Transkript
R E F E R AT
Nasenbluten: auch an Medikamente als Auslöser denken
Rezidivblutungen besonders bei arterieller Hypertonie, höherem Lebensalter und Antikoagulation
Nasenbluten kommt häufig vor und wird daher oft
bagatellisiert. Unterschiedliche Ursachen und
Schweregrade verlangen eine genaue Diagnostik
und nicht immer nur eine lokale blutstillende
Massnahme. Patienten aller Altersgruppen und
sozialen Schichten sind betroffen.
HNO
Nicht selten bluten Kinder aus der Nase, allerdings mit geringerer Intensität, meistens vom Locus Kiesselbachi aus, einer Venenverdickung am vorderen Septum. Die Blutung wird oft durch «Nasenbohren» oder geringfügige Traumen bedingt verursacht.
Auslösende Faktoren Bei Erwachsenen liegt gelegentlich eine hypertensive Krise vor, die das Platzen eines Nasengefässes zur Folge hat. Die Einnahme von Antikoagulanzien, Allergie, anatomische endonasale Abnormitäten, Alkohol, Tabakrauch und Diabetes mellitus stellen weitere Ursachen dar. Trockene Luft, auch durch Tabakrauch, führt zu einer erhöhten Gefässbrüchigkeit, chronische Leber- und Nierenerkrankungen können durch Mangel an Gerinnungsfaktoren mitwirken. Angeborene Gerinnungsstörungen (Willebrand-Syndrom) sind häufig von Epistaxis begleitet. Auch Medikamente können Nasenbluten auslösen, vor allem Thrombozytenaggregationshemmer (ASS, Clopidogrel [Plavix®]) und Cumarinderivate, wobei eventuell eine fehlerhafte Dosierung durch den Patienten mitspielt. Auch das Neuroleptikum Risperidon (Risperdal®) kann Epistaxis durch verminderte Vasokonstriktion begünstigen. Im Rahmen einer Chemotherapie mit Bevacizumab (Avastin®, gegen Mammaund Bronchuskarzinome) wurden gelegentlich Nasenblutungen beobachtet. Ferner sei auf die erektionsfördernden Wirkstoffe Sildenafil (Viagra®) und Tadalafil (Cialis®) verwiesen, denen ebenfalls eine thrombozytenaggregationshemmende Wirkung zugeschrieben wird. Schliesslich seien noch meteorologische Einflüsse erwähnt, wobei Kälte und hoher Luftdruck eine Rolle spielen sollen.
Eine Sonderstellung nimmt die Osler-Rendu-Weber-Krankheit (hereditäre Teleangiektasie) ein, die sich auch endonasal manifestieren kann und spezielle Techniken (Operation, Laser) erfordert. Auch Schwangerschaft kann Epistaxis durch hormonell bedingte Vasodilatation bewirken, jedoch selten in gravierender Form. Ergänzend sei eine allfällige Blutung nach einer Nasen- oder Nebenhöhlenoperation und nach Traumen erwähnt.
Diagnostik Bei einer singulären undramatischen Form sind Laboranalysen hinsichtlich Gerinnungsstatus entbehrlich, wenn nicht anamnestisch Hinweise auf ein Blutungsleiden gegeben sind. Empfohlen werden folgende Parameter: komplettes Blutbild, MCV, Quick-Test, INR, PTT, Faktor VIII, Faktor IX, Gamma-GT, GLDH, GOT und GPT. Bei einseitigen (unklaren) Blutungen sollten Röntgen und Computertomogramm (CT) von Nase und Nebenhöhlen zum Ausschluss von Tumoren veranlasst werden. Weiterführende Massnahmen wären Magnetresonanztomografie und Angiografien.
