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Lancet-Studie:
Fenofibrat senkt das Amputationsrisiko bei Typ-2-Diabetikern
Der Behandlung mit dem Lipidsenker Fenofibrat vermag offenbar das Amputationsrisiko bei Typ-2-Diabetikern deutlich zu senken. Das zeigt zumindest eine Post-hocAnalyse der FIELD-(Fenofibrat-Interventionand-Event-Lowering-in-Diabetes-)Studie, die kürzlich im «Lancet» publiziert wurde (2009; 373: 1780–1788). Die FIELD-Studie ist die grösste Lipidsenkerstudie, die je bei Typ-2-Diabetikern mit und ohne Dyslipidämie durchgeführt wurde. Fast 10 000 Patienten im Alter von 50 bis 75 Jahren nahmen an der plazebokontrollierten Studie teil. Ziel war es, herauszufinden, ob sich durch Langzeittherapie mit Fenofibrat (200 mg/Tag) bei kardiovaskulär gefährdeten Typ-2-Diabetikern die Rate der Koronarereignisse senken lässt. Primärer Endpunkt waren nicht tödliche Herzinfarkte und koronar bedingter Tod. Die im Jahr 2005 publizierten Ergebnisse blieben aber deutlich hinter den Erwartungen zurück. Nach fünfjähriger Behandlung wurde unter Fenofibrat zwar eine Abnahme des primären Endpunkts registriert, statistisch war das Ergebnis aber nicht signifikant. Allerdings gab es auch gewisse Lichtblicke.
So zeigte sich, dass unter Fenofibrat etwa das Fortschreiten einer Niereninsuffizienz verzögert und die Zahl der wegen einer Retinopathie notwendig gewordenen Laserbehandlungen gesenkt werden kann. Dabei handelt es sich allerdings um «weiche Endpunkte». Die neuen Resultate zeigen nun, dass sich offenbar auch die Zahl der Amputationen – ein vordefinierter tertiärer Endpunkt – durch Fenofibrat senken lässt, und zwar um 36 Relativprozent. Den Daten zufolge profitieren von dem Lipidsenker in erster Linie Diabetiker mit mikrovaskulärer Erkrankung – Patienten also, die oft auch an diabetischen Augenund Nierenerkrankungen oder an Neuropathie leiden. Bei dieser Patientengruppe sank das Amputationsrisiko sogar um 46 Prozent. Insgesamt mussten sich während der Studie immerhin 115 Patienten einer oder mehreren Amputationen unterziehen. Der Studienleiter Anthony Keech und seine Kollegen von der Universität Sydney betonen, dass der Behandlungseffekt von Fenofibrat bereits im zweiten Behandlungsjahr voll durchschlug. Die Patienten profitierten dabei unabhängig vom
Lipidstatus (und der Therapie mit Statinen)
und von der Qualität der Glukoseein-
stellung. Es handelt sich demnach offenbar
um einen additiven Effekt. Worauf aber
beruht die Wirkung von Fenofibrat? In
einem Kommentar vermuten Sergio Fazio
und MacRae Linton von der Vanderbilt
Universität in Nashville einen günstigen
Einfluss des Lipidsenkers auf die Wund-
heilung (Lancet 2009; 373: 1740–1741).
Dafür könnte sprechen, dass Fenofibrat vor
allem Amputationen unterhalb des Fussge-
lenks zu verhindern hilft, die meist Folge
übersehener Fussulzera sind. «Dieser Effekt,
mehr noch als entzündungshemmende,
antioxidative oder Endotheleffekte, unter-
scheidet die Fibrate von den vielen Medi-
kamenten wie Statinen, Antihypertensiva,
Aspirin und Vitamin E, die bislang nicht
in der Lage sind, Amputationen bei Dia-
betikern zu verringern», schreiben Fazio
und Linton. Ob die Lancet-Studie Aus-
wirkungen auf künftige Therapieleitlinien
haben wird, bleibt abzuwarten.
■
U.B.
Kohortenstudie bei Demenzkranken unter Cholinesterasehemmern:
Mehr Synkopen, Schrittmacher, Hüftfrakturen
In einer kanadischen Beobachtungsstudie mit knapp 20 000 wegen Demenz mit Cholinesterasehemmern behandelten Patienten und über 60 000 Kontrollen waren unter den Antidementiva Hospitalisierungen wegen Synkope deutlich häufiger (31,5 vs. 18,6 pro 1000 Personenjahre; Hazard Ratio [HR] 1,76; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,57–1,98). Auch andere mit Synkopen in Zusammenhang stehende Ereignisse kamen bei Patienten unter Cholinesterasehemmern im Vergleich zu den Kontrollen öfter vor, so Bradykardien (6,9 vs. 4,4/1000 Personenjahre; HR 1,69;
95%-KI 1,32–2,15), Versorgung mit einem Herzschrittmacher (4,7 vs. 3,3/1000 Personenjahre; HR 1,49; 95%-KI 1,12–2,00) sowie Hüftfrakturen (22,4 vs. 19,8/1000 Personenjahre; HR 1,18; 95%-KI 1,04– 1,34). Diese Ergebnisse erwiesen sich in zusätzlichen Analysen als konsistent, welche die Komorbidität zu Beginn oder Scores für die spezifische Anfälligkeit gegenüber den untersuchten Ereignissen berücksichtigten. Die Autoren glauben, dass die Vestärkung vagaler Einflüsse auf Herz und Gefässe unter Cholinesterasehemmern wie Donepezil, Galantamin oder Rivastigmin
mit der Möglichkeit einer konsekutiven
neurokardiogenen Synkope zu wenig be-
kannt sind. Das Risiko von Synkopen
und damit in Zusammenhang stehenden
ernsthaften Medikamentennebenwirkun-
gen müsse aber immer in die individuelle
Nutzen-Risiko-Abschätzung einfliessen, zu-
mal Cholinesterasehemmer im Allgemei-
nen nur eine bescheidene positive Wirkung
besässen.
■
H.B.
Quelle: Sudeep S. Gill et al., Arch Intern Med 2009; 169 (9): 867—873.
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