Transkript
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Rosenbergstrasse 115
Taktisch schlecht ists, wenn Hausärzte darauf drängen, keinen Notfalldienst mehr leisten zu müssen beziehungsweise ihn des nachts und über die Wochenenden an die Spitäler abtreten zu dürfen, und gleichzeitig mehr Verantwortung in Sachen Medikamentenabgabe, sprich die Wiedereinführung der Selbstdispensation, reklamieren. Man sollte die beiden Forderungen wenigstens gegen aussen terminlich so weit wie möglich voneinander getrennt vorbringen.
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Und dann geistert da offenbar eine neue Idee herum: Verzicht auf jegliche Marge beim Verkauf von Medikamenten. Dafür Umlagerung des frei werdenden Finanzvolumens auf den Taxpunktwert, der dadurch – für alle natürlich – um rund 10 Rappen steigen würde. Was sich die Krankenkassen von einer solchen Umlagerung erhoffen, kann man sich denken: Die Medis werden in der Praxis billiger als in der Apotheke – dumm für unsere Kollegen Pharmazeuten – und: Taxpunktwerte kann man auch mal durch Notrecht senken. Was schön scheint für alle Kollegen Praktiker, ist leider etwas dumm für die Selbstdispensierenden, die zwar wie alle anderen von der Taxpunktwerterhöhung profitieren, aber daneben auch noch die Umtriebe mit der Praxisapotheke haben. Der Schuss könnte deshalb im Rohr krepieren: dann nämlich, wenn die SD-Ärzte auf Arbeit ohne Ertrag verzichten und die SD aufgeben würden. Das würde die Apotheker freuen; nur die Kassen wären leicht überrascht, dass die Medikamentenkosten auf einmal wieder anstiegen. Erstaunlich am Ganzen ist eigentlich nur, dass die Idee von praktizierenden Ärzten stammt.
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Gesundheitsförderung und Prävention können nicht vom Staat verordnet werden, meinte der Zuger Gesundheitsdirektor, der auch Präsident des Stiftungsrats Gesund-
heitsförderung Schweiz ist. Das mag stimmen. Was der Staat hingegen kann: Zwangsabgaben (auf die Krankenkassenprämien, zu bezahlen von den Versicherten) verordnen und mit dem Geld Stiftungen alimentieren (wie beispielsweise – so ein Zufall – die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz).
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Die nach dem Urknall gewiss am längsten dauernde und am langsamsten ablaufende Explosion der Welt ist die Kostenexplosion im Gesundheitswesen. Sie dauert bereits Jahrzehnte und vollzieht sich in kleinen bis grösseren Prozentschritten. Dieses und nächstes Jahr sollens über 10 Prozent sein. Die «Explosion» zeitigt merkwürdige Folgen: Keiner stirbt daran, im Gegenteil, sie verlängert gar die durchschnittliche Lebenserwartung und den allgemeinen Gesundheitszustand.
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Es soll Staaten und Regionen geben, in denen nichts explodiert. Dumm nur, dass es dort auch keine künstlichen Hüftgelenke, keine Krebstherapien, keine schonende Knopflochchirurgie und keinen Rettungsdienst gibt, der notfalls innert 15 Minuten beim Patienten ist.
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Über die Rechtschreibereform und ihre weltfremden Initianten auch in der Schweiz haben wir uns schon vor über zehn Jahren geärgert. Monatelang haben sich die Kritiker (vergeblich) mit Geschichten wie beispielsweise jener über die «heute Morgen» ganz «selbstständig» und «ohne Weiteres» «Spagetti» fressenden «Gämsen», die mit einem «Quäntchen» «Rohheit» ohne «aufwändige» Ausrüstung von «allein stehenden» Jägern erlegt werden können, über die angeblich logische Spracherneuerung mokiert. Zig Millionen haben die bornierten
Elfenbeintürmler in Deutschland und der Schweiz uns Steuerzahler gekostet, ohne dass sie je Konsequenzen hätten tragen müssen. Es bleibt eben so: Nicht nur wenn Banker, auch wenn Staatsangestellte Mist bauen, bezahlt der kleine (und noch mehr der grosse) Mann dafür! Banker werden wenigstens noch geschasst. Einigermassen gerichtet haben die «staatlich verordnete Legasthenie» (Stefan Aust) dann vor allem die Zeitungsredaktoren und -korrektoren. Meist, indem sie einen pragmatischen Mittelweg suchten und eine hauseigene Orthografie entwickelten. Vermutlich gibts deutschsprachenweit mehrere Dutzend Varianten davon. Uns macht das nichts aus. Nur die Lehrer sind dumm dran. Die müssen offiziell ab August dieses Jahres die Schüler so schreiben lehren, wies eigentlich niemand macht.
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Was Kollegen so alles machen, um zu schlafen (NZZaSo): «Nachdem ich ins Pyjama geschlüpft bin, mache ich einen Kopfstand. Das fördert die Durchblutung und hilft der Verdauung; meistens fängt dann der Magen an angenehm zu knurren. Danach gehe ich auf die Veranda und schwinge 15- bis 20-mal an einem Stab, der mit Seilen unter dem Dach befestigt ist, was meine Wirbelsäule entspannt. Das mache ich jeden Abend, auch wenn es draussen minus 20 Grad ist.» Da kommt man sich als gewöhnlicher Mensch, der einfach die Bettdecke aufschlägt, sich auf die Seite legt, sich zudeckt und zu schnarchen beginnt (angeblich, meist behauptet das ja bloss die Ehefrau) irgendwie abnormal vor.
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Und dies zum Schluss: Wer nicht gerne denkt, sollte wenigstens von Zeit zu Zeit seine Vorurteile neu gruppieren.
Richard Altorfer
ARS MEDICI 11 ■ 2009 437