Therapie Die bei Kindern und Jugendlichen in mehr als 90 Prozent der Fälle vom Locus Kiesselbachi ausgehende Blutung aus hyperplastischen Gefässen lässt sich durch eine kurz dauernde Einlage eines kleinen Salbentampons meistens beherrschen. Des Weiteren ist die Anwendung einer feuchten Nasensalbe zur
Merksätze
■ Epistaxis im vorderen Nasenanteil (Locus Kiesselbachi) ist mit einfachen Methoden zu stillen.
■ Bei Blutungen aus dem rückwärtigen Nasenhöhlenbereich sind hingegen aufwendigere Massnahmen indiziert.
■ Während die Blutungsursache im vorderen Abschnitt meist leicht erkennbar ist, erfordern Blutungen aus der Nasentiefe meistens eine stationäre Behandlung mit entsprechender Abklärung.
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NASENBLUTEN: AUCH AN MEDIKAMENTE ALS AUSLÖSER DENKEN
Verhinderung von Krustenbildung indiziert. In einzelnen Fällen muss ein zu grosses Gefäss kauterisiert werden, jedoch niemals gleichzeitig bilateral. Silbernitratstäbchen erreichen nicht die gleiche Wirkung. Das Auflegen kalter Kompressen auf den Nacken wird vielfach geübt, ist aber im Effekt wissenschaftlich nicht belegt. Eher hilfreich mag lokales Auflegen oder Lutschen von Eiswürfeln sein.
Nasentamponaden Wenn Salbenbehandlung und Kauterisation die Blutung nicht zum Stehen bringen, ist eine Tamponade anzulegen. Verschieden gestaltete Tampons stehen zur Verfügung: quellfähige Schaumstofftampons, zum Teil mit gerinnungsfördernder und antibakterieller Beschichtung, ferner Fingerlingtampons. Diese beiden Arten sind für den Patienten weniger unangenehm als die (alte) Streifentamponade, die jedoch bei stärkeren Blutungen am effektivsten ist; in der Tiefe des Cavum nasi lokalisierte Blutungen werden damit auch eher erreicht. Alternativ zur Tamponade wird von manchen Autoren die sogenannte «hot-water-irrigation» beschrieben, wobei die Nasenhöhle mit 50 ˚C heissem Wasser gespült wird. Durch Schleimhautschwellung und eine gewisse Stase in den Gefässen soll so die Blutung zum Stillstand gebracht werden. Bei schweren und rezidivierenden posterioren Blutungen sind eingreifendere stationäre Massnahmen erforderlich. So werden die Ligatur der Arteria sphenopalatina und die Embolisation
zuführender Gefässe mit unterschiedlicher Wertung angeführt. Weniger aufwendig ist die Tamponade von rückwärts her (Bellocq-Tampon). Rezidivblutungen sind am häufigsten bei arterieller Hypertonie, höherem Lebensalter und bei Antikoagulanzieneinnahme zu erwarten.
Kommentar des Referenten
Einfache Blutungen sistieren nicht selten, ehe man den Arzt
erreicht. Bei blutenden Hypertonikern wird die Nasenblutung
gerne als «natürlicher Aderlass» eingestuft, dennoch ist die
Blutung zu stillen und eine allfällige Hypertonie zu behandeln.
Eine im akuten Blutungszustand eventuell nicht effiziente Stil-
lung macht den Transfer in eine HNO-Klinik erforderlich, wo
zusätzliche Möglichkeiten bestehen. In weiterer Folge ist eine
vorgegebene Medikation zu überprüfen und eventuell zu
modifizieren, um Rezidiven vorzubeugen. Bei jüngeren
Kindern sind manchmal hypertrophe Adenoide Ursache von
Kongestionen mit Blutungsneigung im Nasenbereich; eine
Adenotomie kann dann indiziert erscheinen.
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B.J. Folz (HNO-Klinik Bad Lippspringe/D) et al.: Aktuelle Aspekte zur Epistaxis. HNO 2008; 56: 1157—1166.
Interessenkonflikte: keine deklariert
Ernst Moritsch
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