Metaanalyse einschlossen: 3 mit Duloxetin (n=679/339 Verum/Plazebo), 6 mit Pregabalin (n=988/478) und 2 mit Gabapentin (n=114/111). Unberücksichtigt blieb hingegen Amitriptylin, das wie andere trizyklische Antidepressiva seit rund 30 Jahren bei diabetischer Neuropathie verwendet wird. Zwar bestehe ein breiter Konsens hinsichtlich der klinischen Bedeutung der trizyklischen Antidepressiva zur Linderung neuropathischer Schmerzen, diese klinische Evidenz beruhe jedoch nur auf einer Reihe kleiner Studien aus den Achtziger- und Neunzigerjahren, die nicht als Zulassungsstudien angelegt wurden. Darum habe nur 1 der Studien mit Amitriptylin ihren Ansprüchen genügen können, und das sei zu wenig, so die Autoren.
Was wurde verglichen? Die Schmerzreduktion innert 24 Stunden und die klinische Ansprechrate wurden für Duloxetin versus Pregabalin und für Duloxetin versus Gabapentin plazebokontrolliert verglichen. Die Schmerzreduktion wurde mit der visuellen Analogskala erfasst, die von 0 (kein Schmerz) bis 10 (grösste Schmerzen) reicht; 2 Punkte Unterschied gelten als klinisch relevant. Als Ansprechen auf das Medikament galt eine mehr als 50-prozentige Verringerung der Schmerzen. Der Vergleich der Verträglichkeit erfolgte anhand der Kriterien Studienabbruch, Diarrhö, Benommenheit, Schwindel, Übelkeit und Somnolenz. Nur für Duloxetin versus Pregabalin wurde zusätzlich das Urteil der Patienten (Patient Global Impression of Improvement/Change) erfasst; diese Skala umfasst 7 Stufen von «sehr viel besser» bis «sehr viel schlechter». NNT (number needed to treat) und NNH (number needed to harm; definiert als vorzeitiger Studienabbruch) wurden nur für Duloxetin und Pregabalin errechnet.
Resultate Bezüglich der Ansprechrate gab es keinen Unterschied zwischen Duloxetin und Pregabalin. Bei beiden müssen statistisch betrachtet 5 Patienten behandelt werden, damit 1 von ihnen eine 50-prozentige Schmerzlinderung erfährt (NNT).
Merksätze
■ Duloxetin ist ähnlich wirksam wie Pregabalin oder Gabapentin zur Linderung neuropathischer Schmerzen bei diabetischer Neuropathie.
■ Trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin werden bei diesen Patienten seit Langem eingesetzt, die Studiendaten hierzu sind jedoch eher dürftig.
■ Das Ansprechen auf die eine oder andere Substanz kann individuell sehr unterschiedlich ausfallen.
592 ARS MEDICI 14 ■ 2009
STUDIE REFERIERT
Obgleich nicht in ihrer Metaanalyse berücksichtigt, erwähnen die Autoren, dass für trizyklische Antidepressiva bei neuropathischen Schmerzen im Allgemeinen eine NNT von zirka 3 mit einer Schwankungsbreite von 2 bis 15 in der Literatur angegeben werde; diese Angaben beruhten jedoch auf sehr kleinen Studien mit nicht einheitlich definierten Kriterien für das Ansprechen auf die Therapie. Auch für Gabapentin errechneten die Autoren mangels klarer Angaben zum Therapieansprechen in den beiden von ihnen eingeschlossenen Studien keine NNT, erwähnen aber, dass Angaben von 3,4 bis 3,8 in der Literatur zu finden seien. Im Verleich zwischen Duloxetin und Pregabalin ergab sich für Duloxetin bei der
Schmerzreduktion innert 24 Stunden ein geringfügig besserer Durchschnittswert als für Pregabalin (-0,2 Punkte auf der visuellen Analogskala von 0–10); bei der Einschätzung durch die Patienten hatte Pregabalin die Nase vorn (+0,5 Punkte auf einer 7-stufigen Skala). Beim Vergleich der oben genannten Verträglichkeitsparameter fanden sich mit Ausnahme von Schwindel (weniger Fälle unter Duloxetin) keine statistisch relevanten Unterschiede zwischen Duloxetin und Pregabalin. Von 11 Patienten, die mit Duloxetin behandelt wurden, stieg 1 vorzeitig aus der Studie aus, bei Pregabalin war es 1 von 19 (NNH). Im Vergleich zwischen Duloxetin und Gabapentin fanden die Autoren bei Ansprechrate, 24-Stunden-Schmerzreduk-
tion und Verträglichkeitsprofil keine sta-
tisch relevanten Unterschiede.
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Renate Bonifer
Quilici S. et al.: Meta-analysis of duloxetine vs. pregabalin and gabapentin in the treatment of diabetic peripheral neuropathic pain. BMC Neurology 2009: 9: 6 Open Access: http://www.biomedcentral.com/1471-2377/96
Interessenlage: Die Metaanalyse wurde im Autrag von Eli Lilly von der Agentur i3 Innovus erstellt. Von den 8 Autoren sind die Erstautorin sowie 2 weitere Autoren Mitarbeiter von i3 Innovus, 3 Autoren sind Mitarbeiter von Eli Lilly oder Boehringer Ingelheim. 2 Autoren sind Professoren an Spitälern in Paris; sie erhielten Beraterhonorare, 1 von ihnen erhielt auch ein Studiensponsoring von Eli Lilly.