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RECORD-Studie mit Rosiglitazon:
Erhöhtes Herzinfarktrisiko nicht bestätigt
Zuweilen geschieht es, dass das Schicksal eines Medikaments mit einer negativen Studie besiegelt wird. Genauso schien es vor zwei Jahren den Glitazonen zu ergehen. Eine Metaanalyse von Steven Nissen und Kathy Wolski (NEJM 2007; 356: 2457–2471) zog die kardiovaskuläre Sicherheit von Rosiglitazon (Avandia®) in Zweifel: Unter dem Insulinsensitizer war das Herzinfarktrisiko im Vergleich mit anderen Antidiabetika signifikant erhöht, kardiovaskuläre Todesfälle wurden vermehrt registriert, wenn auch statistisch nicht signifikant. Die American Diabetes Association (ADA) und die European Association for the Study of Diabetes (EASD) entzogen Rosiglitazon das Vertrauen. In den aktuellen Therapierichtlinien wird Avandia seither nicht mehr empfohlen, Pioglitazon (Actos®) wurde herabgestuft. Rosiglitazonhersteller GlaxoSmithKline und einzelne Diabetologen verteidigten Rosiglitazon jedoch stets und
forderten, die Endergebnisse der RECORD(Rosiglitazone-Evaluated-for-Cardiac-Outcomes-and-Regulation-of-Glycaemia-inDiabetes-)Studie abzuwarten. Diese wurden nun im «Lancet» online publiziert (Lancet 2009; doi: 10.1016/S0140-6736 (09) 60953–3). An der randomisierten, offenen Studie nahmen 4447 Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 teil, die hälftig Rosiglitazon plus Metformin oder Sulfonylharnstoff beziehungsweise Metformin und Sulfonylharnstoff erhielten. Die jetzt vorliegenden Resultate der 5,5 Jahre dauernden Studie, bestätigen das mutmassliche kardiovaskuläre Risiko nicht: Die Zahl der Patienten, die aufgrund von Herz-Kreislauf-Komplikationen hospitalisiert wurden oder einen kardiovaskulären Tod erlitten, war in beiden Studienarmen praktisch gleich: 321 Patienten in der Rosiglitazongruppe, 323 Patienten in der Kontrollgruppe. Das Herzinfarktrisiko, ein sekundärer Endpunkt, war
unter Rosiglitazon leicht, aber nicht signi-
fikant erhöht. Nach Meinung des Studien-
leiters Philip Home von der Universität
Newcastle upon Tyne ist damit die kardio-
vaskuläre Sicherheit des Medikaments be-
legt. Die Editorialisten Ravi Retnakaran
und Bernard Zinman aus Toronto machen
darauf aufmerksam, dass unter Rosiglita-
zon höhere LDL-Cholesterinwerte auftra-
ten, was einen häufigeren Einsatz von
Statinen nach sich zog (Lancet 2009; doi:
10.1016/ S0140-6736 (09) 61029-1) und zu
einer Verfälschung der Ergebnisse beigetra-
gen haben könnte. Dagegen will die ADA
offenbar ihr negatives Urteil über Rosigli-
tazon überprüfen. Ob die EASD beabsich-
tigt, ihre Empfehlungen womöglich zu
korrigieren, ist noch unklar. Bestätigt hat
die RECORD-Studie übrigens das erhöhte
Herzinsuffizienz- und Frakturrisiko (v.a.
bei Frauen) unter Rosiglitazon.
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U.B.
Die Hälfte der Hirnschläge erfolgt innert 24 Stunden:
TIA ist ein medizinischer Notfall
Die EXPRESS-(Early-Use-of-Existing-Preventive-Strategies-for-Stroke-)Studie konnte nachweisen, dass eine notfallmässige aggressive Intervention nach TIA das 90-Tages-Risiko für Hirnschlag um 80 Prozent zu senken vermochte und residuelle Behinderung, Hospitalisationstage und Kosten in ähnlicher Weise verminderte. Entsprechend empfehlen heute die Richtlinien in vielen Ländern, dass TIA-Patienten innert 24 Stunden (und nicht wie früher innert 7 Tagen) abgeklärt werden sollen. Dieselbe Forschergruppe britischer Neurologen hat nun in einer rigorosen bevölkerungsbasierten Studie auf Basis der Oxford-Vascular-Studiendaten das Hirnschlagrisiko innert 24 Stunden nach TIA präziser erfasst und ist zum Schluss gekommen, dass gerade innerhalb dieses engen Zeitraums die grösste Gefahr
droht. In der prospektiven Untersuchung hatten von den 1247 Patienten mit einer ersten TIA oder einem Minor Stroke 35 innert 24 Stunden einen erneuten Hirnschlag erlitten, und zwar in allen Fällen im selben Gefässversorgungsgebiet. Von den 488 Patienten mit TIA als Erstmanifestation hatten 25 einen rezidivierenden Hirnschlag erlitten, und 42 Prozent dieser Ereignisse waren innert der ersten 24 Stunden eingetreten. Die Autoren konnten das Hirnschlagrisiko 6, 12 und 24 Stunden nach TIA berechnen. Die 12- und 24-Stunden-Risiken korrelierten eng mit dem zur Risikoabschätzung weitverbreiteten ABCD-Score, der also auch in der Frühphase zuverlässig ist (obwohl er ursprünglich für das 7-TagesRisiko konzipiert war). 16 der 25 (64%) Patienten mit zerebrovaskulärem Rezidiv
nach TIA suchten ärztliche Hilfe – im All-
gemeinen bei ihrem Hausarzt –, erhielten
aber keine sofortige Plättchenhemmer-
therapie und wurden auch nicht direkt an
eine neurologische Abklärungsinstanz
weitergewiesen. Diese Ergebnisse zusam-
men mit anderen müssen Signal sein, die
Ärzteschaft für die Notwendigkeit einer
raschen Abklärung und therapeutischen
Versorgung zu sensibilisieren und dem
Publikum noch besser bekannt zu machen,
dass eine kleine «Streifung» immer als Vor-
bote eines bedrohlichen Hirnschlags ver-
standen werden soll.
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H.B.
Chandratheva A et al.: Population-based study of risk and predictors of stroke in the first few hours after a TIA. Neurology 2009; 72: 1941—1947.
524 ARS MEDICI 13 ■ 2009